Autoland Niedersachsen

Autor: Wolfgang M. Buchta


Eigentlich wollten wir ja Ende März zur Techno-Classica nach Essen, die Flüge waren gebucht und dann … Die Techno-Classica wurde auf Juni verschoben, die Flüge umgebucht und dann …

Das Geld für den gebuchten Flug zurückzufordern ist mühsam und entspricht auch nicht unserem Sinn für „Fair Play“ – schließlich haben die Fluglinien ja nicht Corona erfunden, um ihre Flugzeuge zu schonen – und so kamen Ulli und Wolfgang Buchta schließlich nach Niedersachsen – und haben dies nicht bereut!

Zwei Kilo Blech, ein Döschen Lack, …


… fertig ist der Hanomag! So lautete einst ein Spottvers auf den Hanomag Kommissbrot, an dem verglichen mit den anderen Produkten der „Hannoversche Maschinenbau-Actien-Gesellschaft vorm. Georg Egestorff, Linden vor Hannover“ – Dampfmaschinen, LKWs und Lokomotiven – ja wirklich nicht viel dran war.

Wer sich heute für Hanomag interessiert, ist bei Horst-Dieter Görg – der auch den Rest der Woche für uns organisiert hat. Vielen Dank dafür! – und der Hanomag IG.


In Störy – direkt neben dem einstigen Kleinwagenmuseum – haben die „Mannen“ um Görg vor 20 Jahren eine riesige Halle errichtet, die heute wohl als „Weltmittelpunkt“ der Hanomag-Historie gelten darf.

Hier findet der Marken-Liebhaber – und wir für unsere geplante Titelstory – praktisch alles, was das Herz begehrt. Vom Hanomag Kommissbrot über eine breite Palette nachfolgender PKWs, Traktoren und Nutzfahrzeuge, ein Gasmotor aus 1881 und das größte und wahrscheinlich jüngste Exponat – ein Radlader 70 E aus 1996 – in perfektem, fahrbereitem Zustand oder auch als längerfristige Projekte.

 

PS.Speicher – Die größte Oldtimersammlung Europas


In der ehemaligen Hansestadt Einbeck wird seit Jahrhunderten Bier gebraut, und das allseits bekannte und beliebte Bockbier leitet seinen Namen von der Stadt zwischen Hildesheim und Göttingen ab.

Aber wir sind nicht wegen des Biers nach Einbeck gereist, sondern weil sich seit 2014 in der Kleinstadt die nach eigenen Angaben „größte Oldtimersammlung Europas“ befindet, was mit 2.500 Fahrzeugen durchaus glaubwürdig klingt.

Im denkmalgeschützten, ehemaligen Kornspeicher der Stadt, der zum „PS.Speicher“ umfunktioniert wurde, befindet sich in sechs Stockwerken und auf in Summe 4000 m2 eine „Erlebnisausstellung“ zum Thema „200 Jahre Fortbewegung auf Rädern“ – beginnend im 6. Stock mit der „Laufmaschine“ das Karl Drais aus dem Jahre 1817 bis zum Johammer J1 Elektromotorrad (aus Oberösterreich).

Zwischen diesen beiden Zweirädern, die durch 200 Jahre getrennt sind, laden rund 300 zwei-, drei- und vierrädrige Fahrzeuge zu einer Zeitreise durch die Motor- und Weltgeschichte ein. „Der Motor kommt auf die Straße“, „Volksfahrzeuge“, „Mobilität für den Wiederaufbau“, „Harte Fakten in Ost und West“ oder „Timetunnel – Zukunftsvisionen“ sind nur einige der thematischen Schwerpunkte.

Sonderausstellungen – derzeit „Opel“ und „Kleinwagen“ bilden weitere Highlights.

Aber damit ist noch lange nicht Schluss. Über das halbe Stadtgebiet von Einbeck verteilt, finden sich die vier PS.Depots für die Themenkreise „Lkw+Bus“, „Kleinwagen“, „Motorrad“ und „Automobil“.

 

 

 

Zu Besuch in der Haupt- und Residenzstadt


Mit 536.925 Einwohnern (per 31. Dezember 2019) ist Hannover nicht nur die Hauptstadt von Niedersachsen, sondern auch die größte Stadt des Bundeslandes und war einst die Residenzstadt der Kurfürsten von Hannover, die unter Kurfürst Georg Ludwig als Georg I. auch König von Großbritannien waren.

Unsere Freunde und Kollegen Hans-Joachim Weise (von Schröder & Weise Classics) und Eckhart Bartels (Herausgeber und Chronist der Reihe Opel Jahrbuch) entführen uns auf eine Stadtrundfahrt – Weltausstellungsgelände, Neues Rathaus mit den wunderbaren Stadtansichten von 1689, 1939, 1945 und heute, Funkturm „Telemax“, Technische Hochschule, Herrenhäuser Gärten, Verwaltungsgebäude der Nord/LB, …

Und wenn man mit zwei Automobilhistorikern unterwegs ist, passiert natürlich das Unvermeidliche: An den – zahlreichen – „Resten“ von Hanomag im Stadtbild und den HAWA-Werken, wo Anfang der 20er-Jahren einige Hawa- Elektroautos gebaut wurden, können wir natürlich nicht ganz einfach vorbeifahren …

 

 

Öffentlicher Verkehr


In Sehnde-Wehmingen, rund 20 km südöstlich von Hannover, liegt am „Roten Berg“ ein geschichtsträchtiges Areal. Der Ort Wehmingen wurde erstmals 1240 urkundlich erwähnt, und – machen wir einen großen Sprung – 1894 wurden am Roten Berg die ersten Versuchsbohrungen durchgeführt, bei denen schließlich das als Düngemittel so begehrte Kali (K2O) entdeckt wurde.

Im „Werk Hohenfels“, wie das Areal jetzt genannt wurde, begann die Errichtung prächtiger Werksgebäude aus Backstein und der Kaliabbau. Ende der 30er-Jahre war der unrentabel gewordene Kaliabbau schon lange eingestellt und das Areal wurde zur „Munitionsanstalt“ umgewidmet. Fassen wir uns kurz: Durch glückliche Zufälle überlebte die „Munitionsanstalt“ den Krieg, wurde nach 1945 von der Britischen Armee genutzt und seit 1970 entstand hier ein Straßenbahnmuseum. Heute befinden sich im „Hannoverschen Straßenbahn-Museum“ gut 120 Straßenbahngarnituren aus aller Welt, viele davon fahrbereit, und viele davon aus Wien, denn Wien hat schließlich nach Melbourne, Berlin, St. Petersburg und Moskau das fünftgrößte Straßenbahnnetz weltweit.

Und da Straßenbahnen ja Fahrzeuge und keine Stehzeuge sind, kann man mit etlichen historischen Garnituren auf der hauseigenen Strecke spazieren fahren. Gegen Vorreservierung auch selbst – natürlich unter Aufsicht.

Und am Areal des Straßenbahnmuseums steht auch die ehemalige Salzmühle, in der seit kurzem (2017) der „Förderverein Mobile Welten e.V.“ residiert. Aktuell ist der Verein dabei das fünfstöckige Gebäude „in Schuss“ zu bringen und bereits 2021 sind zwei Ausstellungen geplant: Im ersten Halbjahr Dampfkraft/Eisenbahn, im zweiten Elektromobilität mit dem Hawa-Elektrowagen von 1922, einem der ältesten noch fahrenden Autos aus Hannover. Wir dürfen schon gespannt sein.

 

Was führt den Menschen nach Wernigerode?


Unsere Geschichte ist mit „Autoland Niedersachsen“ übertitelt, aber heute führt uns der Weg ins benachbarte Sachsen-Anhalt, genauer gesagt in die Stadt Wernigerode, die schon von Theodor Fontane und Hermann Löns gepriesen wurde.

Uns führen aber nicht das Rathaus, das Schiefe Haus oder das „Cafe Wien“, sondern der Bahnhof von Wernigerode, von wo uns die „Harzer Schmalspurbahnen“ in gut 1 1/2 Stunden auf den Brocken – auch unter dem Namen Blocksberg als Hexenversammlungsplatz bekannt – führt.

Mit 1141 m Seehöhe ist er der höchste Berg Norddeutschlands, und die Strecke ist für die Dampfloks der Meterspur eine echte Herausforderung. Die 700 PS starke Dampflok verbraucht für die Fahrt auf den Brocken 3,5 Tonnen Kohle.

Die Brockenbahn wurde im Jahre 1898 eröffnet und hat seither eine wechselvolle Geschichte, denn nach 1945 lag der Brocken in der DDR im streng bewachten Grenzgebiet zur Bundesrepublik und der Betrieb wurde für den Personenverkehr gesperrt.

Nach der Wiedervereinigung schrammte die Brockenbahn haarscharf an der endgültigen Einstellung vorbei, allerdings kam die Bahn gerade recht, um die Mengen von nun überflüssigem Militärgerät am Gipfelplateau abzutransportieren.

Heute wird die Brockenbahn von den Harzer Schmalspurbahnen, wie auch die Brockenquerbahn betrieben und bringt vor allem Touristen wie uns zum Brockenhaus, der höchstgelegenen Gastwirtschaft Norddeutschlands, auf einen Teller Soljanka.

 

Ein Abstecher nach Thüringen


Fahren wir – diesmal mit dem Automobil – durch den malerischen Harz rund 50 km nach Süden und wir landen in Nordhausen, wo uns Hans-Georg Franke vom IFA-Museum schon sehnsüchtig erwartet – Sorry für die Verspätung!

Wer bei IFA an die DKW-Modelle aus dem ostdeutschen Zwickau denkt, hat natürlich nicht unrecht, aber einen solchen wird man im Museum in Nordhausen vergeblich suchen.

Der „Industrieverband Fahrzeugbau“ – dafür steht die Abkürzung IFA – hatte an die 20 Produktionsstandorte und eine breite Produktpalette. In Nordhausen befand sich das „VEB (Volkseigener Betrieb) Schlepperwerk Nordhausen“, das für Modelle wie „Brockenhexe“, „Pionier“, „Typ Harz“ oder „Famulus“ verantwortlich zeichnete. Nach der Beendigung der Traktorproduktion wurde der „VEB Motorenwerk Nordhausen“ zum größten Motorenhersteller der DDR.

Und um diese beiden Produktlinien geht es im Museum auch hauptsächlich, aber die Ausstellung geht weiter und zeigt die Geschichte der Industrieproduktion in Nordhausen seit 1905.

 

Wir Kinder vom Bahnhof Almstedt Segeste

 

 Ein langer Tag mit vielen Eindrücken neigt sich dem Ende zu, der sollte mit einem feinen Nachtmahl seinen Abschluss finden. Sollte, denn die Heimfahrt dauert noch eine Weile und die lokale Gastronomie ist auf Frühschluss eingestellt.

So gibt’s Pizza und Kebab vom Take Away am Bahnhof Almstedt Segeste. Was jetzt vielleicht ein bisserl triste und traurig klingt, ist vielmehr ein würdiger Abschluss, denn Almstedt Segeste ist kein normaler Bahnhof, sondern ein stilvoller Ziegelbau, der von einer Gruppe Eisenbahnenthusiasten – Arbeitsgemeinschaft Historische Eisenbahn e.V. – als Museumsbahn betrieben wird.

Aber die Arbeitsgemeinschaft hat neben einem gemütlichen Bahnhof noch mehr zu bieten. Etliche Lokomotiven und Wagons stehen im Dunklen in und neben den Schuppen und dann gibt’s natürlich noch den Star von Almstedt Segeste – eine Preußische T3 aus 1901 (das ist eine Dampflok), die dazu noch bei Hanomag in Hannover gefertigt wurde. Die T3 „Schunter“ befindet sich nicht nur seit 1976 in der Sammlung und ist das älteste Fahrzeug im Bestand, sondern ist auch das erste in Niedersachsen unter Denkmalschutz gestellte Schienenfahrzeug.

Die T3 „Schunter“ bekommt derzeit einen neuen Kessel und wird in fahrbereiten Zustand restauriert. Schon bald sollte die Lokomotive wieder die zweitälteste Lokomotive Deutschlands, die noch in Betrieb ist, sein.

LKW gefällig?


Mercedes-Benz Classic residiert in Alfeld an der Leine! Alle, die diese Aussage jetzt vielleicht überrascht, seien beruhigt: Natürlich „residiert“ Mercedes-Benz Classic in Stuttgart, aber wenn es um eine Anfrage zu einem L 319 oder einen L 405 – oder ein anderes Modell aus dem Mercedes-Nutzfahrzeugbereich – geht, landet diese wohl am Schreibtisch von Werner Dreyer in Alfeld.

Neben endlosen Regalen mit Literatur, gleich mehreren O 319, die schon restauriert sind oder gerade restauriert werden, gibt es in Alfeld noch ein „Dornröschen Schloss“ in dem unzählige „Patienten“ auf ein neues Leben (oder ihre Verwertung als Teilespender) warten.

 

Schlussakkord


Es war eine großartige und stressige Woche – Danke! Danke! Danke! An Horst-Dieter Görg und all die anderen, die sich für uns Zeit genommen haben – und die sollten wir mit einem würdigen „Schlussakkord“ beschließen, und wo gäbe es in Niedersachsen einen besseren automobilistischen Abschluss als in Wolfsburg, wo gleich drei Attraktionen warten: Die bekannte Autostadt – www.autostadt.de – wenige Kilometer davon entfernt das – eigentlich nicht öffentlich zugängliche – Fahrzeugdepot der Autostadt, und wieder ein paar Kilometer weiter die „Stiftung Automuseum Volkswagen“.


Die Autostadt feiert heuer ihren 20. Geburtstag – Happy Birthday, Autostadt! – und ist, wie unsere Gastgeber nicht müde werden zu betonen, kein VW-Museum!

 

Die Autostadt


wurde von mittlerweile 42 Mio. (!) Gästen besucht, denn die Autostadt ist Auslieferungszentrum für jene, die ihren VW oder Seat persönlich abholen wollen, ein „Themen-Park“ mit Pavillons für die zahlreichen Marken des VW-Konzerns, mit erstklassiger Hotellerie und Gastronomie und mit dem „Zeit Haus“, in dem markenübergreifend Meilensteine der Automobilgeschichte in wechselnden Ausstellungen präsentiert werden.

 

Das Depot Autostadt


Stichwort „wechselnde Ausstellungen“: Um wechseln zu können, bedarf es eines Depots, das sich im Falle der Autostadt ein paar km entfernt in einem schmucklosen Gebäude mit einem nur kleinen, gut versteckten Namensschild befindet. Schließlich ist das Depot ja kein Museum und eigentlich nicht öffentlich zugänglich. Beim ersten Besuch hat wohl jeder Bedenken, dass er sich vielleicht verirrt hat. Hinter der drögen Fassade verstecken sich nicht nur endlose Reihen von Volkswagen – Serienmodelle und Prototypen – und andere Konzernmarken, sondern auch ein paar höchst interessante „Fremdprodukte“ werden hier gehegt und gepflegt.

 

Und jetzt doch ein VW-Museum


Aber zum Abschluss doch ein VW-Museum, das es in Wolfsburg natürlich doch gibt!

Wieder ein paar km weiter liegt die „Stiftung Automuseum Volkswagen“ – www.automuseum-volkswagen.de –, die eine rechtlich eigenständige Einheit bildet und sich – mit ganz wenigen Ausnahmen – den Produkten der Marke Volkswagen in beeindruckender Breite widmet.

 Auf rund 5.000 m2 werden rund 140 Volkswagen in einer Dauerausstellung präsentiert, die durch wechselnde Sonderausstellungen – derzeit „Alleskönner – 70 Jahre Bulli-Republik Deutschland“ in der der Bulli und seine Mitbewerber zu sehen sind – ergänzt wird.
Eine Dauer-Sonderausstellung ist den Motorentwicklungen und Prototypen von VW gewidmet, und – Ja! – da gibt es mehr, als den Käfermotor zu sehen. Die Palette reicht vom „Porsche Typ 309“, einem V2-Diesel-Motor aus den Jahren 1944/45 bis zum W18 aus 2000, der dann doch nicht in den Serienmodellen von Bugatti Verwendung gefunden hat. Die „Armen“ mussten sich mit einem „armseligen“ 16-Zylinder begnügen …

 

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