Volles Programm - Die Geschichte der vielseitigen Marke Bianchi
Autor: Alexander Korab
Ist Celeste nun hellblau oder doch eher hellgrün? Darüber wird seit Jahrzehnten diskutiert. Der Farbton steht jedenfalls bis heute für die großen Erfolge und die legendären Erzeugnisse des Mailänder Unternehmens Bianchi.
Der Name „Bianchi“ ist heute vor allem auf dem Fahrradmarkt ein Begriff. Viele, die eines jener leuchtend pistaziengrünen Renn-, Gelände- oder Straßenräder bewegen, wissen gar nicht, dass die Geschichte des italienischen Traditionsunternehmens bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht. Dabei wurden bei Bianchi einst auch Pionierleistungen bei der Entwicklung von Autos und Motorrädern vollbracht. Im Bianchi-Markenzeichen, einem Adler mit Krone, welches seit Jahrzehnten in beinahe unveränderter Form den Steuerkopf der Bianchi-Fahrräder ziert, findet sich bis in unsere Tage der Name des Gründers Edoardo Bianchi.
Edoardo Bianchi wurde am 17. Juli 1865 in Mailand geboren. Im dritten italienischen Unabhängigkeitskrieg gegen Österreich-Ungarn, der nach der Schlacht bei Custozza und der Seeschlacht bei Lissa für Italien 1866 mit einer Niederlage endete, wurde der Vater schwer verwundet. Mit vier Jahren war Edoardo bereits Vollwaise und wurde vom Mailänder Institut Martinitt aufgenommen. Es dürfte sich um eine fortschrittliche Organisation gehandelt haben, die ihre Schützlinge zu fördern verstand. Nicht zufällig sind aus ihr unter anderen auch der Elektrounternehmer Ercole Marelli und Felice Scotti, der Erfinder des industriellen Stoffdrucks hervorgegangen. Edoardo erlernte dort das Schmiedehandwerk und machte sich 1885 im Alter von 20 Jahren in der Heimatstadt selbstständig. Die „Officina Meccanica Edoardo Bianchi“ in der Via Nirone bestand aus zwei angemieteten Räumen, groß genug, um Velozipede, Radnaben, Kugellager, Präzisionsmaschinen oder chirurgische Instrumente zu produzieren. Auf einem Foto aus dem Gründungsjahr ist im Schaufenster des Geschäfts noch ein für die Zeit typisches Hochrad zu erkennen. In England wurden bereits Fahrräder mit fast gleich großen Rädern angeboten. Ganz am Puls der Zeit brachte Bianchi 1886 das erste italienische Fahrrad mit exakt gleich großen Rädern, Kreuzrahmen und zweigeteiltem Lenker heraus – eine Innovation, die durchaus als Prototyp des modernen Fahrrads bezeichnet werden kann.
Von der Werkstatt zur Fabrik
In den 80er- und 90er-Jahren des 19. Jahrhunderts reifte die lombardische Provinzhauptstadt Mailand zu der führenden Industriemetropole Italiens heran. Natürlich profitierte auch Bianchi von dieser Entwicklung und konnte sich gegen mehr als 200 Mitbewerber im Fahrradsektor (allein in Mailand) behaupten. Längst war der Laden in der Via Nirone zu eng und Bianchi übersiedelte 1888 zunächst in die Via Bertani und fünf Jahre darauf in die Via Borghetto, wo erstmals eine Serienfertigung möglich wurde. Dann kam Edoardo Bianchi noch ein glücklicher Zufall entgegen. König Umberto I. und seine Gemahlin Margherita lernten im Park von Monza Fahrradfahren und zwar auf Rädern aus dem Hause Bianchi. Edoardo Bianchi durfte sich ab nun „Königlicher Hoflieferant“ nennen. Dazu kamen einige Auszeichnungen, zum Beispiel die Goldmedaille bei der „Esposition Riunite“ in Mailand und eine Ehrenurkunde der Internationalen Fahrradausstellung in Paris (1894) sowie weitere Goldmedaillen bei Messen in Bologna und Rom, die das Wachstum des Unternehmens enorm befeuerten und den Namen weit über die Grenzen der Lombardei hinaus bekannt machten.
Dem jungen Handwerker Edoardo Bianchi gelang binnen weniger Jahre aus eigener Kraft, mit Fleiß, Mut und jeder Menge Intuition der Aufstieg zum Industriellen. 1897 wurde in der Via Borghetto ein Bianchi-Dreirad mit Verbrennungsmotor gebaut, mit dem Bianchi in die Liga der Kraftfahrzeug-Hersteller aufstieg. 1903 waren bereits Automobile auf den Straßen Italiens unterwegs, die den Namen Bianchi trugen. Doch bleiben wir zunächst bei den Fahrrädern. Kurz nach 1900 hatte sich die Produktion von Bianchi bereits auf mehrere Standorte in Mailand verteilt. 1905 wurden alle Fertigungsbereiche in der Viale Abruzzi unter einem Dach vereinigt. 1907 beschäftigte Edoardo Bianchi bereits 400 Arbeiter und überführte das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft. Eine Wirtschaftskrise, die Italien zu dieser Zeit heimsuchte, überstand Bianchi dank des Fahrradsektors beinahe unbeschadet.
Bianchi im Radsport
Bereits im 19. Jahrhundert tauchten Bianchi-Räder im noch jungen Radsport auf. Gefahren wurde in der Regel über brutal lange Distanzen auf staubigen Schotterstraßen. Für die Entwicklung waren diese Wettbewerbe ein wesentlicher Härtetest und brachten auch wertvolle Publizität. Edoardo Bianchi erkannte dieses Potenzial und förderte den Radsport schon früh. Giovanni Ferdinando Tommaselli aus Brescia leitete eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte von Bianchi im Radsport ein.
Das elegante schwarze Bianchi-Bahnrad aus dem Jahr 1899, mit dem Tommaselli den Grand Prix von Paris gewann, ist bis heute erhalten geblieben. Tommaselli war danach viele Jahre bei Bianchi in der Unternehmensführung tätig. Auch der beliebte italienische Champion Giovanni Gerbi aus Asti, „Diavolo rosso“ genannt, fuhr in den Jahren 1903 und 1905 auf Bianchi-Rädern. Erster Ausländer in einem Bianchi-Team war der Franzose Lucien Mazan mit dem Spitznamen „Petit Breton“. Dank tatkräftiger Unterstützung seines Markenkollegen Gerbi gewann Mazan 1907 das Rennen Mailand-San Remo. Der legendäre Giro d’Italia fand erstmals im Jahr 1909 statt. Bianchi war mit einer starken Mannschaft dabei und dominierte vier der insgesamt acht Etappen. In der Gesamtwertung erreichte Giovanni Rossignoli für Bianchi den dritten Rang. Von da an war Bianchi eine fixe Größe im internationalen Radsport.
Im Ersten Weltkrieg profitierte Bianchi enorm als Hersteller kriegswichtiger Produkte. Allein in den Jahren 1916 und 1917 verzeichnet das Unternehmen ein Umsatzplus von 60 Prozent. „Scior“ Edoardo wurde zum „Cavaliere del Lavoro“ ernannt und 1919 zum „Commendatore der Krone“ erhoben.
Den ersten Giro-Sieg für Bianchi holte Costante Girardengo 1919. Girardengo erhielt den Titel „Campionissimo“ und wurde zum ersten Superstar der Radsportgeschichte. In der Zwischenkriegszeit legte der Fahrradmarkt noch weiter zu. Der Plan des Duce, Italien zu einer motorisierten Nation zu machen, ging nicht auf. Für Durchschnittsverdiener waren selbst Kleinwagen unerschwinglich. So erfüllte das Fahrrad in den 30er- und 40er-Jahren weiterhin die Mobilitätsbedürfnisse der Italiener. Unvergesslich bleibt die Leistung von Alfredo Bovet, der von 1930–1936 für Bianchi fuhr. Nach einer Solofahrt von 107 Kilometern ohne Team-Unterstützung gewann er 1932 Mailand-San Remo. Überraschend schlug er dabei auch die Favoriten Binda und Guerra. Radsport war in dieser Zeit eine unvorstellbare Tortur. Erst Gangschaltungen von Campagnolo, die bereits in den 30er-Jahren bei Bianchi montiert wurden, brachten ein wenig Erleichterung. Über so eine Schaltung verfügte auch schon Giuseppe Olmo, der 1935 beim Giro d’Italia für Bianchi den dritten Platz erkämpfte.
Im Zweiten Weltkrieg hatten Fahrräder keine große Bedeutung mehr, was sich in den Umsätzen von Bianchi ungünstig niederschlug. Im August 1943 wurden die Hallen in der Viale Abruzzi bombardiert und dabei fast vollständig zerstört. 1944 starb Ferdinando Tommaselli, der bei Bianchi jahrelang als Geschäftsführer tätig war. Am 2. Juli 1946 kam Cavaliere Edoardo Bianchi 80-jährig bei einem Autounfall ums Leben.
Sein Sohn Giuseppe übernahm die Trümmer eines einst großen Unternehmens und musste quasi bei Null beginnen. Es war das Fahrrad, welches Bianchi vor dem drohenden Untergang rettete. Im schwer kriegsgeschädigten Italien blieb der Drahtesel noch viele Jahre das wichtigste Verkehrsmittel. Mit 74.000 Rädern übertraf die Produktion bei Bianchi 1955 bereits die Zahlen der faschistischen 1930er-Jahre. Dazu kommt die „magische Dekade“ im Radsport. Die Duelle zwischen Fausto Coppi, dem wohl berühmtesten Bianchi-Fahrer aller Zeiten, und seinem Erzrivalen Gino Bartali begeisterten damals die Massen, nicht nur in Italien. Das Rad von Coppi war natürlich in der legendären Bianchi-Farbe „Celeste“ lackiert, an der man bis heute die Profi-Räder von Bianchi erkennen kann. Dem Namen nach wäre es ein Himmelblau, das jedoch eher der helleren Grünskala zuzuordnen ist. Über den Ursprung des Farbtons kursieren mehrere Legenden. Angeblich soll die Augenfarbe von Königin Margherita, welche eine Bianchi-Spezialanfertigung besaß, Vorbild für Celeste gewesen sein. Eine andere Version besagt, dass Edoardo Bianchi nach 1918 größere Lackbestände der italienischen Armee aufgekauft haben soll, die bei der Fahrradproduktion zur Anwendung kamen.
Einspurig mit Motorkraft
Nicht weniger glorreich war die Geschichte der Bianchi-Motorräder. Sie endete jedoch schon Mitte der 1960er-Jahre. Für einen Fahrrad-Hersteller war der Weg zum Motorrad logisch und auch nicht weit. Edoardo Bianchi experimentierte, so wie einige andere Pioniere auch, zunächst mit Einzylindermotoren von De Dion Bouton. 1897 entstand ein motorisiertes Dreirad. Vorbilder dafür gab es bereits von De Dion oder von Prinetti & Stucchi. Letztere wurden in Mailand erzeugt und dürften Bianchi inspiriert haben.
Dem Dreirad folgte ein Quadricycle als Vorstufe zum ersten echten Automobil, das 1903 erschien. Natürlich reizte es Bianchi, auch Fahrräder zu motorisieren. Dazu mussten die Rahmen etwas stärker ausgebildet und ein leichter Motor montiert werden. Für das Motocicletto, welches von 1902–1912 angeboten wurde, fertigte Bianchi die Motoren (nach Baumuster De Dion) bereits im eigenen Haus. Das Motor-Fahrrad brauchte Pedalunterstützung zum Anfahren und für steilere Bergstrecken. Aber wenn es einmal rollte, so war eine ganz passable Höchstgeschwindigkeit von 45 km/h auf ebener Straße möglich.
Das erste echte Bianchi-Motorrad, ausgestattet mit einem 500 ccm-Einzylindermotor, war 1912 serienreif. Es blieb jedoch nur zwei Jahre auf der Preisliste und wurde kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges durch eine überarbeitete und deutlich ausgereiftere Version ersetzt. Das „Modell A“ bekam eine patentierte Vorderradfederung, erreichte eine Geschwindigkeit von 85 km/h und etablierte den Namen Bianchi dank seiner Zuverlässigkeit auch auf dem Motorradmarkt. 1916 wurde bereits am „Modell G“ gearbeitet. Die 600er-Maschine mit V2-Zylindermotor kam aber erst 1919 heraus. In den 20er-Jahren konnte Bianchi bereits ein breites Programm anbieten, bestehend aus Motorrädern mit 175 ccm, 350 ccm, 500 ccm bis 750 ccm Hubraum.
Meilenstein Freccia Celeste
1923 wurde der Designer Mario Baldi beauftragt, ein Rennmotorrad für Bianchi zu entwickeln. Auf seinem Zeichenbrett entstand eine 350er-Maschine mit OHV-Motor. Die Tests verliefen zufriedenstellend und voll Enthusiasmus kündigte Team-Manager Aldo Zambrini ein Bianchi-Debut im Motorrad-Rennsport für 1925 an. Als Fahrer hatte er Gildo Cattaneo, Enrico Manetti, Erminio Cavedini, Gigione Arcangeli, Mario Saetti und Tazio Nuvolari engagiert. Der erste Auftritt der in Celeste lackierten Bianchi-Maschinen, es war der Grand Prix of Nations in Monza, verlief eher enttäuschend. Tazio Nuvolari musste mit Motorproblemen aufgeben, Saetti kam über die gesamte Distanz und belegte immerhin den 3. Platz. Eine rasch überarbeitete Zweinocken-Version war rechtzeitig für den North-South-Raid fertig, ein Langstreckenrennen über 877 Kilometer von Mailand nach Neapel. Alle drei Bianchi 350er kamen ans Ziel, Edoardo Self auf Platz 1, Maurizio Fieschi auf Platz 10 und Carlo Maffeis auf Platz 17.
Dieses Motorrad ging mit dem Namen „Freccia Celeste“ in die Geschichte ein. Zudem hatte man mit Tazio Nuvolari ein Jahrhundert-Talent unter Vertrag, das Bianchi aus dem Stand in die Liga der Top-Marken im Motorradsport katapultierte. 1925 gewann der Mantuaner mit der Freccia Celeste in Monza die Europameisterschaft in der 350er-Klasse. Legendär geworden ist sein Monza-Sieg im darauf folgenden Jahr. Nuvolari hatte sich bei Testfahrten mit dem neuen Alfa Romeo P2 nach einem Crash beide Beine gebrochen. Zambrini fürchtete schon, er müsse lange auf „Nivola“ verzichten. Doch schon eine Woche später erschien der Star mit bandagierten Beinen, ließ sich auf seine Freccia Celeste heben und gewann das Rennen überlegen vor seinen Teamkollegen Maffeis und Self. Mit einem Schnitt von 123,9 km/h war er sogar schneller als die Spitzenfahrer der 500er-Klasse. Novolari gewann Monza noch zweimal für Bianchi. 1928 kamen Achille Varzi und Amilcare Moretti ins Bianchi-Team. Schon hier zeigte sich eine Rivalität zwischen Varzi und Nuvolari, welche sich in den 30er-Jahren im Automobil-Rennsport intensivieren sollte. Varzis Leistungen reichten jedoch nie ganz an jene des Mantuaners heran. Moretti gewann 1929 Monza und die 350er-Klasse bei der Targa Florio für Motorräder. Die Bianchi 350 Freccia Celeste galt bis 1930 als unschlagbar und brachte Bianchi insgesamt 95 Siege ein. Zu den größten Erfolgen zählen nach der Monza-Serie von 1925-1929, sechs Siege auf dem Rundkurs von Lario 1925-1930, ein Sieg bei der Tour de Italia 1926 sowie drei Titel bei der italienischen Meisterschaft (1926, 1928 und 1930).
Die Epoche Serafini
Dann aber begann Bianchi gegenüber der Konkurrenz aus England mit Rudge, Norton und Velocette zu schwächeln. Mario Baldi konterte 1931 mit einer DOHC-Maschine mit 500 ccm Hubraum. Tazio Nuvolari setzte seine Karriere im Automobil-Rennsport fort und wurde dort zum gefeierten Nationalhelden. Die Lücke im Bianchi-Team füllte Dorino Serafini, der in der zweiten Hälfte der 1930er-Jahre in der Halbliter-Klasse brillierte. Der Mann aus Pesaro holte sich zahlreiche nationale und einige internationale Pokale und wurde 1936 italienischer Meister.
Erfolgreiche Bianchi-Fahrer in jener Zeit waren auch Alberto Ascari, der später zweimal hintereinander F1-Weltmeister wurde (1952/1953), sowie Mario Benigni, der unter anderem die Schweizer Meisterschaft gewann. Die Bianchi 500er bewiesen ihre Qualitäten auch auf langen Distanzen, zum Beispiel bei den Rennen Milano-Neapel 1933 (Freccia Azzurra) sowie Milano-Taranto 1936 (Corsa).
Die Lorbeeren im Rennsport beflügelten auch den Verkauf von Straßenmaschinen. Mit den Modellbezeichnungen Freccia Celeste, Freccia d’Oro, Freccia Azzura und Corsa bot Bianchi in den 30er-Jahren Motorräder in allen Hubraumklassen ab 100 ccm an, die sich großer Beliebtheit erfreuten. 1938 konnte Bianchi im Motorsport gegen die vierzylindrige Gilera 500 mit Kompressor nicht mehr viel ausrichten. Baldi arbeitete seit 1935 an einem ähnlichen Konzept, doch Gilera war einfach früher dran. Die Bianchi Corsa-Vierzylinder brachte es mit einem Cozette-Kompressor auf respektable 75 PS bei 9000 Umdrehungen. Ascari schaffte bei Testfahrten in Monza eine Höchstgeschwindigkeit von 210 km/h. Bevor das vielversprechende Gerät einsatzbereit war, brach der Zweite Weltkrieg aus.
Der Umsatz mit Fahrrädern ging 1939 zurück, allerdings erhielt Bianchi noch Aufträge für LKWs und Motorräder vom italienischen Militär. Nach der Zerstörung des Werks 1943 ging jedoch nichts mehr. Mit staatlicher und amerikanischer Unterstützung konnten die Anlagen soweit wieder repariert werden, dass eine Fortsetzung der Produktion nach Kriegsende in sehr eingeschränktem Maß möglich war. Es sei gleich vorweg genommen, dass Bianchi nicht mehr zur alten Größe zurück fand. Die 50er-Jahre waren überschattet von finanziellen Problemen, die das Management letztlich zwangen, Unternehmensteile Stück für Stück zu verkaufen.
Letzte Glanzlichter
Was den Motorrad-Sektor betraf, so wurde die Produktion 1946 wieder aufgenommen. Zunächst waren es einige Vorkriegsmodelle, darunter der dreirädrige Motorkarren „Supermill“. Bald darauf folgte eine neue 125er-Serie „Bianchina“ sowie die 250er-Modelle „Dolomiti“ und „Stelvio“. Zu Beginn der 50er-Jahre kamen das Moped „Aquilotto“ hinzu sowie die Modelle Cervino, Pordoi, Mendola, Bernina und Sila. Für sportlich orientierte Fahrer wurde die „Tonale“ angeboten. Eine aerodynamisch verkleidete Bianchi Tonale mit verlängertem Radstand stellte 1957 in Monza mit einem Schnitt von 185,72 km/h einen neuen Weltrekord über sechs Stunden auf.
Im gleichen Jahr wurde die „Edoardo Bianchi Motomeccanica SpA“ mit Sitz in der Via Fantoli gegründet, um den Zweirad- und Vierradsektor wirtschaftlich zu trennen. Die Erinnerung an die Nuvolari-Zeit und vor allem die Heldentaten eines Fausto Coppi waren ein Bonus, der Bianchi noch für einige Jahre ein Überleben sicherte. Mit dem genialen Motorradspezialisten Lino Tonti an Bord konnte man optimistisch in die Zukunft blicken und noch einmal einen werksseitigen Angriff im Motorsport wagen. Tonti konstruierte für Bianchi DOHC-350er und 500er Twins, die in den 60er-Jahren durchaus konkurrenzfähig waren. Zu den bekanntesten Bianchi-Fahrern dieser Epoche zählten Ernesto „Tino“ Brambilla, Silvio Grassetti, Remo Venturi und Bob McIntyre. Einige Siege gegen ebenbürtige Mitbewerber der Marken MV und Honda gingen noch auf das Konto von Bianchi, unter anderem die Grand Prix-Rennen von Modena und Cesenatico 1960, der Grand Prix von Saragoza 1962, Frankreich und Imola 1963. Dann wurde die Übermacht der Japaner derart erdrückend, dass kaum mehr eine europäische Marke mithalten konnte.
Gegen Ende der 50er-Jahre benötigten die italienischen Streitkräfte neue Geländemaschinen. Bianchi-Motomeccanica erhielt den Zuschlag und lieferte dann insgesamt 4.500 Motorräder des Typs „MT61“. Diese bemerkenswerte Konstruktion von Tronti gilt heute als Prototyp der klassischen „Enduro“.
Man hatte bei Bianchi bereits Erfahrungen im Moto-Cross-Sport gesammelt und mit einer Sportversion der MT61 nun eine hervorragende Waffe in der Hand. Im Gelände bewährten sich Artisten wie Emilio Ostorero, Piero Coscia, Carlo Caroli, Lanfranco Angelini, Giorgio Castelletta sowie Enzo Soletti und sorgten für eine Reihe von bemerkenswerten Erfolgen für Bianchi. 1960 holten sich Ostorero, Caroli und Castelletta noch einen glänzenden Dreifachsieg bei der italienischen Cross-Meisterschaft, aber dann musste das Budget bereits drastisch reduziert werden. Zwar wurden in den 60er-Jahren für die Straße noch die kleinvolumigen Modelle Falco, Gardena, Turchino und Orsetto sowie der Scooter „BI-BI 75“ hergestellt, doch damit konnte die hohe Schuldenlast nicht getilgt werden. Mit Montagearbeiten und Lizenzfertigungen, unter anderem für Puch und Motobecane, konnte sich das Unternehmen bis 1967 gerade noch über Wasser halten.
Vom Dreirad zum Auto
Etwas besser lief es auf dem Automobilmarkt, wo der Name Bianchi noch bis 1989, also insgesamt über 90 Jahre lang präsent war. Die ersten Bianchi-Automobile, es waren leichte Voiturettes mit Motoren von De Dion oder Aster, erschienen 1903. Wenig später produzierte Bianchi bereits eigene Motoren mit zwei und vier Zylindern. 1906 war das Volumen auf 350 Autos pro Jahr angestiegen. So wie beim Mitbewerb wurden Autos in diversen Leistungsklassen und in verschiedensten Aufbauvarianten angeboten, von offenen Zweisitzern über Landaulets bis zu geschlossenen Viertürern. Um 1910 kamen Lastwagen, Panzerfahrzeuge und Flugmotoren hinzu. 1906 warb man den begabten Konstrukteur Giuseppe Merosi von Fiat ab, der 1909 zu Alfa Romeo wechselte. Ihm verdankt Bianchi einige beachtliche Erfolge im Automobil-Motorsport, darunter Preise bei der Coppa d’Oro, der Coppa d’Imperatore, der Coppa Florio und auf dem Circuito di Verona. 1908 gewannen Bianchi-Rennwagen den Montagu Cup in Brooklands und das Semmering-Bergrennen in Österreich. Unter den Bianchi-Piloten jener Tage fällt der Name Alfieri Maserati auf. Zusammen mit seinen Brüdern Ernesto und Ettore gründete Maserati 1914 in Bologna eine eigene kleine Automobilmanufaktur, die in der Geschichte des Motorsports später noch eine gewichtige Rolle spielte.
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts warben noch wesentlich mehr Marken als heute um Kunden auf einem schier unüberschaubaren Automobilmarkt. Schon in den 20er-Jahren war Fiat in Turin zu einem mächtigen Imperium angewachsen. Zwar hatte Bianchi ebenfalls eine beachtliche Größe erreicht, man sah in der Automobilproduktion aber nur Chancen in der oberen Mittelklasse und im Luxus-Segment. Hier waren Lancia und Alfa Romeo direkte Konkurrenten. Bianchi lieferte Fahrgestelle, aber auch „schlüsselfertige“ Autos. In den frühen 1920er-Jahren standen die Modelle 12, 15 und 16 mit 1.692 ccm Vierzylindermotoren auf dem Programm sowie der Tipo 18 mit 1.953 ccm. Mit einem Tipo 18 Corsa gewann Meo Costantini die 2-Liter-Klasse in Monza. Weitere Klassensiege gab es 1923 am Circuito delle Marche und beim Corsa delle Torricelle in Verona (Mengoni) und beim Gran Premio del Turismo (Zanratti) sowie einen hervorragenden 2. Platz beim Klausenrennen in der Schweiz (Rubietti). 1924 begann Tazio Nuvolari seine Karriere im Automobil-Rennsport mit einem Bianchi am Circuito del Tigullio bei Rapallo. Er stellte sein großes Talent auch auf vier Rädern gleich mit einem Klassensieg und einem 1. Platz im Gesamtklassement unter Beweis. Im gleichen Jahr erschien der erfolgreiche Tipo 20, ein sehr zuverlässiges Modell mit 2,292 Liter Hubraum. Ein Auto dieses Typs gehörte auch zum Fuhrpark von Papst Pius XI. Mit einem speziell vorbereiteten Tipo 20 ging Tazio Nuvolari bei der ersten Mille Miglia an den Start und wurde 5. in seiner Klasse. Die 1.628 Kilometer lange Strecke von Breschia nach Rom und wieder zurück bewältigte er mit einem Schnitt von 70,178 km/h.
Dem 1925 vorgestellten 1,3 Liter Tipo S4 „Bianchina“ folgten 1928 der verbesserte Tipo S5 (1,3 und 1,5 Liter) sowie der Tipo V3-S7 mit 8 Zylindern und 2,729 Litern Hubraum. Der Börsenkrach am 24. Oktober 1929 und seine Auswirkungen auf die Weltwirtschaft in den 1930er-Jahren führten zum ersten großen Markensterben der Automobilgeschichte. Da Bianchi mit Fahrrädern, Motorrädern und Autos breit aufgestellt war, überlebte das Mailänder Unternehmen jene schwierigen Jahre.
Man konzentrierte sich weiter auf das obere Preissegment und erarbeitete sich den Ruf einer soliden Qualitätsmarke auf dem Automobilmarkt. Bianchi-Karosserien gewannen Preise bei Schönheitswettbewerben in Zürich, Viareggio und am Comer-See den Golden Cup beim Concorso di Eleganza Villa d’Este. 1932 wurde der Tipo S5 präsentiert. Es war das richtige Auto zur richtigen Zeit und sicherte Bianchi den Fortbestand der Automobilproduktion bis zum Zweiten Weltkrieg. Spezielle Versionen des Tipo S5 wurden in Bologna, Genua, Turin und erneut beim Concorso Villa d’Este ausgezeichnet. Die letzten echten Bianchi-Automobile waren der S9 (1934-1939) mit 1,5 Litern und der S6 (1939-1942) mit 2,177 Litern Hubraum. Ab 1934 gab es auch eine LKW-Produktion mit den Modellen „Miles“ und „Mediolanum Diesel“ (Lizenz Mercedes Benz). Nach dem Krieg hatten einspurige Fahrzeuge Vorrang gegenüber den zweispurigen in der zunächst noch sehr improvisierten Fertigung. 1952 erschienen wieder Bianchi-LKWs auf dem Markt, jedoch nur für vier Jahre. Es waren zunächst die Typen „Audax“, „Sforzesco“, „CM51“ und „CM54“ (4x4), gefolgt von den Modellen „Civis“ (1953) und „Visconteo“ (1954).
Die Fiat-Epoche
Eine Wiederaufnahme der Automobilproduktion nach 1945 war wohl geplant, allein es fehlten die Mittel. Als Ausweg bot sich ein Joint-Venture mit Pirelli und Fiat an. Die Kooperation mit dem neuen Markennamen „Autobianchi“ startete 1955 und das Ergebnis war das Modell “Bianchina“, welches ab 1958 in den Auslagen stand. Es handelte sich um eine Sonderkarosserie auf Basis des Fiat 500 Nuova mit 500 ccm Hubraum und einer Leistung von 15 PS (später 18 PS). Die Karosserien wurden bei Lancia geschweißt, die Montage erfolgte bei Fiat. Bianchi war nur mehr am Vertrieb beteiligt. Die Bianchina gab es als zweitürige Limousine, als Coupé mit Faltschiebedach, als Cabrio und als Kombi (Furgonetta und Panoramica). Preislich lag sie über dem Fiat 500 und erreichte daher bei weitem nicht die Stückzahlen des Schwesternmodells. Aber wegen der gelungenen Karosserie (Design Luigi Rapi), mit vielen Chromteilen und auf Wunsch auch in Zweifarblackierung, fand die Bianchina (Produktion bis 1969) doch relativ viele Abnehmer. 2014 schrieb Autobild: „Erfreuen Sie sich an der hübschen Trapez-Linie. Lächeln Sie, wenn Sie glückliche Menschen darin vorbeifahren sehen, meinetwegen streichen Sie sogar unbeobachtet mit den Fingerspitzen über eine der kecken Heckflossen. Aber lachen Sie nicht über dieses Auto. Es fällt zu leicht, ein Bianchina Cabriolet einfach nur putzig, süß oder ulkig zu finden. Vor 50 Jahren war es einfach das Schönste, Exklusivste und Teuerste, was ein Fiat 500 nur werden konnte. Und wo eine Lambretta das kleine Glück bedeutete, galt eine Bianchina als großer Luxus. Nur 9300 Stück wurden über drei nahezu identische Serien verteilt gebaut.“ Zur Beliebtheit der Bianchina trug auch eine Rolle in der Kriminalkomödie „The Pink Panther“ (Regie Blake Edwards 1963) bei. Als Gorilla verkleidet pilotierte Peter Sellers ein rosa Bianchina-Cabrio und verursachte am Ende eine Massenkarambolage. Schöne Bianchinas sind selten und daher heute – besonders das Cabrio – weit teurer als der Fiat 500.
1968 ging Autobianchi vollständig in den Alleinbesitz des Agnelli-Imperiums über. Die Bianchina-Baureihe wurde 1969 eingestellt. Fiat produzierte die Kombi-Version „Giardiniera“ des Fiat 500 von 1969–1977 als „Autobianchi Giardiniera“ weiter. Die englische Antwort auf den winzigen Fiat 500 Nuova war der „Mini“ (Markteinführung 1959). Das Konzept von Alec Issigonis mit Frontantrieb und quergestelltem Motor über der Vorderachse war der Fiat-Lösung überlegen und daher weit erfolgreicher. 1963 folgten dem Mini die technisch verwandten, aber etwas größeren Modelle der Reihe ADO16 (BMC 1100 und 1300). Sowohl in der Dimensionierung, als auch beim Antriebskonzept ging Fiat den englischen Weg und präsentierte 1964 das Modell „Autobianchi Primula“. Neben drei- und fünftürigen Versionen gab es auch ein von Carrozzeria Touring gestaltetes Fließheck-Coupé. Die Konstruktion von Dante Giacosa hatte noch eine Blattfeder an der Vorderachse, war aber bereits mit Scheibenbremsen an allen vier Rädern ausgestattet. Zunächst installierte man den 1,2 Liter-Vierzylindermotor des Fiat 1100D, welcher 1968 durch den neuen 124er-Motor mit gleichem Hubraum ersetzt wurde.
Die Primula wies Fiat den Weg zum zeitgemäßen Frontantrieb und diente als Basis für den Fiat 124, der 1966 erschien und 1967 zum Auto des Jahres gewählt wurde. Im Juni 1969 folgte ein optisch und technisch beinahe identischer, allerdings besser ausgestatteter und teurerer „Autobianchi A111“ nach. Das sehr sachlich und kantig gestaltete Auto leistete 70 PS und erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von 155 km/h. Außerhalb Italiens wurde der A111 über das Händlernetz von Citroën vertrieben. Nach nur drei Jahren und einem vergleichsweise zufriedenstellenden Volumen von 57.000 Exemplaren (gegenüber 75.000 verkauften Primulas in knapp sieben Jahren) wurde die Produktion des A111 beendet.
Giftzwerge aus Turin
Der wohl bekannteste und beliebteste Autobianchi war der kompakte, dreitürige Kleinwagen „A112“, welcher im Oktober 1969 in Turin vorgestellt wurde. Die einst dominierende englische Autoindustrie fiel in den 1970er-Jahren in eine schwere Krise. Wirtschaftliche Probleme und zahlreiche marktpolitische Fehlentscheidungen führten zu einem Ausverkauf, der nach der Jahrtausendwende nur mehr eine Hand voll unabhängiger Marken übrig ließ. Mit dem „A112“ unternahm Fiat zu einem idealen Zeitpunkt einen Frontalangriff auf den Mini. British Leyland war nicht imstande, den Mini sinnvoll weiterzuentwickeln. Im Design hatten die Italiener einfach die Nase vorne und so bewährte sich der kleine, frontgetriebene Autobianchi im stark zunehmenden Stadtverkehr und vor allem in der Benzinkrise 1973. Die beiden zur Wahl stehenden Motoren (903ccm/39 PS und 965 ccm/48 PS) waren robust und sparsam. Der A112 zeigte ein agiles Fahrverhalten und war durchaus auch für längere Reisen zu gebrauchen. Die Automobil Revue meldete in einem ersten Testbericht: „In seinem Äußeren besticht das Wägelchen durch eine kompakte Linie mit den mit Gummi bewaffneten Stoßstangen und dem sauberen Grill, im Inneren durch die gute Raumausnützung mit der ansprechenden Präsentation der großen, sehr übersichtlichen Armaturen. Das handliche Stadtgefährt, in dem nicht allzu groß gewachsene Personen ausgezeichnet sitzen, ist vorbildlich ausgearbeitet und bietet mit den groß dimensionierten Scheiben einen guten Rundblick.“
Selbst die gegenüber nichtdeutschen Fahrzeugen sehr kritische Auto, Motor und Sport stellte dem A112 ein gutes Zeugnis aus: „Schwierig ist es, dem Autobianchi schwerwiegende Mängel anzukreiden. Auch bei der zweiten Begegnung mit dem Wagen fiel auf der Mängelliste nicht viel mehr an, als kleine Klappereien der Hecktür, ein primitiver Scheibenwascher und die unexakte Schaltung. Zum Nachteil kann ihm ferner gereichen, dass er in Deutschland nicht durch Fiat, sondern über das relativ dünne Autobianchi-Netz vertrieben werden soll. Im übrigen ist der A112 so etwas wie ein Schulbeispiel für modernen Kleinwagenbau.“
Die beliebte Powerversion des Mini, der Mini Cooper lief 1971 aus. Im gleichen Jahr füllte Autobianchi diese Lücke mit dem Modell A112 „Abarth“, das mit 70 PS aus 1,049 ccm ordentlichen Fahrspaß garantierte. Optisch erschien der Abarth im rassigen Rallyelook mit mattschwarzer Motorhaube, Kotflügelverbreiterung, sportlichen Rundinstrumenten, Sportfelgen und Breitreifen. Im Trio der italienischen Giftzwerge (Innocenti Cooper, Innocenti De Tomaso) blieb der Autobianchi Abarth Bestseller. Auf Basis des A112 brachte der Turiner Mutterkonzern 1971 den Fiat 127 heraus, der in den Verkaufszahlen nur knapp an den A112 herankam, obwohl letzterer doch deutlich teurer war. Aus dem 1969 von Bertone präsentierten ultraflachen Show-Car „Autobianchi Runabout“ (Design Marcello Gandini) wurde übrigens der Fiat X1/9. 1977 unterstellte man Autobianchi der Regie Lancias und vermarktete den A112 außerhalb Italiens als „Lancia A112“.
In 17 Jahren sind insgesamt sieben Serien des A112 entstanden. Nach 1.254.381 Exemplaren wurde die Produktion im Dezember 1986 eingestellt. Der A112 war das letzte eigenständige Modell von Autobianchi.
Ein Jahr zuvor war auf dem Automobilsalon in Genf der „Y10“ präsentiert worden. Der elegante und in der Linienführung äußerst harmonisch gestaltete Kleinwagen mit mattschwarzer Heckklappe sollte den Autobianchi A112 ersetzen. Ausgestattet mit dem laufruhigen Fire-Motor (1,1 und 1,3 Liter) wurde das Auto (auf Basis des Fiat Panda) anfangs noch im ehemaligen Autobianchi-Werk in Desio gefertigt. In vielen Exportmärkten erschien der Y10 als „Lancia“, auf dem italienischen Markt war er gerade noch vier Jahre als „Autobianchi“ präsent.
Das Jahr 1989 markiert das Ende der Marke Autobianchi. Damit verschwand der Name Bianchi auch auf dem Automarkt für immer.
Was von Bianchi übrig blieb
Bis heute überlebt haben lediglich die Fahrräder. Nach dem Finanzdesaster der 1960er-Jahre ließ sich nur die Radsparte von Bianchi am Leben erhalten. Mit Unterstützung des Spezialfonds IMI (Istituto Mobiliare Italiano) konnte 1967 in Treviglio, östlich von Mailand in der Provinz Bergamo eine neue Fabrik errichtet werden. Das ist heute noch die Adresse der celestefarbenen Fahrräder. 1972 kaufte Commendatore Angelo Trapletti das kleine Werk und führte Bianchi durch magere Zeiten. Dennoch setzten Spitzensportler immer wieder auf die Qualität von Bianchi, darunter Eddy Merckx und Felice Gimondi. Während Merckx Anfang der 70er-Jahre auf Colnago umstieg, blieb Gimondi der Marke treu und errang 1973 nach Fausto Coppi den zweiten Weltmeistertitel für Bianchi.
1982 führte Bianchi BMX-Räder auf dem europäischen Markt ein und 1984 wurde das erste Mountainbike vorgestellt. Einen dritten WM-Sieg im Radsport gab es 1986 für Moreno Argentin und den bislang letzten 1992 für Gianni Bugno. 1987 übernahm Bianchi die Fahrradproduktion von Puch und 1991 gingen die Anlagen von Treviglio in den Besitz von Piaggio über. 1997 wurde Bianchi Teil des schwedischen Cycleurope-Konzerns, der zur Grimaldi-Gruppe mit Sitz in Stockholm gehört. Tony Grimaldi verhalf Celeste wieder zu neuer Strahlkraft. 1998 gewann Marco Pantani im Team Mercatone Uno-Bianchi nacheinander den Giro und die Tour de France. 2003 fuhr Jan Ullrich bei der Tour im Trikot des Bianchi-Teams. Nach einem spannenden Zweikampf gegen Lance Armstrong musste sich der Ostdeutsche schließlich geschlagen geben und belegte den 2. Platz. Nach wie vor sieht man Bianchi-Räder bei jedem großen Radsportevent. Jüngste Erfolgsmeldung war der 2. Platz von Primoz Roglic bei der Tour de France 2020. Mit zwölf Siegen beim Giro d’Italia, drei Siegen bei der Tour de France, sieben Paris-Roubaix-Erfolgen, vier Straßen-WM-Titeln, vier Bahn-WM-Titeln sowie acht Mountainbike-WM-Titeln hat sich Bianchi auch und ganz besonders in der Geschichte des Radsports ein Denkmal gesetzt.