Frisch, saftig, steirisch!
Autor: Wolfgang M. Buchta
Am 27. Juni des Jahres 1862 wurde dem Kleinbauernehepaar Puh ein siebtes Kind geboren, und sie tauften das Knäblein auf den Namen Janez. Nein, das ist keine verspätete Weihnachtsgeschichte, sondern so beginnt die Geschichte von einem der größten heimischen Automobil- und Motorradproduzenten. Wolfgang M. Buchta hat sich die (Automobil-)Geschichte der Marke Puch angesehen und Ulli Buchta hat dazu einiges photographiert. Zahlreiche weitere Helfer haben zum Gelingen des Werkes beigetragen …
Prolog: Der tüchtige Herr Puh
Janez Puh – bei uns besser bekannt als Johann Puch bekannt (und so wollen wir ihn in Zukunft auch nen-nen) –, wurde im Sommer 1862 im Dorf Sakušak (Sakuschak) geboren. Sakuschak ist ein Ort im Nordosten von Slowenien und liegt in einem Gebiet, das bis 1918 als Untersteiermark bekannt war.
Die Familie Puh gehörte der slowenisch sprechenden Volksgruppe an, aber das war in der k.u.k. Monarchie nicht wirklich ungewöhnlich – nicht umsonst gab es um 1900 elf anerkannte Regimentssprachen in der k.u.k. Armee.
Bereits im jugendlichen Alter von acht Jahren sollte Johann Puch sein Elternhaus verlassen und ging als Helfer zu einem Müller in der Nähe von Fridau (heute Ormož), einer Kleinstadt rund 20 km südöstlich seines Geburtsortes. Bereits in jungen Jahren zeigte Puch großes Interesse und Begabung für alle mechanischen Dinge; da lag der Berufswunsch Schlosser nahe.
Mit noch immer zarten zwölf Jahren – damals durchaus ein übliches Alter für den Beginn einer Lehre – begann er beim Schlossermeister Johann Kraner in Pettau (heute Ptuj), der ältesten Stadt des damaligen Herzogtums Steiermark und 15 km diesmal südwestlich seiner Geburtsorts – eine Schlosserlehre.
Am 21. Februar 1877 konnte er sein Lehrzeugnis in Empfang nehmen und brach zur traditionellen Wanderschaft auf. Bad Radkersburg war die erste Station beim Schlossermeister Anton Gerschak. Dieses Haus – heute Grazertorplatz 12 – existiert bis heute, enthält eine kleine Gedenkstätte und wird von einem passenden Sgraffito von Dina Kerciku geschmückt.
1882–1885 leistete Puch beim schweren Artillerie-Regiment Nr. 6 seinen dreijährigen Wehrdienst ab, wobei er weniger militärisch, sondern hauptsächlich als Regimentsschlosser im Artillerie-Ergänzungsdepot in Graz eingesetzt wurde.
Durch die Armee hatte es Puch in die Landeshauptstadt verschlagen und so blieb er gleich einmal hier, wo es für einen tüchtigen Schlosser wie ihn viele (berufliche) Möglichkeiten gab.
Fürs erste verdingte er sich bei der Firma „Friedrich und Daniel Lapp“, die Tischler- und Schlosserwaren erzeugte, aber Puch hatte eine „New Technologie“, einen „Game Changer“ wie wir heute sagen würden, entdeckt: Die Fahrradindustrie, die Ende des 19. Jahrhunderts auch in Österreich ihre erste Blüte erlebte.
Nach zwei Perioden als Unselbstständiger – zuerst bei der Fahrradwerkstätte „Almer & Luchschneider“ und dann bei der „Näh-, Walk- und Waschmaschinenfabrik Benedict Albl“ – die etwas später Konkurrent von Puch werden sollte –,wagte Johann Puch im Alter von 27 Jahren den Sprung in die Selbstständigkeit. Vom ersten Ansuchen an den Stadtrat von Graz am 6. Februar 1889 dauerte es bis zum 4. November 1889, bis Puch in der Strauchergasse in Graz den Betrieb seiner eigenen Werkstatt aufnehmen durfte.
Am 18. September 1889 heiratete Puch Maria Reinitzhuber, die Tochter seines Vermieters seiner Werkstätte, also eine Eheschließung, die gleichermaßen auf Zuneigung (wollen wir einmal annehmen) und wirtschaftlichen Überlegungen begründet war.
Aus der Reparaturwerkstätte für Fahrräder am Grundstück seines Schwiegervaters wurde 1890 eine „fabrikmäßige Herstellung“ von Fahrrädern; aus dem Bauernbuben war ein Fabrikant geworden.
Erster Akt: Autos für die Donaumonarchie
Wir erinnern uns vielleicht, dass Johann Puch vor der Firmengründung im Jahre 1988 eine Zeit lang für die Firma von Benedict Albl arbeitete, der mit den Marken „Meteor“ und „Graziosa“ ebenfalls in die Fahrradproduktion eingestiegen war und – vermutlich mit technischem Know-how der „Motorenfabrik Moritz Hille“ aus Dresden im Jahre 1899 mit Automobilen der Marke Graziosa die Era der Automobilproduktion eröffnete. Welche der angebotenen Fahrzeuge davon auch wirklich gebaut wurden, ist unklar. 1901 wurden die „Graziosa Fahrrad- und Motorfahrzeugwerke“ auf jeden Fall bereits wieder liquidiert.
Johann Puch, dessen Firma mittlerweile – seit September 1899 – als „Johann Puch AG“ firmierte, war etwas später dran, aber dafür sollte die Automobilproduktion nachhaltiger sein. In einem Rückblick in der „Allgemeinen Automobil Zeitung“ vom 4. Juni 1911 wird der „Der erste Motor der Grazer Werke Johann Puch AG“ – ein luftgekühlter Zweizylinder-Boxer – abgebildet und auf das Jahr 1899 datiert.
Im Jahr darauf – am 15. März 1900 – erfolgte die erste dokumentierte Nutzung des Motors. Puch war nicht nur ein guter Techniker, sondern auch gut im Marketing und inszenierte die erste öffentliche Ausfahrt seiner Voiturette mit der Anwesenheit aller wichtigen Medien.
Und es war nicht irgendeine Ausfahrt, sondern Puch hatte den Grazer Schlossberg für die Demonstrationsfahrt mit Cheftechniker Rosner am Steuer gewählt. In fünf Minuten erklomm die Voiturette von 3,5 PS-Motorstärke vom Karmeliterplatz aus den Schlossberg über die steilste Auffahrt bis aufs Plateau völlig problemlos, wobei die anschließende Talfahrt – ebenfalls problemlos – für die Bremsen sicherlich die größere Herausforderung war.
Vom „Grazer Tagblatt“ bis zum „Pester Lloyd“ berichteten zahlreiche Zeitungen der Monarchie über die erfolgreiche Fahrt – kein Wunder, dass Puch einige Verkäufe seiner Neukonstruktion lukrieren konnte. Laut dem „Pester Lloyd“ ging das erste Exemplar nach Budapest an den Hotelier Rudolf Reinprecht vom Hotel „Fiume“.
Im Juli 1900 erfuhr die noch junge Fahrzeugproduktion durch ein „Schadfeuer“ einen Dämpfer. In der Automobilabteilung brach ein Feuer aus, das glücklicherweise gelöscht werden konnte und die Produktion nicht nachhaltig unterbrach.
Anfang August fuhr ein gewisser Herr Monchen – glücklicher Besitzer einer viersitzigen Puch Voiturette – auf dem bis heute gefürchteten Schöckl und erreichte im zweiten Versuch den Gipfel.
Trotz dieser Erfolge lief die Produktion der Voiturette in den folgenden Jahren auf Sparflamme, da sich Puch lieber auf die erfolgreichen Fahrräder konzentrierte und die Fertigung von Motorrädern Priorität hatte.
Bei der 3. Automobil-Ausstellung in Wien im März 1903 war daher kein Automobil aus Graz (Albl hatte ja die Produktion bereits eingestellt) zu bewundern, sondern es waren „nur“ fünf Motorräder von Puch.
Im Katalog von 1903 war nicht nur ein schickes, zweisitziges Voiturette „Puch Modell C“ zu bewundern, sondern auch ein „Puch-Last-Automobil“ mit einem Motor von 9 PS und einer Tragkraft von bis zu 500 kg, dessen Spitzengeschwindigkeit mit 15 km/h angegeben wurde.
Was der Prospekt allerdings dezent verschwieg: der abgebildete LKW kam nicht aus Graz, sondern aus Aachen. Puch hatte für die ganze Monarchie die Generalvertretung der Firma Mulag übernommen, eine Partnerschaft die bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs andauern sollte.
Johann Puch war mittlerweile ein angesehener und wohlhabender Fabrikant, dessen Stimme in der Öffentlichkeit Gewicht hatte. Im Jahre 1904 in der Diskussion um die neue KFZ-Steuer und die „drohende“ Haftpflichtversicherung, war Puch ein vielleicht nicht gerne, aber auf jeden Fall häufig gesehener Gast im Justizministerium in Wien.
Auch seine Hobbys waren kostspielig und durchaus standesgemäß: Puch gründete 1902 den „Alpenländischen Verein der Züchter und Liebhaber von Luxushunden“, und die Bernhardiner aus seiner Zucht galten als die besten der ganzen Monarchie.
Auch im Ausschuss des Grazer Trabrennvereins war Puch aktiv und die Pferde aus seinem Rennstall waren oft erfolgreich.
Herr Puch konnte sich derlei Hobbys durchaus leisten. So waren für 1905 die Auftragsbücher mit 3.000 bestellten Motorrädern wohlgefüllt.
Erstmals zeigte sich das Phänomen, dass die Motorradfahrer „nach Höherem strebten“. Mit steigendem Wohlstand (und fallenden Preisen) war etwas mehr Platz, Komfort und Wetterschutz gefragt, als es ein Motorrad – egal ob mit oder ohne Beiwagen – bieten konnte. In einem Artikel, der in der AAZ (Allgemeine Automobil Zeitung) vom 16. November 1905 veröffentlicht wurde, erklärte Puch das Jahr 1906 zum „Jahr der Voiturette“.
Und Puch ließ den Worten Taten folgen. Bereits im Frühjahr 1906 konnte die AAZ in einem großen Artikel die neue Puch Voiturette vorstellen. Das 150 kg schwere Gefährt (Gewicht des Chassis) wurde wieder von einem Zweizylindermotor angetrieben, der allerdings kein Boxermotor war, sondern ein vom Motorradmotor abgeleiteter V2 von 7 PS Leistung. Die AAZ erging sich auf mehreren Seiten über die Vorzüge des neuen Wagens und dessen „meisterhafte Werkmannsarbeit“ und die „sehr hübsch gepresste Vorderachse à la Mercedes“. Die Begeisterung hat sicherlich nichts damit zu tun, dass die „Johann Puch & Co, Graz“ ein treuer Inserent in der AAZ war.
Der kommerzielle Erfolg ließ nicht auf sich warten, und im März 1907 konnte die AAZ nicht ohne Stolz vermelden, dass eine Puch Voiturette den Weg nach Montevideo (Uruguay) gefunden und dessen Besitzer, Herr Eugenio Barth, geschrieben hatte „… dass es sich bei täglicher Benützung unter schwierigen Verhältnissen bewährt und bisher nicht den geringsten Anstand ergeben hätte.“
Wie auch schon bei den Motorrädern war Puch darauf bedacht, seine Automobile durch Erfolge im Motorsport ins rechte Licht zu rücken, was beispielsweise beim Semmeringrennen im Jahre 1907 bestens gelang: Nicht weniger als acht Automobile und Motorräder aus Graz waren am Start, von denen zwei Voiturettes in der Klasse bis 1,5 Liter Hubraum den ersten und zweiten Platz erringen konnten. Das (gute) Bild wurde dadurch abgerundet, dass alle acht Puchs ins Ziel gekommen waren.
Für 1908 konnte Puch, das Unternehmen, nur Positives vermelden: Das Aktienkapital wurde um 1,5 Mio. Kronen erhöht, die Fabrik wurde erweitert – Johann Puch selbst bezeichnete das Jahr als Meilenstein in der Entwicklung des Werks – und die Modellpalette (der Automobile) wurde auf vier Typen erweitert, von denen übrigens zwei Drittel exportiert wurden.
Die Zweizylinder gab es mit zwei verschiedenen Motoren: mit dem bekannten V2-Motor und mit einem Zweizylinder-Reihenmotor (8/9 PS und 9/10 PS). Von letzterem wurde auch ein sehr hübscher Sportwagen angeboten. Die Vierzylinder wurden als 11/16 PS und 20/25 PS in zwei Größen angeboten.
Weniger gut lief es für Johann Puch persönlich, dessen Gesundheit zu wünschen übrig ließ. Herzprobleme – 1911 sollte Puch seinen ersten „ernsthaften Herzanfall“ haben – blieben sein ständiger Begleiter …
1909 war für Puch ein „durchwachsenes“ Jahr. Anfang des Jahres brannte es im Puch-Werk wieder einmal und ein größeres Gebäude – Glück im Unglück – fiel den Flammen zum Opfer.
Die Modellpalette wurde mit einem großen 28/32 PS-Wagen – ein Vierzylinder von 3.828 ccm Hubraum – nach oben erweitert. Von den Zweizylindermodellen war nur mehr eines – 10/12 PS mit 1.560 ccm – im Angebot.
Sportlich konnte Puch am 11. August 1909 Geschichte schreiben: Mit einem speziell karossierten und vorbereiteten Vierzylinder fuhr Ingenieur Karl Slevogt in der Landscha-Allee südlich von Graz den Kilometer mit fliegendem Start in 27 3/5 Sekunden (130,434 km/h) – unter der offiziellen Kontrolle des Steiermärkischen Automobil-Clubs ein neuer österreichischer Rekord.
Für Puch und Slevogt, der erst 1907 von Laurin & Klement zu Puch gewechselt hatte, war es wohl eine besondere Genugtuung, dass damit – trotz leicht feuchter Strecke – der Rekord von Erzrivalen Laurin & Klement aus dem Vorjahr gebrochen werden konnte.
Weitere Sporterfolge – vom Kilometerrennen in Frankfurt am Main über das traditionelle Semmering Bergrennen bis zur Fahrt auf den Schöckel – wurden in der Motorpresse enthusiastisch gefeiert.
1910 lief die Produktion der Zweizylinder-Voiturettes aus und dafür nahm Puch – wieder – die Fertigung von Lastkraftwagen in Angriff, diesmal ohne der Hilfe von Mulag, mit Eigenkonstruktionen auf Basis der vorhandenen (großen) PKW-Modelle. Der ebenfalls geplante Einstieg in den Bau von Flugmotoren wurde nach dem Bau einiger Prototypen wieder aufgegeben.
Beendet wurde im Jahr darauf auch der Bau und der Einsatz von speziellen Rennwagen. Eine offizielle Aussendung begründete dies damit, dass „die Fabrik so außerordentlich beschäftigt ist, dass sie unmöglich Zeit findet, besondere Rennwagen herzustellen“. Tourenfahrten mit serienmäßigen Tourenwagen waren davon explizit ausgenommen …
Volle Auftragsbücher und ein massiver Ausbau des Händlernetzes – allen voran ein großes Reparaturwerk in Wien X – halfen, die Erfolgsgeschichte von Puch weiter auszubauen. Mitglieder des Kaiserhauses, der Volksschauspieler Alexander Girardi gehörten ebenso zu den Kunden wie die Gemeinde Wien.
Am 26. August 1911 nahm die erste private Autobuslinie der Monarchie ihren Betrieb auf. Wladimir Kolda, der Bürgermeister der damals noch selbstständigen Gemeinde Kierling (heute Teil von Klosterneuburg) nahm mit drei Autobussen den Linienbetrieb Klosterneuburg – Kierling – Gugging auf. Die Busse? Die Chassis mit 35 PS-Motor kamen von Puch aus Graz und die Hofwagenfabrik Jakob Lohner zeichnete für die Aufbauten mit 22 Sitzplätzen und acht Stehplätzen verantwortlich.
Bedeutend für die weitere Geschichte resp. die Namensgebung zukünftiger Modelle war die Internationale Alpenfahrt 1911, die wohl bedeutendste Automobil-Prüfungsfahrt der Zeit, die die Teilnehmer in vier Tagen über die schwierigsten Alpenpässe und über eine Strecke von 1.400 km führte. Von rund 100 Bewerbern sollten nur zwölf Teilnehmer ohne Strafpunkte ins Ziel nach Wien kommen – darunter bekannte Namen wie Ferdinand Porsche (von und auf Austro Daimler), Hans Ledwinka (von und auf Nesselsdorfer) und Robert Deutsch auf einem Puch Typ VIII 14/38 PS, ein Typ, der bis 1923 als „Puch Alpenwagen“ gebaut werden sollte.
1912 setzte Puch seine erfolgreiche Modellpolitik fort und konnte die Produktion auf „mindestens einen Wagen pro Tag“ steigern. An der Mode der Zeit machte Puch mit dem „Puch Knight Wagen“ mit. Der von Charles Yale Knight erfundene und nach ihm benannte Schiebermotor steuert den Gasfluss statt über Ventile über zwei Schieberbuchsen und bot eine für die Zeit außergewöhnliche Laufruhe sowie gute Leistungsentfaltung im unteren Drehzahlbereich. Daher war der Knight-Motor vor allem im Luxussegment sehr beliebt und wurde von vielen Herstellern lizensiert.
Auch Puch sprang auf den „Knight-Zug“ auf, erwarb bei Daimler in Coventry einen Motor und baute diesen in ein eigens dafür konstruiertes Chassis ein. Der Knight wurde als 16/40 PS (4.166 ccm) und 17/60 PS (6.279 ccm) angeboten. Wieviele Exemplare davon entstanden sind, ist unklar.
Die Knight-Modelle waren eine Modeerscheinung, die bald wieder aus dem Angebot verschwanden, aber die Nutzfahrzeuge – LKW, Busse und Sanitätswagen – sollten für die nahe Zukunft von größerer Bedeutung werden, denn wir schreiben das Jahr 1913 und wir alle wissen, was 1914 geschehen sollte.
Den Anfang machte die „Grazer Rettungsgesellschaft“, die im Frühjahr 1913 von Puch einen Sanitätswagen geliefert bekam. Auf Basis des verstärkten Chassis eines leichten LKW und mit einem 30/42 PS-Motor hatte der Wagen einen eigenständigen Aufbau, den die AAZ in ihrem Bericht als „eine bedeutend elegantere und vornehmere Form von besonderer Eigenart“ lobte. Im Wageninneren befand sich ein „lichtes, freundliches, fahrbares Krankenzimmer“. Eine „eigenartige Federung, einer bisher noch nie gesehenen sinnreichen Kombination von Blatt- und Spiralfedern“ sollte eine besonders ruhige und angenehme Fahrt ermöglichen.
Weitere Ambulanzen folgten, und auch der Markt für Nutzfahrzeuge – auf gleichem Chassis wurden LKWs, Feuerwehrautos und Busse angeboten – blühte. War es weise Voraussicht oder doch eher Glück? Für den kommenden Krieg war Puch damit gut ausgestellt.
Bekanntlich wurden am 28. Juni 1914 der Thronfolger Österreich-Ungarns Erzherzog Franz Ferdinand und seine Gemahlin Sophie Chotek, Herzogin von Hohenberg am 28. Juni 1914 in Sarajevo bei einem Attentat ermordet, was einen Monat später – am 28. Juli 1914 – zur Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien und damit zum Beginn des Ersten Weltkriegs führen sollte. Zwischen dem Attentat von Sarajevo und dem Kriegsbeginn hatte die Firma Puch noch eine ganz spezielle Tragödie zu überstehen: Firmengründer und Namensgeber Johann Puch hatte sich aus gesundheitlichen Gründen bereits 1912 von der Firmenleitung zurückgezogen und widmete sich seinen Hunden und Pferden, blieb aber der Firma als Haupteigentümer natürlich weiterhin verbunden.
An jenem schicksalhaften 19. Juli befand sich Puch in Agram (heute: Zagreb) bei einem Pferderennen, als er in den Abendstunden an einem Herzschlag verstarb …
Die erste Hälfte von 1914 war noch ein „normales Friedensjahr“ und Puch konnte bei Rennen und Wertungsfahrten weitere Erfolge einfahren. Bei der Alpenfahrt (14. 6.–23. 6. 1914) konnte zwar kein Puch die Fahrt strafpunkefrei beenden, aber die Presse vermeldete zumindest „Die Puchs zählen zu den besten Bergsteigern der Konkurrenz.“
Der derart geehrte Puch Typ VII „Alpenwagen“ hatte einen 14/38 PS-Vierzylinder und sollte für die kommenden Jahre zum meistgebauten Modell bei Puch werden – allerdings nicht als elegante Limousine oder sportlicher Tourenwagen, sondern in verschiedenen Ausführungen – Stabswagen, Sanitätswagen, … – im Dienst der k.u.k. Armee.
Neben den Alpenwagen waren natürlich vor allem LKW, Sanitätswagen und Spezialfahrzeuge gefragt, die in großer Anzahl in den nächsten vier Jahren in Graz entstehen sollten.
Im letzten Kriegsjahr entstand bei Puch noch ein völlig neuer Produktionszweig – die ab Sommer 1917 gebaute Motor-Feldbahn, die ab März 1918 in großer Stückzahl – monatlich gut 170 Stück – für den Einsatz auf Schmalspurbahnen gebaut wurde.
Das Feldbahnaggregat bestand aus Motor (luftgekühlter Zweizylinder mit 4 PS), Kupplung und Getriebe, Benzintank und einige, wenige Bedienungselemente. Das Aggregat mit einem Sitz für den Fahrer (oder doch Lokführer?) auf einen kleinen Plattformwagen montiert, ergab ein preiswertes Zugfahrzeug, das in der Ebene 4 to Nutzlast transportieren konnte.
Die AAZ wusste über die neue Fabrikationsstätte zu berichten: „Sie wurde von Haus aus so angelegt, dass auch minderbegabte Arbeiter tadellose Arbeit leisten können.“ Heute würde man das vielleicht ein wenig taktvoller formulieren …
Mit dem Waffenstillstand von Compiègne am 11. November 1918 war der Erste Weltkrieg zu Ende, und „der Rest Österreich“ (dieser Spruch wird Frankreichs Ministerpräsident Georges Clemenceau zugeschrieben) war fürs erste einmal von einem riesigen Markt, den Kohlegruben in Schlesien, großen Teilen der Schwerindustrie (Böhmen) und den Kornkammern Ungarns abgeschnitten. Unter all diesen Gütern, die jetzt in den neuen Nachbarstaaten produziert wurden, waren auch die „Excelsior-Motorpflüge“, die bei Laurin & Klement – neuerdings Tschechoslowakei – gefertigt wurden.
Puch sah eine Marktnische, reagierte rasch und erwarb eine Lizenz von Laurin & Klement. Bereits am 3. November 1918 war in der AAZ zu lesen, dass Puch die Erzeugung von Motorpflügen – unter dem Namen „Puch-Excelsior-Pflug“ – aufgenommen hätten.
So war Puch, das mittlerweile zum Firmenimperium Camillo Castiglioni gehörte, auch nach Kriegsende wirtschaftlich halbwegs gut aufgestellt.
Zu den weiterhin gebauten Motorrädern und dem Alpenwagen kamen die Feldbahnen, die sich jetzt an Forst- und Agrarbetriebe richteten und der Excelsior-Motorpflug hinzu.
Und der Typ VIII 14/38 PS Alpenwagen wurde nicht nur – unverändert bis auf den modischen Spitzkühler, den er 1919 erhielt – weiterhin gebaut, sondern er bekam auch einen kleinen Bruder – den Puch Typ XII 6/20 PS, den „kleinen“ Alpenwagen – ein Vierzylinder von 1.548 ccm Hubraum, eine obenliegende Nockenwelle und einer Leistung von 22 PS.
Wie der „große Alpenwagen“ hatte er einen Spitzkühler, was die Unterscheidung der beiden erschwert. Der kleine Alpenwagen wurde als Zweisitzer, als viersitziges Sportphaeton, als viersitzige Limousine und als viersitziges Landaulet angeboten. Die Spitzengeschwindigkeit wurde mit bis zu 70 km/h angegeben. Kleiner und leichter, einfach in der Bedienung, weitgehend wartungsfrei und mit einem Verbrauch von 7 bis 8 Liter auf 100 km richtete sich der kleine Alpenwagen an einen neuen Kundenkreis – wohlhabend, aber nicht wirklich reich, meist Selbstfahrer ohne Chauffeur und – da er „ohne besondere technische Vorkenntnisse leicht gesteuert und bedient werden kann“ – auch für die Damenwelt geeignet.
Einige Jahre lang wurden beide Alpenwagen parallel gebaut und konnten – jeweils in ihrer Klasse – durchaus sportliche Erfolge einfahren, aber der große kommerzielle Erfolg blieb aus. Die Motorräder hingegen verkauften sich blendend und so wurde 1923 die Vierradproduktion in Graz eingestellt. Die Konkurrenz aus Steyr war übermächtig geworden …
Am 29. Mai 1923 gab die Österreichische Daimler-Motoren AG in Wiener Neustadt bekannt, dass sie mit Austro-Fiat und Puch eine „Interessensgemeinschaft“ bilden würden. Fünf Jahre später – per 28. Dezember 1928 – wurde die Fusion zur „Austro-Daimler-Puchwerke AG“ auch formell vollzogen, ein Konzern, zu dem per 12. Oktober 1934 auch die „Steyr Werke AG“ stießen und so zur „Steyr-Daimler-Puch AG“ machen sollte.
Zwischenspiel: Ein Kleinwagen für eigentlich niemanden
1923 wurde die Vierradproduktion in Graz eingestellt – fast zumindestens!
Bereits 1923 wurde der Feldbahn-Motor (4,2 PS Leistung, Zenith-Vergaser und Bosch-Magnet) auf eine vollgummibereifte Plattform montiert und der „Puch Rollwagen – für 1.500 kg Nutzlast“ war geboren.
Zielgruppe waren Spediteure und größere Betriebe für den Werksverkehr. Von einer Straßenzulassung ist nichts überliefert, dafür konnte das Wägelchen – 3 km/h im 1. Gang, 7 km/h im 2. Gang – ohne Führerschein bewegt werden, denn „die Handhabung des Rollwagens ist nach kurzer Unterweisung von jeder normal begabten Person zu erlernen.“
Die produzierte Stückzahl und ob es vielleicht noch irgendwo ein überlebendes Exemplar gibt, ist leider nicht bekannt.
Einmal wollten es die Mannen um Chefkonstrukteur Giovanni Marcellino noch wissen, und ausgerechnet 1929 – im Jahr der Fusion mit Austro-Daimler – präsentierte Puch einen Kleinwagen, um den sich heute allerlei Legenden ranken.
Der Motor – ein Zweizylinderreihenmotor – leistete bei einem Hubraum von 510 ccm beachtliche 16 PS und dürfte wohl vom Motor des Puch 500 Typ Z Motorrads abgeleitet worden sein. Allerdings war der Motor im Motorrad luftgekühlt – im Puch 500 (1929) hingegen wassergekühlt.
Ein Dreiganggetriebe (ohne Rückwärtsgang) übertrug über eine Kardanwelle die Kraft auf die Hinterachse. Angeboten resp. geplant waren zweisitzige offene und geschlossene Karosserien. Die Spitze wurde mit 75 km/h angegeben. Nach einer Kleinstserie von zwölf Stück wurde das Experiment wieder beendet.
Zweiter Akt: Autos für die Alpenrepublik
Bereits vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs machte man sich in Graz Gedanken über die Nachkriegsproduktion, und Werksdirektor Wilhelm Rösche brachte das Projekt eines Kleinlastwagens – perfekt für den Wiederaufbau nach dem Ende der Kampfhandlungen – ins Spiel, das aber bald in der Schublade verschwinden sollte – der LKW-Bau war in Steyr zu Hause.
Und in Steyr begann ein paar Jahre später auch das Kleinwagenprojekt. Erich Ledwinka, der Sohn des legendären Tatra-Konstrukteurs Hans Ledwinka war Anfang der 1950er-Jahre Leiter der Versuchsabteilung in Steyr und wurde beauftragt, sich Gedanken über einen zukünftigen Kleinwagen zu machen.
Als erster Prototyp entstand der U1 mit einer äußerst simplen, türlosen Karosserie. Der Einstieg erfolgte durch Zurückklappen des Faltverdecks. Im Heck werkte ein Zweitakt-Versuchsmotor und die Hinterachse war als Schwingachse ausgeführt. Es bestanden also bereits gewisse Ähnlichkeiten zum späteren Serienmodell. Zur Tarnung zierte ein Tatra-Emblem die Front und angemeldet wurde der Wagen in Wien.
Vergeblich! Schon bald hatte die Zeitschrift „Motorroller“ herausgefunden, dass das Kennzeichen W 34.547 auf die Steyr-Daimler-Puch AG zugelassen war, die kalt lächelnd alles dementierte …
1954/55 entstand der zweite – U2 genannte – Prototyp. Vom Zweitakter war man zu einem luftgekühlten Zweizylinder-Boxer-Motor gewechselt. Pendelachse und Getriebe entsprachen schon weitgehend dem späteren Serienmodell. Verschiedene Versionen für die Vorderachse wurden in Erwägung gezogen. Für die Testfahrten wurde auf die übertriebene (und offenbar sinnlose) Geheimhaltung verzichtet. Der U2 wurde schlicht und einfach auf die Nummer O 15.934 – also das heimatliche Oberösterreich – registriert.
1955 erkannte die Firmenleitung zweierlei: In Steyr war man mit Entwicklung und Bau der Nutzfahrzeuge mehr als ausgelastet, und von der Technik her war der Kleinwagen näher an den Motorrädern, als am Steyr 380. Im Werk Puchstraße wurde eine „Abteilung Kleinwagen“ installiert und das Team um Dr. Ledwinka von Steyr nach Graz übersiedelt. Entwicklungsziel war ein vollwertiger, viersitziger Kleinwagen, der auch für die österreichischen Alpenstraßen geeignet sein sollte.
In der heimischen (Motor-)Presse erschienen immer wieder Spekulationen über den „vielbeflüsterten Puch-Kleinwagen“, die ebenso regelmäßig dementiert wurden. Intern nahm man die Spekulationen wohl mit Freude zur Kenntnis, denn sie bewiesen, dass für einen österreichischen Kleinwagen offenbar Interesse vorhanden war.
1956 entstand – bereits in Graz – der dritte und letzte Prototyp. Der U3 hatte einen neu konstruierten Motor, einen auf 1.875 mm vergrößerten Radstand, großzügigere Fensterflächen und eine Wölbung im Dach, um vor allem den Passagieren auf den Rücksitzen mehr Kopffreiheit zu geben. Die – meist nächtlichen – Probefahrten wurden mit dem Kennzeichen S 995 durchgeführt.
Das Team war vom Gelingen des Projekts überzeugt und wälzte bereits Pläne für verschiedene Karosserievarianten – Cabrio, Coupé, Kleintransporter, Pritschenwagen, …
Und man begann zu rechnen, und wie man es auch drehte und wendete – für die erhoffte Stückzahl von 10.000 bis 15.000 Stück pro Jahr würde sich die aufwendige Karosseriefertigung niemals rechnen.
Aber zum Glück gab es ja die langjährigen Beziehungen zu Fiat. Die Steyr-Daimler-Puch AG war Importeur und hatte einen Assembling-Vertrag mit Turin. Die importierten/assemblierten Fiat-Modelle wurden in Österreich als Steyr-Fiat verkauft.
Mitte der 1950er-Jahre hatte Fiat einen neuen Kleinwagen am Reißbrett, der von 1957–1977 als Fiat Nuova 500 Motorgeschichte schreiben sollte. Relativ rasch war man sich handelseinig: Puch kaufte Rohkarosserien des neuen Fiat 500 zu, modifizierte diese zur Aufnahme der Puch-Motore und der „Steyr-Puch 500 Modell Fiat“ war – mehr oder weniger – fertig.
Die Steyr-Daimler-Puch AG machte 100 Mio. Schilling flüssig, um in Graz-Thondorf eine Produktionsstraße zu errichten und hatte das Interesse an der Geheimhaltung verloren, denn schon bald hatte man ja ein Produkt vorzuweisen und der Mitbewerber präsentierte seine Kleinwagen am laufenden Band. Am 30. September 1957 war es endlich so weit. Die Journalisten wurden ins Puch-Werk eingeladen und bekamen von der Konzernspitze persönlich – Generaldirektor Ryznar, Dr. h.c. Rösche und Dr. Ledwinka – ein Auto präsentiert, das ein vollwertiger Viersitzer mit Cabrioverdeck war.
Die wichtigsten technischen Daten waren der Motor-Zweizylinder, Viertakt-Boxermotor mit 16 PS Dauerleistung – die 12 Volt-Elektroanlage und eine „Lichtanlassmaschine“ (Dynastarter) von Bosch. Über ein Vierganggetriebe (2. bis 4. Gang synchronisiert) wurde die Kraft auf die Hinterräder übertragen. Hydraulische Vierradbremsen verzögerten den Viersitzer auch aus seiner Spitzengeschwindigkeit von 100 km/h. Der Kraftstoffverbrauch wurde – „je nach dem Charakter des Fahrers“ – mit 4,5 bis 5,5 Liter/100 km angegeben
Für das Cabrioverdeck hatte man sich nach reiflicher Überlegung entschlossen. Einerseits stand den Passagieren auf den Rücksitzen etwas mehr Kopffreiheit zur Verfügung, und andererseits – so die Überlegung – war die Hauptzielgruppe aufstiegswillige Motorradfahrer, und Motorradfahrer waren ja an Frischluft gewöhnt. Und die Werbeabteilung legte noch nach: Das geöffnete Verdeck förderte die zwischenmenschlichen Beziehungen …
Alles in allem – da war sich die Presse einig – zu einem Preis von öS 23.800 ab Werk Graz ein äußerst interessantes Angebot. Ein weiteres Argument war das umfangreiche und bestens etablierte Sevicenetz – zu den existierenden Steyr- und Steyr-Fiat-Händlern kamen die größeren Puch-Motorrad-Betriebe, die rasch auf das Auto eingeschult wurden.
Bereits im Rumpfjahr 1957 wurden 1.087 „Puch-Autos“ – wie der Wagen im Volksmund zur Unterscheidung von den Puch-Motorrädern genannt wurde – produziert, von denen 778 auch in diesem Jahr ausgeliefert wurden. Die Kunden waren glücklich und zufrieden und fuhren damit in die Berge und an die Adria (natürlich mit Kind und Kegel), waren im Motorsport auf Klassensiege abonniert und manche, wie etwa das Ehepaar Holzmann, machten mit dem Kleinwagen sogar eine 25.000 km-Fahrt nach Afrika. All dies wusste Puch in der Werbung zu nutzen.
Im Mai 1958 bekam der Puch 500 ein – heute würden wir sagen – Facelift: zweifärbige Polsterungen im Innenraum. Für Großkunden und Behörden wurden spezielle Sonderversionen gebaut. Die Post bekam einen Puch 500 Kombi (ein normaler Puch 500 ohne Rückbank und mit Trenngitter zum Fahrer) und der ÖAMTC die berühmten knallgelben Pannenfahrzeuge, die die Puch-Motorräder mit Beiwagen ablösten. Im ganzen Jahr 1958 kam der Puch 500 auf 7.863 Stück, das waren mehr als von Fiat 600 und Fiat 1100 zusammen und ein stolzer Marktanteil von 12%.
1959 wurde das Angebot auf gleich drei Modelle – 500D, 500DL und 500DH – erweitert.
Der Puch 500D (D für Dach) hatte statt des Stoffdaches ein Dach aus Stahlblech, dessen hintere Dachlinie hochgezogen war – nicht als Spoiler, sondern wegen der Kopffreiheit und ein größeres Heckfenster. Das Dach war mit ein paar Schrauben mit der Karosserie verbunden und so konnten die beiden Dächer problemlos getauscht werden. Handschuhfach, eine verbesserte Heizung und ein neu gestaltetes Emblem an der Front waren nur einige Detailverbesserungen.
Neu war der 500DL (L für Luxus), der neben einer auf 19,8 PS – bei 20 PS wäre die nächst teurere Versicherungsklasse gelegen – gesteigerten Motorleistung gar manchen Luxus zu bieten hatte. Erwähnt seien neue längliche Blinker vorne und Rücklichter mit angedeuteten Heckflossen, Liegesitze, ein beleuchteter Innenspiegel und größere Radzierkappen mit eingeprägtem Steyr-Puch-Zeichen. Ein ganz spezielles Modell war der 500DH (das H steht wahrscheinlich für Haflingermotor), das dem „normalen“ Kunden nicht angeboten wurde. Der Motor von 643 ccm und 22,8 PS blieb den Behörden vorbehalten und taucht auch in der Verkaufsliteratur nicht auf. Sozusagen ein „Pursuit Special“, wie ihn US-amerikanische Polizeieinheiten und Mad Max im gleichnamigen Film fahren – auf österreichisch halt …
1959 konnte man auch „ab Werk“ einen Sportumbausatz erwerben, der zum wohlfeilen Preis von öS 2.500,– die Leistung von 16 PS auf 27 PS hochschnellen ließ – bei unverändertem Hubraum von 493 ccm. Dieses Jahr sollte mit 8.334 Stück den Höhepunkt der Puch-Autoproduktion markieren.
Anfang 1960 änderte Fiat das Frontblech und Puch musste nachziehen. Experten erkennen dies an den vorderen Blinkern und fehlenden Lüftungsschlitzen. Optional wurde die automatische Kupplung „Saxomat“ (von Fichtel & Sachs) angeboten. Interessanter war da die Pressekonferenz am 30. November 1960, bei der der 700C, ein schmucker kleiner Kombi, präsentiert wurde. Wenig überraschend war der 700C (C wie Combi) – er hatte die Karosserie des Fiat 500 Giardiniera mit der Mechanik des Puch 500.
Nein, nicht ganz, denn der 700C war der erste für Endkunden erhältliche Puch 500 mit dem leistungsstärkeren Motor des Puch Haflinger. 643 ccm und 25 (serienmäßige) PS waren eine Ansage, und so tauchten einige Combis im Motorsport auf.
Ab Sommer 1962 gab es den „normalen 500er“ als 500D und 650T – der 500D hat den altbekannten 19,8 PS-Motor von 493 ccm Hubraum, der 650T den Motor aus dem Haflinger/700C, der aus einem Hubraum von 643 ccm eine (wegen der Versicherung) auf 19,8 PS gedrosselte Leistung abgab.
Auch außerhalb von Graz, ja teilweise sogar außerhalb von Österreich, begann man, die Qualitäten des „Puch-Auto“ zu schätzen und verwendete dieses als Basis für elegante Kleinstserienfahrzeuge. Hier seien nur der IMP 700, der Adria TS oder der Prinoth Formel Baby erwähnt.
Im Frühjahr 1964 hatte Puch endlich seinen „Mini Cooper“ gefunden – der Puch 650 TR (R für Rallye) wurde präsentiert und damit war der 27 PS Motor nicht nur für Behörden (Polizei, etc.) und ausgewählte Motorsportler, sondern auch für normale Kunden erhältlich.
Optisch war der 650 TR – bis auf den Schriftzug am Motordeckel – mit seinen schwächeren Brüdern ident. Auch der Innenraum war praktisch unverändert. Technisch war allerdings alles verbaut, das einige Jahre Motorsporterfahrung für gut befunden hatte – verstärkte Vorderachse, kürzere Federn, drei Stabilisatoren, länger übersetztes Differential und kürzer übersetztes Getriebe, …
Der 27 PS-Motor war gedrosselt und noch lange nicht an der Grenze seiner Leistungsfähigkeit, sondern auf Alltagstauglichkeit und Lebensdauer ausgelegt. Für all jene, die es „wirklich wissen wollten“, gab es den 650 TR2 mit 34 PS – zufällig so viel, wie der wesentlich größere und schwerere Käfer. Der beigepackte Sportauspuff sorgte für weitere 6 PS. Eine endlose Liste an Tuningteilen steigerte die PS-Zahl (fast) ins Unermessliche …
Sportlich und werbetechnisch ging die Rechnung auf: Bei der Rallye Monte Carlo 1964 konnten Sobiesław Zasada und Kasimir Osinski die Klasse bis 750 ccm gewinnen. 1966 wurde der Meisterfahrer aus Polen „Rallye Europameister“ – natürlich auf Puch 650 TR.
Nach diesen sportlichen Höhenflügen kam der langsame Niedergang. Turin hatte die Karosserie des Fiat 500 überarbeitet – so waren die Türen jetzt endlich vorne angeschlagen – und Puch musste nachziehen. Die bekannten Modellbezeichnungen bleiben bestehen – 500D, 650T und 650TR – und letztere hatte den Zusatz „Europa“ und drei Zusatzinstrumente am Armaturenbrett. Fiat erlaubte neuerdings den Export und das „Puch-Auto“ tauchte von Portugal bis Schweden, von Deutschland bis England (rechtsgesteuert!) auf. Aber in Österreich war der Marktanteil von 12% innerhalb von weniger als zehn Jahren auf 1,2% gefallen …
In Summe dürften knapp über 500 Puch 650TR (aller Subtypen) gebaut worden sein, auch wenn es heute den Eindruck macht, das 90% aller „Puch 500“ vom Typ 650TR sind.
Das Modell 1969 (Produktionsbeginn nach den Werksferien 1968) schien auf den ersten Blick eine ganz normale Evolution des Vorjahrsmodell zu sein. Genauere Blicke auf Achsen, Radzierkappen und Stoßstangen sagten aber anderes: Der „Puch 500“ Modell 1969 war ein „Fiat 500“, der fix und fertig aus Italien importiert wurde und in Graz den Puch-Motor und die Aufschriften ein- resp. angebaut bekam.
Trotz eines Kampfpreises von öS 27.200,– hielt sich die Begeisterung der Kunden für den in zwei Versionen – Puch 500 mit 16 PS und Puch 500 S mit 19,8 PS – in Grenzen – irgendwie war es kein „richtiger“ Puch 500 (ein Makel, der den letzten Baureihen bis heute anhaftet) und dazu ka-men Qualitätsprobleme, vor allem mit dem Ge-triebe, denn das Fiat-Getriebe war auf den (dreh-moment-)schwächeren Fiat-Motor ausgelegt.
Motorsport war werksseitig kein Thema mehr – der 500S wurde gleich gar nicht mehr homologiert – und auch die Zulassungszahlen der Jahre 1969–1973 (1.061 Stück, 890 Stück, 682 Stück, 437 Stück und im Rumpfjahr 1973 waren es überhaupt nur mehr 38 Stück) sprachen eine deutliche Sprache.
Anfang 1973 lief die Produktion des Puch 500S aus, aber im Herbst des Jahres schien eine Auferstehung bevor zu stehen.
Ende 1973 wurde der „Puch 126“ präsentiert, und wie der Name schon ahnen lässt: Der „Puch“ war ein Fiat, nämlich der brandneue Fiat 126, der fix und fertig aus Italien importiert wurde und in Graz den Puch-Motor – 650 ccm mit 25 PS – eingepflanzt bekam. Eine Standheizung war serienmäßig, aber für viel mehr hatte es nicht gereicht. Vorne verriet kein Frontemblem den Puch und am Motordeckel klebte ein Abziehbild „Motor Steyr-Puch“.
Der Erfolg – trotz der Benzinkrise, die eigentlich kleine und sparsame Autos begünstigen sollte – blieb überschaubar: 1973 – 125 Stück, 1974 – 1.295 Stück und 1975 – 589 Stück. Damit war die Kleinwagenproduktion in Graz beendet …
Dritter Akt: Autos für das Militär
Schon während der Entwicklungsarbeiten am Puch 500 machte sich das Team um Erich Ledwinka auch Gedanken über verwandte Projekte und eines da-von betraf einen geländegängigen, allradgetriebenen Kleinwagen. Als Zielgruppe sah man dabei das Österreichische Bundesheer, ausländische Militärs aber auch private Nutzer wie Jäger oder Förster. Extreme Geländegängigkeit stand ebenso auf der Liste der Anforderungen wie geringes Gewicht und Größe sowie gute Wendigkeit.
Einst hat mir ein altgedienter Offizier, der in der Auswahlkommission für den Haflinger war, die Anforderungen in etwa so beschrieben: „Schau Bua (eine durchaus übliche Anrede für jugendliche Grundwehrdiener), im (Zweiten) Weltkrieg sind wir mit dem Beiwagen-Krad durch ganz Russland gefahren (gemeint waren die 750 ccm-Beiwagenmaschinen mit angetriebenem Beiwagen von BMW und Zündapp). Die waren grandios im Gelände und extrem beweglich und haben drei Soldaten mit Ausrüstung transportiert.
Und wenn es einmal nicht weitergegangen ist, sind wir abgestiegen, haben das Graffel aus dem Dreck oder Schnee gehoben und weiter ging’s. Das wollten wir jetzt als Automobil …“
Ob vier Soldaten wirklich einen Haflinger – Leergewicht ca. 650 kg – „aus dem Dreck“ heben können, sei dahin gestellt, aber die Linie war klar.
Wir schreiben Mitte der 1950er-Jahre und ein (militärischer) Geländewagen sieht aus wie ein Jeep oder wie ein Land Rover – Leiterrahmen, wassergekühlter Frontmotor, Starrachsen und zuschaltbarer Allradantrieb – und allen war klar, dass keine 20 Soldaten den Jeep „aus dem Dreck“ heben könnten. Ein komplett neues Konzept musste her.
Um möglichst immer den Bodenkontakt für alle Räder zu gewährleisten, war eine Einzelradaufhängung mit entsprechend weichen Federn mit langen Federwegen notwendig. Große Bodenfreiheit, sperrbare Achsdifferentiale und ein Leistungsgewicht von zumindestens 20 bis 30 PS pro Tonne waren weitere Parameter des noch namenlosen Geländewagenkonzepts.
Angeregt von den Arbeiten von „Vater Ledwinka“ (Hans Ledwinka) bei Tatra wurde ein Zentralrohrrahmen, Pendelachsen und ein luftgekühlter Zweizylinder-(Boxer-)Motor von 600 ccm und 24 PS – kommen uns diese Werte aus dem vorigen Kapitel bekannt vor? – eingeplant.
Alternativ wurde ein Allrad-PKW mit Plattformrahmen und Verwendung vieler Puch-500-Teile konzipiert – der Puch 500M – und beide Konzepte wurden dem Bundesheer vorgelegt und von diesem ausgiebig getestet.
Das Resultat war klar: Der Wagen mit dem Zentralrohrrahmen war militärisch universeller verwendbar und wesentlich geländegängiger. Auch bei den Vergleichstests mit internationaler Konkurrenz – Jeep, DKW Munga, M274 Mechanical Mule, … – konnte der 600 AP (Allrad-Plattform) – nicht zuletzt dank der höheren Wendigkeit und des geringeren Benzinverbrauchs – überzeugen.
Das Bundesheer stellte einen Auftrag über 3.000 Stück in Aussicht, und die Entwicklung ging in Richtung 600 AP.
Auch ein passender Name für das Gefährt wurde gefunden: Der Haflinger – ein kleines, untersetztes und anspruchsloses Gebirgspferd – wurde zum Namensgeber des kleinen Geländewagens.
Im August 1958 konnten drei Prototypen an das Bundesheer zur weiteren Erprobung übergeben werden und nach Durchführung geringfügiger Änderungen begann Ende 1959 die Serienproduktion. Im Herbst 1959 wurde der Puch Haflinger am Autosalon in Frankfurt der Öffentlichkeit vorgestellt.
Aus dem AP 600 war der AP 700 geworden, denn der endgültige Motor hatte jetzt 643 ccm; die „Wahrheit lag also genau in der Mitte. In Frankfurt wurden drei Fahrzeuge präsentiert: der Haflinger, der Landwagen und ein Lieferwagen auf dieser Plattform. Die beiden letzteren sollten wohl nur den Käufergeschmack abtesten und gingen nie in Serie.
Ohne Verdeck war der Haflinger eine fahrende Plattform mit einer Länge von rund 3 m und einer Breite von 1.350 mm. Der Wendekreis lag bei 7 m. Die Technik war vom Feinsten. Die Kraft des Zweizylinders im Heck wurde über ein vollsynchronisiertes ZF-Getriebe auf die Hinterräder übertragen. Bei zugeschaltetem Allradantrieb erfolgte die Kraftübertragung über eine im zentralen Tragrohr laufende Welle auch auf die Vorderräder. Beide Differentiale konnten während der Fahrt gesperrt werden.
Das Bundesheer orderte, wie angekündigt, eine große Stückzahl der ersten Serie, und andere Armeen folgten dem Beispiel. Die Schweizer waren treue Kunden bis zur Produktionseinstellung im Jahre 1974 und erwarben in Summe einige tausend Stück. Andere Armeen erwarben zumindest einige Exemplare, wie etwa die Royal Navy, die Haflinger sowohl als Transportfahrzeug für die „Royal Marines Commandos“ als auch als Zugfahrzeuge auf Flugzeugträgern verwendete.
Natürlich versuchte Puch auch am zivilen Markt zu reüssieren und bot ihn in zwei Radständen – 1.500 mm und 1.800 mm – an, mit Stahlaufbau, unterschiedlichen Verdeckformen oder Kunststoffkarosserie. Ein Nebenantrieb für allerlei (landwirtschaftliche) Geräte rundete das Angebot ab.
Feuerwehr, Bergrettung, Polizei, ... gehörten zu den Benutzern des 700 AP. Eine spezielle Version mit verstärktem Chassis, der sogenannte „Kommunal Haflinger“ konnte bei 700 kg Eigengewicht eine Nutzlast von 1.200 kg schleppen. Gerne wurde der kleine „Alleskönner“ auch für Expeditionen verwendet. Am bekanntesten war wohl die Atacama-Expedition, bei der ein Haflinger eine Höhe von 5.680 m erreichte und damit einen Höhenweltrekord für Automobile aufstellte.
In 15 Jahren (1959–1974) wurden immerhin rund 16.700 Exemplare aller Typen produziert.
Aber damit war die Geschichte noch lange nicht zu Ende. Mit dem Haflinger war den Grazern ein großer Wurf gelungen, aber der kleine Allradler hatte auch seine Grenzen; für viele Aufgaben – vor allem im militärischen Bereich – war er zu klein, zu schwach und mit einer Spitze von je nach Übersetzung von um die 60 km/h zu langsam.
Größer, stärker und tragfähiger – eine Nutzlast von 1,0 bis 1,5 to wurde angepeilt. Die Entwicklung des Pinzgauers – auch der „große Bruder“ wurde nach einer traditionellen, österreichischen Pferderasse benannt – dauerte fast ein Jahrzehnt. Erste Entwürfe entstanden bereits 1962, und 1965 waren fahrbereite Prototypen fertig. Diese wurden dem Österreichischen Bundesheer und anderen potentiellen Kunden, z. B. der Schweizer Armee präsentiert. Möglichst viele Kundenwünsche sollten in das neue Modell einflie-ßen. Bei einer Pressekonferenz am 17. Mai 1971 wurde der Pinzgauer offiziell präsentiert. Auch der Pinzgauer hat – für geringes Gewicht und hohe Steifigkeit – einen Zentralrohrrahmen. Allerdings war der Motor – ein luftgekühlter Vierzylinder – mit 2,5 Liter Hubraum und 95 PS wesentlich größer und seitlich geneigt vorne eingebaut.
Der Pinzgauer wurde in zwei Grundversionen angeboten: Der Typ 710 war ein Zweiachser mit einer Länge von 4.175 mm und einem Leergewicht ab 1.960 kg (Nutzlast 1,0 to). Der Typ 712 hatte drei angetriebene Achsen und eine Länge von 4.955 mm. Sein Leergewicht begann bei 2.330 kg (Nutzlast 1,5 to). Die Spitzengeschwindigkeit wurde mit 100 km/h angegeben. Der Verbrauch (auf der Straße) lag bei 18 Liter/100 km. Im Gelände sprach man von 6–10 Liter pro Stunde.
Das Getriebe (in Zusammenarbeit mit ZF entwickelt) hatte fünf Gänge (plus Rückwärtsgang), von denen alle Vorwärtsgänge synchronisiert waren. Ein Zwei-Gang-Untersetzungsgetriebe – ebenfalls synchronisiert) verteilte den Kraftfluss zwischen Vorder- und Hinterachse und bot zwei Untersetzungen für Straße und Gelände.
Die Einzelradaufhängung war als Pendelachse(n) ausgeführt und jedes Differential hatte eine manuell schaltbare Differentialsperre. Der Federweg lag bei 200 mm.
Bevor der Pinzgauer „auf die Kunden losgelassen wurde“, fanden umfangreiche Fahrerprobungen – mehr als 1 Mio. km – zwischen Sahara und Polarkreis statt.
Ab Werk wurde der Pinzgauer in verschiedenen Aufbauvarianten angeboten:
– Typ 710 M: Mannschafts- und Materialtransporter mit Plane (2-Achs)
– Typ 710 K: Kommando- und Funkfahrzeug mit geschlossenem Aufbau (2-Achs)
– Typ 710 T: offene Pritsche (2-Achs), für den auch ein abnehmbarer Shelter angeboten wurde
– Typ 710 AMB: Ambulanz (2-Achs)
Vom Dreiachser – 712 M, 712 K und 712 T – waren die gleichen Versionen im Programm. Dazu kamen noch der Typ 712 K mit Doppelkabine und Pritsche, 712 W mit Werkstattaufbau und 712 FW speziell für Feuerwehren.
Sonderwünsche wurden – vom Werk oder von externen Betrieben – gerne erfüllt.
Der Pinzgauer wurde neben dem Österreichischen Bundesheer und der Schweizer Armee auch von den Streitkräften Großbritanniens, Saudi-Arabiens, Jordaniens, … eingesetzt.
Zur IAA 1979 wurde der „Pinzgauer – ganz in Zivil“ präsentiert, der technisch das Gleiche wie seine olivgrünen Brüder bot, allerdings durch ein beiges Farbkleid mit „blaugrünen oder orangen Seitenstreifen“ entmilitarisiert worden war. Teppiche und entsprechende Farbgebung im Interieur vollendeten die bescheidene Luxusausstattung.
Anfang der 1980er-Jahre bekam der Pinzgauer einen luftgekühlten 2,7 Liter Vierzylinder-Viertakt-Diesel-Motor, der ohne Turbo 105 PS und mit Turbo 115 PS leistete. Von dieser Version – fünf Türen, Klimaanlage, Überrollbügel, … – landeten sogar einige bei Privatkunden in den USA.
Zur IAA 1985 wurde der Pinzgauer mit einem neuen (Diesel-)Motor präsentiert. Die zu erwartenden Stückzahlen hatten den Bau eines eigenen Motors nicht erlaubt, so griff Steyr-Puch ins Ersatzteilregal von Volkswagen – zu denen ja dank der Fertigung des Syncro-Busses in Graz eine gute Beziehung bestand – und fand dort den Turbodiesel-Sechszylinder aus dem VW LT.
Um den wassergekühlten Motor unterzubringen, war ein kompletter Umbau der Fahrzeugschnauze, was dieses Modell leicht erkennen lässt, erforderlich. Für militärische Kunden in aller Welt wurde die „alte Version“ weiterhin gebaut.
Im Jahre 2000 wurde nach mehr als 30.000 gebauten Pinzgauern die Produktion in Graz beendet, und ab jetzt wird die Sache kompliziert, denn die Produktion wurde nicht ganz einfach eingestellt.
Die komplette Produktion wurde nach Großbritannien an die Automotive Technik LTD verkauft, die den Klassiker – mittlerweile durfte man ihn wohl so nennen – weiter bauten, wenn auch in kleiner Stückzahl.
2002 wurde Automotive Technik von Armor Holdings übernommen, die ihrerseits per 31. Juli 2007 von British Aerospace übernommen und in „BAe Systems AH Inc.“ umbenannt wurden.
Kein Jahr später, im Jahr 2008, wurden Fertigung und Entwicklung des Pinzgauers der „British Aerospace-BAe Land Systems OMC“ in Benoni in Südafrika übergeben, die neben der Produktion des „alten“ Pinzgauer I einen neuen Pinzgauer II entwickelten. Dieser sollte unter anderem besseren Schutz gegen Minen bieten, ging aber nie in Serienfertigung. 2007/08 dürften beide Produktlinien allmählich eingeschlafen sein.
Vierter Akt: Ein Auto für die Welt
Wie wir im vorigen Abschnitt gesehen haben, können sich zwei Generationen von Geländewagen aus Graz durchaus auch einmal um ein Jahrzehnt überlappen. So sollte es auch beim Nachfolger des Pinzgauers sein, wobei der Puch G genauso wenig ein Nachfolger des Pinzgauers war (ist), wie der Pinzgauer ein Nachfolger des Haflingers.
Um 1972, also gerade einmal ein Jahr nach der Präsentation des Pinzgauers nahm das Projekt „H2“ – für „Haflinger 2“ – Gestalt an.
War der Haflinger für einen breiteren Markt zu klein gewesen, so war der Pinzgauer zu groß und vor allem zu teuer, also sollte der H2 „genau in der Mitte“ liegen.
Und eines war klar: Eine komplette Eigenentwicklung wie bei Haflinger und Pinzgauer inkl. eigenem Fahrwerk, Motor und Getriebe konnte und wollte man sich nicht leisten.
Die Techniker von Puch trafen immer wieder auf ihre Kollegen von Mercedes, nicht zuletzt bei Vergleichsfahrten von Pinzgauer und Unimog und man hatte sich kennengelernt und schätzte das wechselseitige Allrad-Know-how. So lag eine Kooperation zwischen den beiden Firmen eigentlich auf der Hand.
1973 wurde eine Grundsatzvereinbarung zwischen Steyr-Daimler-Puch und Daimler-Benz unterzeichnet, einen Geländewagen gemeinsam zu entwickeln und zu produzieren – soviel zum Thema „Die Deutschen (Mercedes) haben uns (Puch) den G gestohlen!“
Den Anstoß für diese Kooperation gab Schah Mohammad Reza Pahlavi, der gleich einmal 20.000 Stück für die iranische Armee bestellte. Bei Produktionsbeginn war der Schah bereits Geschichte – nach der Islamischen Revolution unter Ruhollah Chomeini verließ Mohammad Reza Pahlavi am 16. Januar 1979 den Iran –, aber da war es zum Glück bereits zu spät, an den Plänen für den Puch G noch etwas zu ändern.
Im April 1973 war ein 1:1-Holzmodell fertig und bereits 1974 rollte der erste Prototyp in Graz aus der Werkshalle.
1977 wurde die „Geländefahrzeug-Gesellschaft“ – kurz GFG – gegründet, die ihren Sitz in Graz hatte und an der jeder der beiden Partner zu je 50% beteiligt war.
Unter der kantigen – durchaus ein wenig an den Land Rover erinnernde – Karosserie befand sich aufwendige Technik vom Feinsten, ein „Best of“ aus Graz und Stuttgart sozusagen.
Aus Stuttgart stammten Motor, Getriebe, Achsen und unzählige Kleinteile innen und außen. Weiters wurden Design und Konstruktion in Stuttgart erledigt. Aus Graz der Rohbau, das neue Verteilergetriebe – mit drei Sperren! – natürlich die zahllosen Gelände-Kilometer am Schöckl und Umgebung und natürlich ab 1979 die Produktion.
Im Februar 1979 konnten Dipl.-Ing. Dr.tech. Gerfried Zeichen, der Leiter des Geschäftsbereichs „Zweirad- und Geländefahrzeuge“ von Steyr-Daimler-Puch, und Dipl.-Ing. Werner Breitschwerdt, Chef der Gesamtentwicklung und Forschung bei Mercedes, anlässlich der Pressevorstellung stolz das gemeinsame Baby präsentieren, das unter zwei Namen auftreten sollte – als Puch G in Österreich, der Schweiz, Jugoslawien, Großbritannien sowie in ein paar afrikanischen Staaten und als Mercedes G in Deutschland und im Rest der Welt.
Die Qualität und Optik der Karosserie der Prototypen hatte keine Gnade vor den Augen der Stuttgarter gefunden, und Chefdesigner Bruno Sacco war noch einmal „drüber gegangen“.
Die Motoren stammten von Mercedes und vorerst waren der 2,3-Liter-Vierzylinder und der 2,8-Liter-Sechszylinder – alles Benziner – erhältlich. Besonders stolz war (und ist) man in Graz auf den Allradantrieb, der dank eines vollsynchronisierten Verteilergetriebes mit oder ohne Kuppeln auch während der Fahrt geschaltet werden konnte.
An Aufbauten standen von der Baureihe 460 fünf Versionen zur Wahl: „Stationswagen“ (also Personenwagen) mit kurzem oder langem Radstand, Kastenwagen mit kurzem oder langem Radstand und schließlich ein offener Wagen mit Planenverdeck, den es nur mit kurzem Radstand gab.
Neben jährlichen kleineren Verbesserungen sei hier die Einführung einer Viergang-Automatik (1981), eines Dieselmotors von 3 Liter (1979) oder der Katalysator (1985) erwähnt.
Bereits seit 1981 montierte Peugeot den Puch/Mercedes G als „Peugeot P4 VLTT“ (Voiture Légère Tous Terrains), wobei allerdings zahlreiche Komponenten von Peugeot – Motor, Getriebe, Achsen, … – Verwendung fanden. Der P4 war ein reines Militärfahrzeug mit ein paar Vereinfachungen. Für die französische Armee wurden 15.000 Stück davon gebaut. 1983 konnte Jacky Ickx mit einem G 280 die 5. Ausgabe der Rallye Dakar gewinnen. Allerdings auf einem Mercedes G 280, was für den Werbewert wohl besser war, als ein Sieg für einen Puch G.
Am 27. Februar 1987 lief der 50.000ste G vom Band, und im Frühjahr 1990 wurde der G – optisch praktisch unverändert – komplett überarbeitet. Die wichtigste Neuerung der Baureihe 463 unter dem Blechkleid war der Umstieg vom manuell zuschaltbaren zum permanenten Allradantrieb. Dem „typischen Kunden“ war das Zu- und Wegschalten des Allradantriebs zu mühsam geworden – vor allem für ein Auto dieser Preisklasse.
Für die „echten Enthusiasten“ kam im März 1992 die Baureihe 461 zu den Händlern, die im Wesentlichen die „gute, alte“ Baureihe 460 war. Im „Volksmund“ wurde die Baureihe 461 oft als „Behörden G“ bezeichnet.
1992 konnte in Graz der 100.000ste G gefeiert werden, was mit einer Sonderserie von 500 Stück des 500 GE – mit V8-Motor und 241 PS – würdig begangen wurde.
Irgendwann im Jahre 1999 – fast pünktlich zum 20. Geburtstag – lief in Graz der letzte Puch G vom Band, aber keine Sorge: Der Puch G ist tot, lange lebe der Mercedes G.
Ab da wurden auch in Österreich, der Schweiz und den anderen „Puch-Ländern“ ausschließlich Mercedes G verkauft, die aber unverändert aus Graz kommen.
Der Mercedes G hat in den letzten 20 Jahren eine ständige Entwicklung erfahren, ist aber dem Puch H2 der 1970er-Jahre treu geblieben, auch wenn das manchmal nicht so aussieht. Das ist aber eine andere Geschichte …
Epilog: Autos aus Graz
Heute werden in Graz mehr Autos gebaut, als je zuvor. In der Blütezeit des Puch 500 wurden im Jahre 1959 eine Rekordmarke von 8.334 Stück Puch 500 gebaut (dazu kam natürlich die nicht unbedeutende Fahrrad- und Motorradproduktion). Heute werden pro Jahr grob zwischen 100.000 und 200.000 Autos gebaut, nur steht auf diesen nicht mehr „Puch“ drauf, sondern beispielsweise Mercedes. Der Puch G wird noch immer gebaut, wenn auch ausschließlich als Mercedes G und hat 2016 erstmals eine Stückzahl von 20.000 Stück erreicht – pro Jahr! Im Dezember 2020 knackte der Dauerbrenner die 400.000-Marke.
Aber nicht alles, was in Graz vom Band rollt, hat vorne einen Stern drauf. Eine sicherlich unvollständige Aufzählung beginnt mit Chrysler: Ab 1990 liefen bei Eurostar, einem Joint-Venture zwischen der Chrysler Corporation mit der „Steyr-Daimler-Puch Fahrzeugtechnik AG & Co. KG“, 618.763 Minivans vom Typ Chrsyler Voyager sowie ein paar PT Cruiser vom Band.
Im Jahre 2002 kaufte Magna Steyr-Daimler-Puch auch gleich Eurostar und seither gehört das „Puch Werk“ der „MAGNA STEYR Fahrzeugtechnik AG & Co. KG“.
Derzeit werden dort folgende Typen gebaut:
Derzeit werden dort folgende Typen gebaut:
– Jaguar E-Pace, seit 2017
– BMW 5er Reihe (G30), seit 2017
– Jaguar I-Pace, seit 2018
– BMW Z4 (G29), seit 2018
– Toyota Supra, seit 2019
Ausgelaufen sind mittlerweile die Modelle:
– Bitter SC, 1983–1989
– Audi V8L 1990–1994
– Jeep Grand Cherokee ZG, WG, WJ,
1994–2004
– Mercedes M-Klasse W 163, 1999–2002
– Saab 9-3 Cabriolet, 2003–2009
– BMW X3, 2003–2010
– Aston Martin Rapide, 2009–2012
– Peugeot RCZ, 2010–2015
– Mini Countryman, 2010–2016
– Mini Paceman, 2012–2016 – usw.
Und ganz zum Schluss sei noch auf die Prototypen von Magna hingewiesen, die zwar mehr oder weniger Einzelstücke sind, die aber hier trotzdem erwähnt sein sollen.