Ein Kapitel früher E-Mobilität: Thomas Alva Edison und Henry Ford

Autor: Halwart Schrader


Nach einer Reuters-Meldung im Jänner 2018 will die Ford Motor Company in die Entwicklung von Elektrofahrzeugen bis zum Jahr 2022 elf Milliarden Dollar investieren. „Think small“ war noch nie eine Ford-Devise gewesen, wie schon Firmengründer Henry mit seinem legendären T-Modell bewiesen hat.

Auch mit Überlegungen zum Elektroauto

hatte sich Henry Ford einst beschäftigt, was kaum bekannt ist. Doch es dauerte bis Jahresende 2011, ehe Ford in den USA serienmäßig E-Autos zu bauen begann, den Focus BEV. Dabei hatte William Clay Ford Jr., Vorsitzender und Generaldirektor der Ford Motor Company, noch 2008 eine ganz andere Vision gehabt: „Ich bin davon überzeugt, dass Brennstoffzellen die mehr als 100-jährige Dominanz des heutigen Verbrennungsmotors ablösen werden.“ Warten wir’s ab!

Die Geschichte von der elektrischen Zukunft der Marke mit Henrys Signatur auf der blauen Zwetschge beginnt mit Thomas Alva Edison, geboren am 11. Februar 1847 in Milan, einem Dorf im Norden des US-Staates Ohio. Als 15-Jähriger erhielt er Unterricht in der Telegraphietechnik. 1870 begann er in Newark (New Jersey) mit der Entwicklung und Fertigung von telegraphischen Apparatschaften. Das rasch expandierende Geschäft veranlasste Edison, 1872 einen weiteren Betrieb zu gründen. In diesen Werkstätten zur Herstellung von Eisenbahntelegraphen und Telegraphen für private Leitungen beschäftigte er schon bald 50 Mitarbeiter und produzierte zirka 600 Geräte im Jahr. Sie markierten den Beginn der Tätigkeit Edisons als Erfinder-Unternehmer.

Das zentrale Problem der Telegraphengesellschaften war damals die effiziente Nutzung der teuren Leitungen. 1861 verlagerte sich Edisons Schwerpunkt der Arbeit zu der Umsetzung kompletter Elektrifizierungsprojekte. Die Fertigung von Glühlampen und Komponenten für das Massengeschäft mit Licht und Strom erforderte die Einrichtung von Fabriken und die Entwicklung rationeller Fertigungsprozesse.

Geschäftspartner auch in Europa

Im November 1878 wurde die Edison Electric Light Co. gegründet. Diese Gesellschaft kann als Kern des aus ihr hervor gegangenen Edison-Elektrokonzerns gewertet werden. 1883 entstand durch eine Kooperation mit Emil Rathenau in Berlin die Deutsche Edison-Gesellschaft für angewandte Elektrizität, später AEG. Das Mahen-Theater in Brünn war 1882 das erste Gebäude in Europa, in welchem ein Edison-Beleuchtungssystem installiert wurde. In Deutschland gilt im Jahr 1884 das Café Bauer zu Berlin als erstes mit Glühlampen beleuchtetes Gebäude; die Lampen wurden von Emil Rathenau nach Edison-Patenten hergestellt. In Mailand wurde 1883 das erste kommerzielle Edison-Elektrizitätsnetz Europas in Betrieb genommen.

Mit Edisons Namen sind zahlreiche weitere Erfindungen verbunden, etwa der Phonograph und das Diktiergerät. Im Wettbewerb um Marktanteile bei Wechselstrom-Elektrifizierung gab es in den späten 1880er-Jahren den sogenannten Stromkrieg zwischen Edison und seinen Konkurrenten George Westinghouse und Nikola Tesla. Edison musste einsehen, dass es ein Fehler gewesen war, nach Erfindung des Transformators 1881 am Gleichstrom festgehalten zu haben. Edisons Lösung mit 110 Volt Gleichspannung war weder in ländlichen Gebieten mit weiten Entfernungen der Verbraucher zum Kraftwerk wirtschaftlich umzusetzen, noch konnte die preiswerte Energie aus entfernten Wasserkraftwerken zu den Verbrauchern transportiert werden. 

Edison fasste seine Unternehmen bis 1890 zur Edison General Electric Co. zusammen, da der vielgliedrige Firmenverbund nicht mehr effizient zu leiten war. Die Fusion der zahlreichen Firmen zur Edison General Electric Co. erforderte viel Kapital für den Aufkauf von Firmenanteilen Dritter an den zu fusionierenden Firmen, welches von Investoren kam, darunter von der Deutschen Bank und von Siemens & Halske. Edison hatte daher keinen kontrollierenden finanziellen Aktienanteil an der Edison General Electric Co. Er war einer von mehreren Aktionären, hatte aber einen Sitz im Verwaltungsrat und war durch Verträge als externer Erfinder mit dem Unternehmen verbunden. Doch 1894 und 1895 verkaufte Edison laufend seine General-Electric-Aktien und finanzierte mit dem Erlös seine Entwicklungen und Investitionen in anderen Branchen. 

„Henry, gründe deine eigene Firma!“

Thomas Alva Edison war mit Henry Ford (1863–1947) befreundet, der als junger Mann bei der Edison Illuminating Co. seine Karriere begonnen hatte und von Edison dazu ermuntert wurde, sich im Automobil-Business selbstständig zu machen. Auch geht Edisons intensive Beschäftigung mit der Weiterentwicklung der Batterietechnik auf die Erfordernisse im Automobilbau zurück. Doch einer Elektrifizierung des Kraftfahrzeugs stand die damals noch unzureichende Batterietechnik entgegen. Die Bleiakkumulatoren waren sehr groß und sehr schwer. Aber auch die Eisenbahnen hatten Bedarf an wiederaufladbaren Speichermedien, und bei der Bahn spielte ein hohes Batteriegewicht keine Rolle …

Nach Vorarbeiten und einer langen Entwicklungszeit mit vielen Rückschlägen wurde der Nickel-Eisen-Akkumulator perfektioniert. Eine für Automobile geeignete Ausführung war 1904 gefunden und ging in Produktion. Edisons Kunden waren zufrieden – nur Henry Ford zeigte sich nach wie vor skeptisch, auch bereiteten Edison hohe Ausfallraten Sorgen; die Gehäuse waren anfangs nicht stoßfest genug und barsten durch Erschütterungen auf schlechten Wegstrecken. Edison stoppte die Produktion und investierte weitere zwei Jahre Entwicklungsarbeit in Detailverbesserungen, der Konkurrenz einstweilen den Markt überlassend. Gleichwohl hatte die Edison Storage Battery Company schon im ersten Produktionsjahr eine Million Dollar Umsatz erzielt. Weitere zahlreich durchgeführte und sorgfältig dokumentierte Experimente wurden zu einer wichtigen Datenbasis für folgende Generationen von Batterieentwicklern.
 

Edisons Elektroautos

Im Rahmen seiner Entwicklungsarbeiten konstruierte Thomas Alva Edison auch Autos und Schienenfahrzeuge mit Elektroantrieb. Er sah in solchen Fahrzeugen einen wichtigen Zukunftsmarkt für seine Akkumulatoren sowie für elektrische Energie aus Kraftwerken. Die allgemeine Hinwendung zum Verbrennungsmotor führte um 1907–08 jedoch zu einer Verdrängung der damals von verschiedenen, vor allem amerikanischen Herstellern angebotenen Elektroautos. Der Rückgang dieses Marktes, der die Entwicklung der Batterietechnologie maßgeblich initiiert hatte, wurde für Edison jedoch durch eine vielfältige Nachfrage von anderen Seiten mehr als kompensiert, denn inzwischen wurde jeder Benzinmotorwagen mit einem Akku ausgestattet. In Deutschland wurde 1904 die Deutsche Edison Akkumulatoren Gesellschaft gegründet, aus der das Unternehmen VARTA (die Abkürzung stand für (Vertrieb, Aufladung, Reparatur transportabler Akkumulatoren) hervorging. Dessen Keimzelle war die 1899 entstandene Akkumulatorenfabrik-Aktiengesellschaft/AfA in Berlin gewesen. 1905 verkaufte Edison die AfA an den vermögenden und investitionsfreudigen Uniformenhersteller Emil Quandt. Die VARTA AG besteht heute aus den Tochterunternehmen VARTA Microbattery und VARTA Storage GmbH; die Gruppe gehörte lange Zeit zu Johnson Controls und ist heute im Besitz des Industriekonzerns Montana Tech Components in der Schweiz.

Im Jahre 1931 verstarb Thomas Alva Edison im Alter von 84 Jahren. Henry Ford überlebte ihn um 16 Jahre.

Ziemlich beste Freunde

Henry Ford und Thomas Alva Edison waren gut befreundet. Sie wohnten zeitweise Haus an Haus, unternahmen ausgedehnte Campingreisen, gingen gemeinsam angeln und machten sich gegenseitig Geschenke, wie der Chronist Daniel Strohl 2010 in Hemming’s Motor News berichtete. Ford war bei der Detroit Edison Illuminating Company angestellt, als er 1896 sein erstes Auto kons-truierte. Über die Tatsache, dass Edison seinem Mitarbeiter nahelegte, auch einen Elektroantrieb für das „Quadricycle“ in Erwägung zu ziehen, ist wenig geschrieben worden. Doch ein solches Fahrzeug entstand nur auf dem Papier. Ford hielt nicht viel von Edisons Batterien, er verzichtete auch auf Batteriezündung in seinen Autos und setzte auf die batterielose Magnetzündung.

Doch Ende 1913 schien Henry Ford seine Einstellung geändert zu haben. Denn nun beschäftigte er sich doch mit der Idee eines Elektrowagens, den er in Neuseeland zu produzieren gedachte, wie das Wall Street Journal und die New York Times zu berichten wussten. Ford selbst bestätigte die Gerüchte in einem Leserbrief. Es wurde auch ein Prototyp gebaut, mit einem von Fred Allison konstruierten Elektromotor an der Hinterachse. Mitte 1914 entstand ein zweites Fahrzeug auf der Basis eines Ford Model T, jetzt mit dem Motor vorne statt hinten. Das Projekt lag in Händen von Henry Fords Sohn Edsel. Gelegentlich erschienen 1915 und 1916 einige vage Notizen in der Presse über den Fortgang der Arbeiten, dann wurde es still um den Elektro-Ford.

Noch längere Zeit war Edison in dem Projekt involviert, doch nachdem ein aus ungeklärten Gründen ausgebrochenes Feuer im Dezember 1914 ausgerechnet jene Betriebsräume zerstört hatte, in denen die Elektrifizierung des T-Modells vorgenommen worden war, erfuhr die Fortführung der Arbeit erhebliche Verzögerung – und kam schließlich zum Stillstand. Und für Ford gab es andere Prioritäten, als sich um das Elektrofahrzeug-Projekt zu kümmern, in das er laut The Ford Century bereits 1,5 Millionen Dollar investiert hatte.

Ford hatte sich ausrechnen lassen, dass die Herstellung eines leistungsfähigen E-Autos doppelt so teuer käme wie die eines T-Modells, das mit einer Tankfüllung 300 statt nur 90 Meilen fahren konnte und sich in fünf Minuten betanken ließ, statt acht Stunden auf das Nachladen der Akkus zu warten. Und gerade die Akkus waren es schon damals, die in der Herstellungs-Gesamtkalkulation so hoch zu Buche schlugen.

Bei aller Freundschaft zu Edison sah Ford für das Elektroauto jetzt keine Marktchancen mehr. Die anfängliche Euphorie war verflogen. Lieber investierte er in eine Luxus-Baureihe, wie die Übernahme der Marke Lincoln im März 1922 bewies, um im Topsegment gegen die Marke Cadillac des Konkurrenten General Motors antreten zu können.

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