Herbstpartie am Red Bull Ring – Ventilspiel 2021
Autor: Christian Sandler
Für den Kfz-Meister ist das Ventilspiel die Tatsache, dass sich Einlass- und Auslassventile während ihres Betriebes, abhängig von Temperatur und Werkstoff ausdehnen. Damit die Ventile in allen Betriebszuständen einwandfrei schließen können, ist zwischen den Übertragungsteilen ein Bewegungsspiel vorgesehen. Bei kaltem Motor ist das Spiel größer, als bei einem warmen …
Aber eigentlich interessiert uns das gar nicht so richtig. Der wahre Freund von historischen Rennwagen sieht beim Ventilspiel wunderbare Boliden, die sich einmal im Jahr am Red Bull Ring austoben. Diese Traditionsveranstaltung wurde heuer am Samstag, dem 9. Oktober bei herbstlichen Temperaturen auf Europas schönster Rennstrecke von der Ventilspiel GmbH durch Mastermind Roland David veranstaltet. Die Bandbreite der Teilnehmer sucht seinesgleichen. Vom 1000er Abarth über Formel-Fahrzeuge und Prototypen bis zum Procar M1 und AC Cobra bretterte alles über den steirischen Asphalt. Die Fahrzeuge waren in vier Gruppen eingeteilt. Pro Gruppe gab es je einen Trainingslauf und drei Wertungsläufe. Der Teilnehmer setzte sich in jedem der drei Wertungsläufe in Runde 4 seine Referenzzeit, die er in den folgenden Runden 5 bis 8 zu treffen versuchte, Abweichung: 1/1000 sec = 1 Punkt (Strafpunkt). Aber das ist den meisten ohnehin egal, dabei sein ist alles!
In der Gruppe 1 (Formelfahrzeuge, Sportwagen) tummelten sich 33 Boliden mit Rennhistorie. Klingende Hersteller wie March, Lotus, Reynard, Ralt oder Dallara waren hier zu finden, einer schöner, klangvoller und schneller als der andere. Einen ganz besonderen Formel 2 brachte Hermann Bosch an die Startlinie. Sein Brabham BT40 schrieb schon in den 70er-Jahren auf Europas Bergen Renngeschichte und ist zugleich das letzte von Brabham gebaute Formel-2-Modell. Unter anderem siegte damit Hans Ruedi Wittwer 1974 im tschechischen Sternberg und Kurt Rieder in Bad Mühllacken 1976. 1980 wurde der Wagen bei einem Crash zerstört und gammelte dann bis 2005 in einer deutschen Garage vor sich hin, ehe der jetzige Besitzer den Schrott ausgrub und ihn in jahrelanger akribischer Arbeit restaurierte. Eine Augenweide waren auch die beiden McLaren CanAm C6 MK1 von Wolfgang Lange und Ottmar Gast. Uwe Zepter restaurierte einen Palliser Formel 5000 (Bj. 1971), von dem nur zwei Stück gebaut wurden, um seine Jungfernfahrt hier zu bestreiten.
Ein imposantes Starterfeld von 55 Startern war in der Gruppe 2 (TW, GT, Prototypen) angetreten. Alfa, BMW, Porsche, Ford, Mercedes – Tourenwagen ohne Ende der 70er und 80er drifteten im Sekundentakt an dir vorbei und man war fast etwas überfordert, alle einzuordnen. Philipp Kennewell mit seinem wunderschönen und schnellen Schnitzer BMW Coupé 3.0 CSL matchte sich mit Marc Dürscheidt im March BMW M1 IMSA und Manfred Irger im Ford GT 40. Man konnte es kaum glauben, dass das alles Wirklichkeit ist und plötzlich tauchte die „Rote Sau“ wie eine Fata Morgana aus den steirischen Hügeln auf. Rote Sau? Nachdem sich Mercedes 1955 nach der Le Mans-Katastrophe aus dem Motorsport zurückzog, brachte die Firma AMG die Stuttgarter inoffiziell 1971 zurück auf die Rennstrecke. Heyer/Schicketanz belegten mit einem 300 SEL 6.8 beim 24-Stunden-Rennen in Spa den zweiten Platz. Was viele nicht wissen, inoffizielle Testfahrt war bei einem Rennen am Salzburgring 1971. Das Original existiert leider nicht mehr, aber Alexander Mehler brachte eine technisch und optisch perfekte Replik ins Murtal.
Jeweils 55 Starter waren in den Gruppen 3 (Klassiker bis 1973) und 4 (Klassiker ab 1973) zu finden. Die kleinen 1000er Abarth rauften sich mit Mini, Volvo, Triumph und Jaguar, Fiat oder Porsche 911. Martin Braun wuchtete seinen 59er Ford Galaxie gekonnt um die Ecken und Michaela Bruckner (Marcos 1600 GT) bildete mit Emiliano Treppo im Capri 2300 GT ein Tandem, das sich über alle drei Läufe zog. Ein unvergesslicher Anblick bei jeder Oldie-Veranstaltung ist Egmont Wimmeder mit seiner Gattin am Sozius im Jaguar E-Type. Der charismatische Oberösterreicher bleibt vielen mit seiner Mimik im Cockpit in Erinnerung.
Bevor diese Aufzählung als Roman ausartet, wenden wir uns einem besonderen Schmankerl zu. Arthur Bruckner, Inhaber der Oldieklinik in Salzburg, verfrachtete seinen Arrows A6/1 Formel-1-Rennwagen zu seinem allerersten Einsatz in die Steiermark. Der Wagen war ursprünglich ein Arrows A5/1 und in der Formel-1-Saison 1982 von Marc Surer und Mauro Baldi gefahren. Da mit Saisonende die „Wingcars“ und ihre dazugehörigen Schürzen verboten wurden und ab der Saison 1983 nur mehr ein glatter Unterboden zugelassen war, wurde der Bolide zum A6/1 umgebaut. Diesen Wagen pilotierte in der Saison 1983 unter anderem auch Alan Jones. Der jetzige Eigentümer kaufte das Auto 2016 in England und es wurde daraufhin in der Oldieklinik aufwändigst restauriert. Arthur und Michaela Bruckner verpassten dem Rennwagen das Design vom GP in Monza 1983 mit Marc Surer am Steuer. Leider hatte die Kupplung ihrerseits beschlossen, etwas zickig zu sein und bei diesem Treiben nur ein paar Runden mitzumachen.
Als Streckensprecher fungierte niemand geringerer als Österreichs Motorsportlexikon Nr. 1 – Alexander Trimmel. Wer die einzelnen Klassen in Sachen Gleichmäßigkeit gewonnen hat, findet man auf der Homepage des Veranstalters. Empfehlung des Autors: Termin als Teilnehmer oder Zuschauer unbedingt fürs nächste Jahr vormerken – Anfang Oktober 2022, wie immer samstags!