Wer Kapitän werden will …
Autor: Wolfgang M. Buchta
… muss irgendwann als Kadett beginnen.
Von der Nähmaschine zum Automobil
Die Geschichte der Marke Opel beginnt im Jahre 1862, als Adam Opel nach seiner Gesellenwanderschaft im heimatlichen Rüsselsheim mit der Fertigung von Nähmaschinen begann. Bald kamen zu den Nähmaschinen Weinverkorkmaschinen und der Vertrieb von französischen und englischen Nähmaschinen hinzu.
1895 (300 Arbeiter produzierten 18.000 Nähmaschinen) verstarb Adam Opel und seine Witwe Sophie führte mit den fünf Söhnen das Unternehmen – offensichtlich erfolgreich – weiter.
Bis 1911 entstanden bei Opel eine Million Nähmaschinen, aber der Markt war übersättigt und die Gewinnspannen gering. Nach dem großen Brand im selben Jahr wurde die Produktion eingestellt.
Zum Glück hatten die fünf „Buben“ bereits 1886 ihren Vater dazu überredet, mit der Produktion von Fahrrädern zu beginnen, und in den 1920er-Jahren war Opel der größte Fahrradhersteller der Welt sein.
Fahrräder gingen ja gerade noch, aber zum „neumodischen Automobil“ konnte Adam Opel nie überredet werden, aber bereits 1898 begann Sophie Opel mit dem Automobilbau nach dem „System Lutzmann“. 1902 wurde eine Lizenzvereinbarung mit Darracq geschlossen und im gleichen Jahr kam die erste Eigenkonstruktion heraus.
Rennerfolge, Motorpflüge, Motorräder oder der Opel „Doktorwagen“ sind nur ein paar Highlights aus dieser Epoche. 1912 fertigten 3.000 Arbeiter 30.000 Fahrräder und 3.000 Automobile. Opel war im Zeitalter der Motorisierung angekommen …
Die wilden 20er-Jahre
Im Ersten Weltkrieg war Opel ein wichtiger Lieferant von PKW und Nutzfahrzeugen für die Armee und war daher für die Nachkriegsproduktion gut aufgestellt. Mit dem 1919 präsentierten Opel 21/55 PS brachte Opel seinen ersten Sechszylinder auf den Markt.
Dank der Einführung des Fließbandes im Jahre 1924 – als erster Autohersteller in Deutschland – konnte der Opel 4 PS „Laubfrosch“ in rationeller Massenfertigung gebaut und preisgünstig angeboten werden. 1928 war die Adam Opel KG mit 42.771 hergestellten Automobilen größter deutscher Automobilhersteller.
Einzelstücke blieben hingegen die beiden Opel mit Raketenantrieb. Am 23. Mai 1928 erreichte Fritz von Opel mit dem Opel RAK 2 auf der AVUS eine Geschwindigkeit von 238 km/h.
Im gleichen Jahr hatte Opel in Deutschland einen Marktanteil von 44 % und war damit größter Fahrzeughersteller im Deutschen Reich, aber hinter den Kulissen standen gravierende Änderungen an.
Am 3. Dezember 1928 wurde Opel von einer Kommanditgesellschaft in eine Aktiengesellschaft mit 60 Millionen Reichsmark Grundkapital umgewandelt, und am 17. März 1929 verkauften die Brüder Wilhelm und Friedrich von Opel 80 % der Unternehmensanteile an General Motors. Bis 1931 sollte der Riese aus Detroit auch den Rest übernehmen.
Die Opel-Brüder hatten ihre Firma nicht nur im rechten Augenblick um viel Geld – umgerechnet 154 Millionen Reichsmark – verkauft, sondern sich auch ausbedungen, Mitglieder des Aufsichtsrates zu bleiben; Fritz von Opel leitete den Vorstand, und der Name Opel sollte bestehen bleiben und eine eigenständige Modellpolitik behalten.
Vom „richtigen Zeitpunkt“ konnte man wohl sprechen, denn mit dem 24. Oktober 1929, dem Schwarzen Donnerstag, begann die Weltwirtschaftskrise. 1930 erwirtschaftete Opel einen Verlust von rund 14 Millionen Reichsmark. Die Zahl der Mitarbeiter sank von 9.400 (im Jahre 1928) auf 5.892 (im Jahre 1931). Die Produktion halbierte sich von mehr als 40.000 Autos auf 20.928 Fahrzeuge im Jahre 1932.
Erfolgreich war lediglich der Export: Mit 77,6 % des gesamten deutschen Automobilexportes im Jahr 1931 war Opel „deutscher Exportweltmeister“. Die beiden Herzstücke des Programms waren der Opel 1,2 Liter (4 Zylinder, 22 PS) und der Opel 1,8 Liter (6 Zylinder, 32 PS), der am Ende seiner Produktion 1933 auch unter dem Namen „Regent“ bekannt wurde.
Opel unter General Motors
1933 übernahm die NSDAP in Deutschland die Macht, was für Opel kein Nachteil sein sollte – ganz im Gegenteil. Dank Autobahnbau und ihrer Begeisterung für den Automobilismus schafften die neuen Machthaber den idealen Boden für die „Volksmotorisierung“ und vom in den Jahren 1935–1937 gebauten Opel P4 verkauften sich in rund zwei Jahren mehr als 65.000 Stück, und die Reichswehr meldete den Bedarf für einen 3-to LKW in größerer Stückzahl an. In Brandenburg an der Havel entstand ein eigenes, hochmodernes Werk für die Produktion des Opel Blitz. Dass Schlüsselpositionen mit Nationalsozialisten besetzt und jüdische Mitarbeiter entlassen werden mussten, verbuchte man in Detroit wohl als Kollateralschaden.
1936 war die Reichshauptstadt Berlin der Austragungsort der Olympischen Spiele, und die nationalsozialistischen Machthaber waren bestrebt, daraus den maximalen (Propaganda-)Nutzen zu ziehen. Auf diese Chance konnte und wollte Opel auch nicht verzichten und präsentierte im Vorfeld des Großereignisses im Frühjahr 1935 ein neues Modell mit dem klingenden Namen „Olympia“.
Der Opel Olympia war das erste deutsche Auto mit selbsttragender Ganzstahlkarosserie – eine ganz neue Technologie, die Konzernmutter General Motors beigesteuert hatte. Mit seinem 1,3 Liter (ab Ende 1937 1,5 Liter) Vierzylinder war der Opel Olympia der direkte Nachfolger des nur ein Jahr lang gebauten Opel 1,3 Liter. Allerdings wog der Olympia dank seiner modernen Bauweise statt 970 kg nur 835 kg. Dies und die strömungsgünstige Karosserie sorgte gleichermaßen für deutlich bessere Fahrleistungen und geringeren Kraftstoffverbrauch. Mit einer Spitze von 112 km/h war der Olympia 1.5 „autobahntauglich“.
Bis zur Einstellung der (zivilen) Produktion im Oktober 1940 kam der Olympia auf die stolze Stückzahl von 168.875 Exemplaren.
In den folgenden Jahren bekam der Olympia zwei „große Brüder“ mit Sechszylindermotoren – den von 1937–1939 gebauten Opel Admiral (3,5 Liter/75 PS) und den von 1938–1940 gebauten Opel Kapitän (2,5 Liter/55 PS), welcher der Nachfolger des Opel Super 6 war.
Während Kapitän und Admiral für ihre Zeit konventionelle Automobile mit separatem Rahmen und einer darauf aufbauenden Karosserie waren, konnte der „technische Berater der Opel-Verkaufsleitung“ Heinrich Nordhoff (ab 1948 Generaldirektor des Volkswagenwerkes) im Dezember ein neues, kleines Modell modernster Bauart präsentieren ...
Meine Damen und Herren, der Opel Kadett!
Wikipedia weiß: „Kadett (von französisch cadet „Jüngster“), auch Kadettenschüler, ist eine Bezeichnung für einen Zögling einer militärischen Erziehungsanstalt zur Vorbereitung auf eine mögliche militärische Karriere, gegebenenfalls als Offizier.
In einer Modellreihe mit einem Kapitän und einem Admiral war es nur logisch, das Einsteigermodell Kadett zu nennen – und genau das war der Opel Kadett.
Im Februar 1935 wurde, wie bereits erwähnt, mit dem Opel Olympia der erste moderne Opel – selbsttragende Ganzstahlkarosserie und dank Fließbandfertigung zum Preis von 2.500 Reichsmark im Angebot – präsentiert. Der „Preis war heiß“, aber für die meisten „Volksgenossen“ waren auch 2.500 Reichsmark unerschwinglich. Ging es nicht vielleicht ein wenig kleiner, bescheidener und vor allem günstiger?
Im wesentlichen war der im Dezember 1936 vorgestellte Opel Kadett ein verkleinerter Olympia – 376 cm statt 405 cm Länge, 757 kg statt 835 kg Leergewicht, 1,1 Liter statt 1,3 Liter Hubraum, 23 PS statt 24 PS resp. 29 PS Motorleistung. Aber dafür ein Preis ab 1.795 Reichsmark, was dem politisch geplanten (aber nie realisierten) Preis von 1.000 Reichsmark für den KdF-Wagen schon nahe kam.
Am Beginn wurde der Opel Kadett als zwei- und viertürige Limousine resp. Cabriolimousine angeboten. Für den Antrieb sorgte ein 1,1 Liter- Vierzylinder mit 23 PS Leistung, der seine Kraft auf die Hinterräder abgab. Vordere Einzelradaufhängung und eine Starrachse hinten sorgten mit der von Opel beworbenen „Synchron-Federung“ (beide Achsen waren mit gleicher Eigenfrequenz gefedert, was auch immer das bedeuten mag) sorgten für eine für die Zeit durchaus zufriedenstellende Straßenlage. Komplett ausgestattet mit hydraulischen Bremsen, Instrumenten und Winker kam der Zweitürer auf 2.100 und der Viertürer auf 2.350 Reichsmark.
Ab 1938 konnte sich der preisbewusste Käufer auch für die zweitürige „Normal-Limousine“ mit der Typenbezeichnung KJ38 – ohne Ausstellfenster, Radkappen, Stoßstangen und Chrom und auch vorne mit Starrachse – zum Kampfpreis von 1.795 Reichsmark entscheiden. Die Käufer nahmen das Sparmodell zurückhaltend an und nur 17.841 Exemplare wurden davon gebaut.
Etwas teurer, aber populärer war der Kadett Spezial (Typ K38), der besser ausgestattet als der „Normal“ war und mit zwei oder vier Türen und als Cabriolimousine angeboten wurde. In seiner kurzen Produktionszeit war der Kadett Spezial mit 56.335 Exemplaren der meist verkaufte deutsche Kleinwagen.
In nur einem Exemplar wurde der Kadett Strolch – ein Cabrio auf Basis des KJ38 – gebaut. Dieser ist schon lange verloren, aber nach vorhandenen Photos und Unterlagen wurde 2009 ein Strolch rekonstruiert.
Bis zur kriegsbedingten Produktionseinstellung im Jahre 1940 war der Opel Kadett ein großer Erfolg, von dem 107.608 Exemplare verkauft wurden. Die politische Führung war davon nicht restlos begeistert, dass es einem amerikanischen Konzern gelang, einen „Volkswagen“ zu bauen, was dem KdF-Wagen-Projekt ja bis in die Nachkriegszeit verwehrt blieb.
Im Oktober 1940 war es mit der zivilen Produktion vorbei, und die wenigen Exemplare – ausschließlich Viertürer – gingen an die Wehrmacht. Gefragt waren jetzt der Opel Blitz, der wichtigste Lastwagen der Wehrmacht, Komponenten für Raketen, Torpedos und Flugzeuge (Junkers Ju 88 und Messerschmitt Me 262). Große Kapazitäten mussten auch für die Reparaturen von Militärfahrzeugen eingesetzt werden.
Im Sommer 1944 wurden die Werke Rüsselsheim und Brandenburg an der Havel bei Luftangriffen schwer beschädigt, was die Behauptung, dass die Werke von General Motors verschont worden wären, eher widerlegt. Bis Kriegsende produzierte Opel 1,1 Millionen Fahrzeuge, wofür General Motors 1951 22,4 Millionen Reichsmark an Dividende einforderte.
Neubeginn nach Kriegsende
1945 waren die Werke von Opel teilweise zerstört und teilweise in der sowjetischen Besatzungszone gelegen. Vorerst konzentrierte man sich auf die Reparatur von Vorkriegsmodellen. 1945 ging in die Unternehmensgeschichte als das Jahr ein, in dem kein einziges Opel-Fahrzeug produziert wurde. Am 15. Juli 1946 verließ ein Opel Blitz 1,5-Tonner als erster Nachkriegs-Opel das Werk.
1947 wurde in Rüsselsheim die Fertigung des Opel Olympia wieder aufgenommen und 1948 erweiterte der Opel Kapitän die Modellpalette. Und warum – so könnte man jetzt fragen – wurde der Kadett nicht wieder gebaut? Der kleine, preiswerte, aber moderne Wagen wäre doch für die karge Nachkriegszeit perfekt gewesen? Das LKW-Werk Brandenburg sowie die Fertigungsanlagen für die Kadett-Produktion gingen Mitte 1946 laut Beschluss der Siegermächte an die Sowjetunion und wurden Richtung Osten abtransportiert, wo daraus der Moskwitsch 400 wurde.
Der Nicht-Kleinwagen
War Opel vor dem Krieg der Platzhirsch in Deutschland gewesen – jetzt waren die Karten neu gemischt. Deutschland (und auch Österreich) war fest in der Hand von Volkswagen mit dem allgegenwärtigen Käfer, und dann kam irgendwann einmal Opel in der Verkaufstatistik. Mit den Modellen Olympia, Olympia Rekord, Rekord und Kapitän kam Opel gerade einmal auf einen Marktanteil von 21 % (1950) – Tendenz fallend. Eine Situation, die für die erfolgsverwöhnten Manager in Detroit völlig unbefriedigend war – ein Käfer-Killer musste her.
Ab Mitte der 1950er-Jahre beschloss man daher, in Rüsselsheim und Detroit den Käfer frontal anzugreifen, um die so populäre 1,1- bis 1,2-Liter-Klasse nicht zur Gänze Volkswagen überlassen zu müssen.
Da ein komplett neuer, zeitgemäßer Kleinwagen nicht kurzfristig verfügbar war, reduzierte man den Opel (Olympia) Rekord wo es nur ging – 1.196 ccm Hubraum statt 1.588 ccm, 40 PS statt 45 PS, weniger Chrom außen und weniger Luxus innen. Und statt eines Namens trug das neue Modell nur eine Nummer – Opel 1200, die gleiche Nummer die auch der VW 1200 trug. Zufälle gibt’s!
Damit sollte die Lücke bis zum Erscheinen des „echten Anti-VW“ geschlossen werden. Immerhin wurden von dem ausschließlich als Zweitürer angebotenen Wagen in 2 1/2 Jahren knapp 68.000 Stück verkauft.
Opel Kadett A
Unter dem Projektnamen „TL700“ nahm unter der Leitung der Herren Karl Stief (technischer Direktor), Werner K. Strobel (Technik) und Hans Mersheimer (Karosserie) der Kadett A Gestalt an.
Der (neue) Kadett war eine klassische, kleine Limousine mit einer Länge von knapp unter vier Metern (392 cm), der „alles“ anders machte, als der Konkurrent aus Wolfsburg: wassergekühlter 1,0-Liter-Motor, vorne keine eigenen Kotflügel und keine Stromlinienform der 1930er-Jahre, geräumiges Interieur und ein eigener, geräumiger Kofferraum, mit 670 kg deutlich leichter, als der Käfer und dank moderner Technik sparsamer im Verbrauch.
Unter größter Geheimhaltung erfolgte die Entwicklung, für die kein Aufwand gescheut wurde – inklusive der Bau einer eigenen, nagelneuen Fabrik. In Bochum, einer Stadt im Ruhrgebiet, die unter der Steinkohlenkrise besonders zu leiden hatte, erwarb Opel ein 1,5 km2 großes Grundstück einer ehemaligen Zeche und errichtete binnen zwei Jahren eine Fabrik. Dies war die größte Baustelle Europas und mit 1,1 Milliarden DM die bis dahin größte Investition in eine privatwirtschaftliche Fabrik in Deutschland.
Der Motor war ein moderner Kurzhuber mit seitlicher Nockenwelle, dreifach gelagerter Kurbelwelle und hängenden Ventilen. Ob seiner Drehfreudigkeit und seines ruhigen Laufs be-kam er bald den Spitznamen „Nähmaschin-chen“. Die 40 PS reichten für eine Spitze von 120 km/h und eine Beschleunigung auf 100 km/h in 28 Sekunden. Heute lächeln wir vielleicht über diese Fahrleistungen, aber dem Käfer-Fahrer des Jahres 1962 kamen bei der Konkurrenz eher die Tränen.
Der Kadett konnte eigentlich alles besser, als der Käfer, und der Preis wurde werbewirksam um DM 100,- niedriger als beim Käfer angesetzt. Lediglich der Rostschutz ließ zu wünschen übrig – was heute den Kadett A zu einer Rarität macht –, aber das konnten die Käufer des Jahres 1962 ja nicht wissen.
Am 20. August 1962 wurde der Kadett A, der das „A“ natürlich erst mit der Präsentation des Nachfolgers verliehen bekam, der Presse vorgestellt und war wenige Tage später in allen Zeitungen und in aller Munde.
Opel begleitete die Präsentation mit der bis dahin aufwendigsten Werbekampagne. Jeder Händler und jede Werkstätte musste sich – natürlich mit Werksunterstützung – daran beteiligen. Einschaltungen in regionalen und überregionalen Zeitungen, in Branchenmagazinen, Werbekarten, Flyer, Direktmailing, Vorführwagen mit auffälligen Aufschriften, … aber auch ungewöhnliche Maßnahmen:
– Arbeiter bekamen vielfach noch ihren Wochenlohn in bar und in der Lohntüte, in Lohntüten mit Opel-Werbung bedruckt
– 10 Kadett wurden mit Stoffplakaten „Haben Sie IHN schon gefahren?“ versehen. Kostenpunkt: DM 400,-
– Studenten mit „alten Kraxen“ (heute gesuchte Oldtimer) bekamen DM 30,- im Monat dafür, das sie einen Aufkleber „… und morgen im Kadett“ applizierten
– Irgendjemand erfand den Werbespruch „Opel Kadett – kurz gesagt OK“
– und, und, und …
Der Lohn all dieser Mühen konnte sich sehen lassen. Zwar konnte Opel den Käfer nicht überholen, aber man rückte dem Klassenprimus erfreulich (resp. je nach Blickwinkel gefährlich) nahe und der Opel Kadett A wurde zur unumstrittenen Nummer zwei der Zulassungsstatistik.
Die Serienproduktion begann am 10. Oktober 1962. Und dann konnte Opel folgende Meilensteine vermelden:
– 14.162 Stück bis Jahresende 1962
– 50.000 Stück im März 1963
– 100.000 Stück im Juni 1963
– 500.000 Stück bis Jänner 1965
– 659.512 bis Produktionsende im Juli 1965
Ab Sommer 1963 mussten die 12.800 Arbeiter im Werk Bochum die wöchentliche Arbeitszeit von 42,5 auf 44,0 Stunden verlängern, um die Nachfrage zu befriedigen.
Anfänglich gab es den Kadett ausschließlich als zweitürige Limousine (auf einen Viertürer warteten die Kunden vergeblich). Am Genfer Salon im März 1963 kamen der Kadett L (mit Luxus wie zusätzlichem Chrom, Teppichboden, Uhr und ein verschließbares Handschuhfach) und der Caravan genannte Kombi dazu. Auch die Kombis anderer Baureihen von Opel hießen Caravan, ein Name der am Anfang als typisches amerikanisches Wortspiel „CarAVan“ – Car and Van – geschrieben wurde. Eine Lieferwagenversion mit Blech statt Seitenscheiben gab es nur in Skandinavien und diese sind heute der „Heilige Gral“ für Kadett-Sammler.
Noch „heiliger“ sind nur die Cabrios, die Frua, Ghia und der Karosseriebauer Welsch als Einzelstücke resp. in kleinster Stückzahl (um)bauten.
Zur IAA im September 1963 kam mit dem Coupé die letzte noch fehlende Karosserieform, die für einen höheren Preis weniger Platz und eine luxuriösere Ausstattung bot und eine Spitze von 133 km/h, die dank einer auf 48 PS gesteigerten Motorleistung erreicht wurde. Ab Oktober 1963 konnte man den stärkeren Motor für alle Modelle bestellen.
Die Modellpflege hielt sich in der rund dreijährigen Bauzeit in Grenzen. Einen Kadett A exakt zu datieren – hier eine Chromleiste mehr oder weniger, eine spezielle Lackierung oder Innenausstattung – ist eine Sache für die hartgesottenen Markenspezialisten.
Im Motorsport spielte der Kadett A – zumindest offiziell – keine Rolle, denn bei Konzernmutter General Motors war Motorsport tabu. Und das galt – mehr oder weniger streng – auch für die europäischen Töchter. Es waren daher ausschließlich Privatfahrer, die den Grundstein für die motorsportliche Karriere des Kadett legten.
Opel Kadett B
Auf der IAA im September 1965 zeigte Opel den Nachfolger des Kadett A, der – Erraten! – Kadett B hieß, und er war die logische Weiterentwicklung des Erfolgstyps.
Konzept, Fahrwerk und Motor wurden vom Kadett A übernommen, allerdings war die Karosserie etwas gewachsen – 10 cm breiter, 19 cm länger und 9 cm größerer Radstand – und hatte einen modischen „Hüftschwung“. Das trug man eben Mitte der 1960er-Jahre.
Und der Kadett B hatte eine breit gefächerte Palette von Karosserien. Neben dem Zweitürer war die Limousine auch mit vier Türen lieferbar, ein elegantes Coupé mit „fake“ Entlüftungsschlitzen in der C-Säule, das sogenannte „Kiemencoupé“, und ein dreitüriger Caravan vulgo Kombi.
Das „Nähmaschinchen“ wurde auf 1,1 Liter Hubraum vergrößert und leistete in der Basisversion jetzt 45 PS – ausreichend um den immer noch leichtgewichtigen Wagen (ab 745 kg) auf die zumindest gleichen Fahrleistungen zu bringen, wie seinen Vorgänger. Optional wurde der Kadett S (55 PS und serienmäßige Scheibenbremsen) und ab November 1966 der Rallye-Kadett mit 60 PS angeboten.
1968 bekam die Modellpalette vier weitere Karosserieformen – also insgesamt acht: Die Schrägheck-Limousine Kadett LS – eine für die Zeit recht ungewöhnliche Form – gab’s als Zwei- und Viertürer, der Caravan hatte jetzt wahlweise zwei oder vier Türen resp. nach der Zählweise der Marketingexperten drei oder fünf. Dazu kam als achter im Bunde das Kadett LS Coupé. Ein von Karmann gebautes Cabrio blieb ein Einzelstück.
Von technischer Seite rüstete Opel auch massiv auf. Der 1,1-Liter-Basismotor hatte jetzt 55 PS (und ab 1971 1,2 Liter Hubraum und 60 PS) und konnte mit einer 3-Gang-Automatik kombiniert werden. Nach oben schien es kein Limit zu geben: Kadett 1700 S (ab November 1969) und Rallye-Kadett LS 1900 (ab Dezember 1970). Der auf dem Rekord entnommene 1,9-Liter-Motor leistete 90 PS, was für das Fahrwerk des Kadett A sicherlich zuviel gewesen wäre, aber zum Glück wurde auch das Fahrwerk 1968 aufgewertet. Die Vorderachse bekam einen Drehstab-Stabilisator und die alte Hinterachse eine aufwendige Konstruktion mit Längslenker, Panhardstab und Schraubenfedern. Zweikreisbremsen mit servounterstützten Scheibenbremsen vorne waren mittlerweile serienmäßig.
1970 ging langsam aber sicher der Lebenszyklus des Kadett B zu Ende, und einerseits wurde die Modellpalette schrittweise reduziert, und es waren nicht mehr alle Motoren in allen Karosserien erhältlich, andererseits wurde versucht, das Interesse der Kunden durch allerlei Sondermodelle – Kadett Sport, Kadett Festival, Kadett Holiday, Kadett Grand Prix, Kadett XE, … – aufrecht zu erhalten.
Und aus dem Kadett war ein ernsthaftes Sportgerät geworden, das bei Rallyes, auf der Rundstrecke und am Berg beachtliche Erfolge erzielen konnte. Laut einem Artikel in Auto Bild Klassik aus dem Jahre 2012 soll der Kadett B im Jahr 1968 in Händen von Privatfahrern bei 238 Veranstaltungen 222 Klassensiege, 345 Gold- und 287 Silbermedaillen errungen haben. General Motors hatte mittlerweile die „No Sports“-Politik gelockert und ließ den europäischen Töchtern weitgehend freie Hand.
Opel Kadett C
Bereits 1970 – als der Kadett B noch in voller Blüte stand – initiierte General Motors das „Projekt 1865“, das sich zum „T-Car“ entwickeln sollte und in unseren Breiten als Kadett C bekannt ist. Der Kadett C ist heute vielleicht der bekannteste und typischste Kadett, obwohl er mit einer Stückzahl von rund 1,6 Millionen (das sei bereits jetzt verraten), seinem älteren Bruder nicht das Wasser reichen konnte.
Der Kadett C hatte ein konventionelles Layout – Motor vorne, Antrieb hinten, Starrachse, Stufenheck, … – was vielleicht die Ursache der vergleichsweise geringen Stückzahl war, denn der liebe Mitbewerb – Golf und Co – drängte bald mit einem moderneren Konzept – quer eingebauter Motor, Frontantrieb und Heckklappe – auf den Markt.
Der ab August 1973 gebaute Kadett C bot bis zur Produktionseinstellung im Juli 1979 eine bemerkenswerte Fülle an Varianten. Die Limousine war der einzige Kadett C, den es wahlweise mit zwei oder vier Türen gab. Der Kombi hieß nach wie vor Caravan und es gab ihn nur als Zweitürer. Das schicke Coupé – natürlich zweitürig – war in der Spitzenversion GT/E mit einem 115-PS-Motor mit 2,0 Liter Hubraum ausgestattet und bis zu 190 km/h schnell. In den 1970er-Jahren war das für einen Wagen der unteren Mittelklasse eine Ansage.
Interessant und einmalig für den Kadett C sind die Modelle Aero und City.
Der Aero geht auf eine Idee von Erich Bitter zurück, der Mitte der 1970er-Jahre dem teuren und exklusiven Bitter CD ein kleineres Modell zur Seite stellen wollte – natürlich auf Opel-Basis. Bitter ließ auf eigene Kosten bei Baur einen Prototypen bauen, der mit Recaro-Sitzen, weißem Leder, Verbreiterungen von Irmscher, breiten Felgen von Ronal und einer dunkelblauen Lackierung sehr gediegen ausgeführt war. Bei einem Treffen im Opel-Stylingzentrum parkte Bitter den Wagen direkt vor dem Haupteingang und erregte einiges an Aufsehen.
Die „hohen Herren“ waren begeistert – VW hatte mit dem Käfer Cabrio schließlich auch ein Cabrio im Programm, aber in den Details (Welche Motorisierung? Ist der Preis von rund DM 15.000,- nicht zu hoch? Was sagt Amerika dazu? Am Auto muss Opel, nicht Bitter stehen!) begannen die Probleme. Schließlich übernahm Opel das Projekt und Erich Bitter sollte für jeden Wagen eine Lizenzgebühr bekommen. Nach nur 1.341 Exemplaren war leider Schluss und der Opel Kadett Aero gehört heute zu den gesuchtesten Kadett C überhaupt.
Noch rarer sind die letzten zehn Exemplare, die Bitter erwarb und nach seinen (ursprünglichen) Vorstellungen – Leder-Interieur, Kotflügelverbreiterung, … – umbauen ließ. Er wettete, dass er diese zum Stückpreis von DM 30.000,- binnen einer Woche verkaufen würde. Bitter hat die Wette verloren – es dauerte zwei Wochen, bis die Kleinserie ausverkauft war.
Der Opel Kadett City war ein Versuch, der Fronttriebs-Heckklappen-Brigade etwas entgegenzusetzen. Wie seine Brüder hatte der City Frontmotor und Heckantrieb, war allerdings um 23 cm kürzer und verfügte über eine große Heckklappe. Sah (fast) aus wie Golf und Co, aber fuhr sich wie ein konventioneller Hecktriebler – das mag man oder das mag man nicht. Damals mochten es die meisten Käufer offenbar nicht.
Im Laufe der Jahre werkten im Kadett C 10 verschiedene Motoren – vom 1,0 Liter mit 40 PS (im Kadett 1.0 N) bis zum 2,0 Liter mit 115 PS (im Kadett GT/E), wobei natürlich nicht alle Motoren in allen Karosserievarianten verfügbar waren. Unzählige Ausstattungsvarianten und Sondermodelle ließen die Variationen ins Unermessliche steigen und erfreuen die Sammler bis heute.
Berühmt und erfolgreich war der Kadett GT/E im Rallyesport, wo er im Herbst 1975 bei der San Remo Rallye sein Debüt hatte – mit 205 PS Leistung! Trotz des 300 PS starken Lancia Stratos und technischer Probleme konnte sich Walter Röhrl mit dem GT/E auf den vierten Platz vorarbeiten, bis ein Defekt an der Kardanwelle das Abenteuer vorzeitig beendete. Der Rest des Jahres 1975 verlief nach dem gleichen Muster.
Bei der Monte 1976 konnten Röhrl/Berger einen ehrenvollen vierten Platz erringen, der Rest der Saison verlief eher mau. 1978, dem letzten Jahr des Kadett GT/E in der Rallye-WM verlief ebenfalls bescheiden und Walter Röhrl wechselte „ang’fressen“ zu Fiat. Bemerkenswerterweise taten die bescheidenen Resultate in der Rallye-WM der Popularität des GT/E keinen Abbruch. Bei den Jungen und Jungebliebenen der späten 1970er-Jahre war ein weiß-gelber GT/E das Auto, das man haben musste. Und daran hat sich eigentlich bis heute nichts geändert …
Im Juli 1979 kam für den Kadett C nach respektablen, wenn auch nicht rekordverdächtigen 1.701.076 Stück aller Baureihen das Aus, denn der Nachfolger scharrte bereits in den Startlöchern.
Opel Kadett D
Der von August 1979 bis Juli 1984 gebaute Opel Kadett E war Opels später Einstieg in die Golf-Klasse, wobei mit dem Wort „Golf-Klasse“ bereits alles gesagt wird: Der Kadett E war in seinen fünf Produktionsjahren kommerziell sehr erfolgreich, ohne den Branchen-Primus je gefährden zu können.
Der Kadett D wurde in vier Karosserievarianten angeboten – Schrägheck, Kombi und Lieferwagen. Interessant war, dass die Schrägheckmodelle mit zwei verschiedenen Heckklappenvarianten erhältlich waren: Standard war eine kleine Kofferraumklappe. Gegen Aufpreis gab es eine Heckklappe, die an der Dachkante angeschlagen war und eine größere Heckscheibe besaß. Die große Heckklappe verkaufte sich wesentlich besser als die kleine, die auch mit dem Modelljahr 1982 aus dem Programm verschwand.
Der Kombi, wie gewohnt als Caravan bezeichnet, war als Drei- oder Fünftürer erhältlich. Der Lieferwagen (drei Türen, keine hinteren Seitenfenster) wurde nur im letzten Produktionsjahr angeboten.
Die meisten verbauten Motoren waren eine Neuentwicklung, der mit dem Motor des Kadett C nichts zu tun hatte. In Summe waren neun Benziner-Versionen zwischen 40 und 115 PS Leistung und ein Diesel mit 54 PS erhältlich.
Für Enthusiasten waren und sind bis heute der Kadett SR – 1,3 Liter mit 75 PS oder 1,6 Liter mit 75 PS, Recaro-Sitze, Zusatzinstrumente, Kotflügelverbreiterung, Fronspoiler und Leichtmetallfelgen – und für ernsthaft sportliche Fahrer der Kadett GTE – beim Kadett E nicht mehr als GT/E geschrieben – von besonderem Interesse. Ein für die Zeit bemerkenswertes Extra des Kadett GTE war ein Bordcomputer zum Preis von DM 500,-, der den aktuellen Verbrauch und Durchschnittsverbrauch, die Durchschnittsgeschwindigkeit und Reichweite sowie die Außentemperatur anzeigte.
Zwischen August 1979 und Juli 1984, also in exakt fünf Jahren, wurden stolze 2.056.711 Kadett D gebaut. Die häufigste Variante war die Schräghecklimousine mit großer Heckklappe. Die meisten davon wurden am traditionellen Standort Bochum gefertigt, aber die beginnende Globalisierung bescherte uns auch den Kadett D aus Azambuja (Portugal) und Antwerpen (Belgien). Vom gleichen Band stammte auch der „englische Kadett“, der Vauxhall Astra.
Ein Cabrio von Kadett D gab es ab Werk nicht, aber von der Firma Bieber in Borken, in der Nähe von Münster, wurden rund 260 Zweitürer „aufgeschnitten“. Der Umbau kam Mitte der 1980er-Jahre auf rund DM 3.500,-.
Opel Kadett E
Der von August 1984 bis Mai 1993 war natürlich wieder ein Fronttriebler mit Hecklappe (von dem es auch den Kombi und die Stufenhecklimousine gab). Der letzte Kadett (aber das wusste man natürlich noch nicht) sollte gleich zwei Rekorde aufstellen – mit neun Jahren Bauzeit war er der am längsten gebaute und mit 3.779.289 Exemplaren der erfolgreichste. Beim Verkaufsstart im August 1984 gab es die drei- oder fünftürigen Schrägheckversionen sowie den ebenfalls drei- oder fünftürigen Caravan. Auf der IAA kam die Stufenheckvariante dazu, für die das Opel-Marketing die Bezeichnung „Formheck“ erfand.
Von Januar 1986 bis August 1993 wurde auf Basis des Kadett E der Kastenwagen Opel Combo gebaut, der im wesentlichen ein Caravan mit höherer Dachlinie, längerem Radstand, hinteren Blattfedern und zweiflügeliger Hecktür war.
Und ab Mai 1987 gab es – endlich möchte man sagen – ein serienmäßiges Kadett Cabrio von Opel. Das Design stammte von Nuccio Bertone und produziert wurde auch bei Bertone in Grugliasco. Dies war der Beginn einer langen – 18 Jahre – und fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen Opel und Bertone, wo auch zwei Generationen von Astra-Cabrios gebaut wurden.
Anfangs hatte der Kadett E die gleichen Motoren wie sein Vorgänger. Ab Mai 1985 mussten alle Motore wegen der Einführung das Katalysators abgelöst werden.
Neben dem „Schönen“ (dem Cabrio) gab es auch wieder einen „Schnellen“ im Programm. Der „Schnelle“ hieß jetzt GSi (Grand Sport injection – ein Schelm der hier an GTI denkt) war anfangs ausschließlich als Schrägheck und ab 1987 auch als Cabrio erhältlich, das heißt, es gab jetzt sogar einen „schönen Schnellen“ im Programm. Während der Bauzeit wurde der GSi mit wechselnden Motoren von 1,8 und 2,0 Liter Hubraum und Motorleistungen zwischen 100 und 129 PS gebaut.
Im Sommer 1991 wurde die Produktion des Opel Kadett eingestellt und dieser durch den Opel Astra ersetzt.
War damit das Ende des Opel Kadett gekommen? Fast, aber nicht ganz: Kadett Cabrio und Combo wurden noch bis Sommer 1993 weiter gebaut. Und die wahren Kadett-Enthusiasten weisen dezent darauf hin, dass nach dem Kadett E der Astra F gekommen ist. Also wirklich alles neu?