Penske Camaro Nr. 1
Autor: Christian Sandler
Eine Ikone des Automobilsports begann als Penske Werks-Rennwagen in den USA ihre Karriere,...
... wurde nachher unter anderem von Dr. Helmut Marko und Franz Albert gefahren, landete dann in einer gräflichen Garage in Niederösterreich, wo sie schlussendlich von einem Amerikaner aufgestöbert wurde, um sie nach Amerika zurück zu bringen und dort zu restaurieren.
Aber der Reihe nach Wir blicken zurück in das Jahr 1967, jenes Jahr, in dem eine zierliche Engländerin barfuß in Wien beim Eurovision Song-Contest die Welt in der Wiener Stadthalle mit ihrem Puppenlied verzauberte. Für die amerikanische Motorsportsaison 1967 arbeitete Roger Penske mit Chevrolet zusammen, um seinen neuen Camaro für die Trans Am-Serie, mit Starfahrer Mark Donohue am Steuer, einzusetzen. Ein spezieller Camaro mit der Bezeichnung Z/28 wurde für die Homologation der Tourenwagen entwickelt, insgesamt wurden 602 Exemplare dieses Renners gebaut. Alle mit dem erforderlichen 5-Liter-Motor, Codename DZ-302. Vince Piggins, bekannt als der Vater des Camaro, bestand darauf, dass die ersten 25 Z/28 vom Fließband extra an Rennfahrer und Rennteams verkauft wurden. Am 29. Dezember 1966, dem ersten Produktionstag, wurde der vierzehnte Z/28 für Roger Penske produziert. Dieses Auto mit der Chassisnummer 7N163378 war der erste von sechs Penske Camaros, die zwischen 1967 und 1969 von Penske eingesetzt wurden. Am 31. De zember überstellte George Wintersteen, ein Freund Penskes, auf eigener Achse in einem heftigen Wintersturm, trotz ausgefallener Heizung die besagte Nr. 1 in Penskes Firmenzentrale nach Newtown Square/Pennsylvania.
Innerhalb eines Monats wurde der Camaro Z/28 dort in einen Rennwagen umgewandelt und trat in Daytona beim 300-Meilen-Trans Am-Rennen und den 24 Stunden von Daytona an, in der berühmten Sunoco-Lackierung blau/gelb. Der Camaro konnte aufgrund von Problemen mit der Kraftstoffzufuhr keine der beiden Veranstaltungen beenden. Penskes Starfahrer Mark Donohue belegte beim nächsten Rennen in Sebring beim „400 Trans Am“ einen 2. Platz und den 4. Platz in Green Valley bei einem 4-Stunden-Rennen. In Mid-Ohio wurde George Follmer Dritter, da Donohue in Le Mans bei den 24 Stunden antrat. Für das nächste Rennen im Bryar Motorsport Park lieferte Chevrolet an Penske leichtere Karosserieteile, die es Penske ermöglichten, das Gewicht des Autos legal zu reduzieren. Durch einen Unfall im Qualifying war daher kein Start im Rennen möglich. Beim nächsten Rennen in Marlboro gewann Mark Donohue mit seinem Partner Craig Fisher das 6-Stunden-Rennen überlegen. Dieser wichtige Sieg war der erste für einen Camaro, zugleich der erste für Chevrolet in der Trans Am-Serie und der erste von vielen für das „Penske Sunoco Team“. Es folgte ein 8. Platz beim Continental Divide in Colorado. Nach dieser Veranstaltung wurde ein neuer und verbesserter Camaro (Penske Nr. 2) für Mark Donohue eingesetzt. Mit dem Chassis aus unserer Geschichte gab es in dieser Saison noch einen Ausfall durch Bob Johnson in Las Vegas und einen 4. Platz, mit Craig Fisher am Steuer, in Kent zu verzeichnen. Donohue belegte Rang drei in der Trans Am-Meisterschaft des Jahres 1967. Am Ende der Saison wurde der Wagen als Penske-Werkswagen ausgemustert, da für die Saison 1968 und 1969 schon wieder die nächste Ausbaustufe eingeplant war.
Nun fand der Renner den Weg nach Europa durch den Deutschen Peter Reinhardt, Mechaniker in Diensten Penskes in der Trans Am- und Can Am-Serie. Sunoco (Sun Oil Company International), der Hauptsponsor Penskes wollte in Europa Fuß fassen und so verkaufte man den Camaro an Reinhardt. Für Reinhardt eine spannende Sache, Penske übernahm die Frachtspesen, das Auto wurde vom „Autohaus Rolf Götz“ betreut und von Sunoco finanziell unterstützt. Einziger Haken, wenn Reinhardt von Penske gebraucht wurde, musste er natürlich in die USA zurück. Die Ergebnisse in Europa waren sensa tionell für das amerikanische Dickschiff. Er fuhr wie mit dem „heißen Messer durch die Butter“ und gewann gleich die ersten fünf Rennen. Zandvoort, zweimal Hockenheim, Mainz-Finthen und Nürburgring. Beim Schauinsland Bergrennen kam er nicht ins Ziel, aber zwei Wochen später in Ulm-Laupheim stand Reinhardt erneut ganz oben am Treppchen.
Albert verlieh den Boliden 1973 an den Schweizer Rennfahrer Urs Zondler. Der Deal war, dass Albert den Wagen vorbereitete und an der Strecke betreute und Zondler das Ganze bezahlte. Beim Flugplatzrennen in Aspern am 1. April trat der Schweizer erstmals an, leider streikte der Big Banger. Ob nachher der 7,5 Liter wieder eingebaut wurde, ist nicht überliefert. Am 22. April wurde der Tourenwagen-EM-Lauf am Salzburgring wegen Neuschnee abgesagt und auf den 20. Mai verlegt. Es war dies die Zeit, die im TW-Sport durch die legendären Duelle der BMW Coupés gegen die Ford Capris geprägt war – München gegen Köln. Zondler und Albert wollten sich bei diesem 4-Stunden-Lauf das Cockpit teilen, konnten aber im Rennen wegen Motorprobleme nicht antreten. Es folgten in Mainz-Finthen beim Rossfeld Bergpreis zwei weitere Ausfälle für Zondler. Weiters ein Sieg in Hockenheim, ein elfter Platz in der Klasse beim Schauinsland Bergrennen und nochmal in Hockenheim ein zweiter Platz. Aber Zondler liebäugelte schon mit BMW-Schnitzer und deren mächtigen Coupés für die Saison 1974 und gab den Camaro wieder an Albert retour.
In den Saisonen 1974 und 1975 trat Albert insgesamt nur bei drei Rennen (Aspern und zweimal Salzburgring) mit dem Camaro an, wobei er sich zwei Siege holte. Alberts Hauptinteresse lag nun in der Leistungssteigerung der BMW Turbos und deren Einsätze. Er verkaufte Ende 1975, jenes Jahr in dem Lauda seinen ersten WM-Titel einfuhr, den mittlerweile schon in die Jahre gekommenen Camaro an den deutschen Rennfahrer Klaus Pfannschmidt, der in den Jahren 1976–1978 etwa 30 Rennen (laut Wagenpass) bestritt. Hauptsächlich nationale Bergrennen in Deutschland, Ergebnisse konnten nicht ausgeforscht werden.
Als nächster Besitzer trat ein Herr Wolfgang Schrauf aus Wien auf, der das Auto von 1978–1981 besaß. Ob er damit auch Rennen fuhr, ist nicht überliefert. Tatsache ist, dass der Name Schrauf mit dem Camaro bei sieben Bergrennen in der ehemaligen CSSR (Havirov, Sternberk)und in Österreich (Dobratsch, Alpl) im Programmheft stand, aber nie in den Ergebnislisten.
1982 kaufte Michael Kruschik, ein Rennfahrer, der schon gegen Größen wie Rindt oder Lauda Rennen fuhr, den Boliden um ihn beim Alpl Bergrennen einzusetzen. Leider konnte er wegen technischer Probleme beim zweiten Durchgang nicht mehr antreten und so steht beim allerletzten Rennen dieses geschichtsträchtigen Rennwagens ein DNF in den Büchern. Kruschik schmiedete Pläne mit seinem Spezi Gerrit Raath, den Wagen für eine Straßenzulassung umzubauen. Da das ambitionierte Projekt scheiterte, wurde der Wagen inklusive Ersatzmotoren Mitte der 1980er-Jahre an Ernst Harrach im zerlegten Zustand verkauft.
Familie Harrach, Vater Ernst und Sohn Beppo, ist eine bekannte und erfolgreiche Rallye-Dynastie mit vielen nationalen und internationalen Erfolgen. Der Renner wurde im zerlegten Zustand, mit unzähligen Ersatzteilen und Reservemotoren im Schloss Prugg, in Bruck an der Leitha dem gräflichen Familienbesitz eingelagert. Ernst Harrach verlor mit der Zeit auch das Interesse an dieser „Baustelle“ und so blieb der Penske Camaro Nr. 1 noch etliche Jahre in der herrschaftlichen Remise vergessen.
Etwa um diese Zeit verlagerte sich die Geschichte dieses Rennwagens in die USA. Jack Boxstrom, ein amerikanischer Sammler und Rennfahrer war 1985 der Meinung, den Penske Camaro Nr. 1 entdeckt zu haben und ließ ihn auch als solchen restaurieren. Er fuhr damit in den Staaten einige historische Rennen, wie Laguna Seca oder Sears Point. Die Amerikaner waren begeistert, ist doch Donohue in den Staaten in Sachen Motorsport ein Nationalheiliger, Indy-Sieger und Beherrscher des Porsche 917/30. Ein Vergleich: Wir in Österreich wären auch entzückt, würde im Histo-Cup jemand mit Jochens Simca oder Nikis Mini antreten.
Nach zwei weiteren Besitzwechsel kaufte Pat Ryan, damals wohnhaft in Alabama, 1989 den Camaro. Wayne Guinn, ein amerikanischer Autor von Motorsport-Sachbüchern mit Schwerpunkt Muscle Cars, tauchte Ende 1990 in Ryans Firma auf, um für ein Buchprojekt über die TransAm den Wagen zu fotografieren. Ihm kamen Zweifel auf, ob es sich dabei wirklich um Penskes Nr. 1 handelte. In mühseliger Kleinarbeit haben die beiden zwölf Merkmale (Hinterachse, Armaturenbrett, Auspuffanlage usw.) gefunden, dass Ryan der Besitzer vom Penske Camaro Nr. 2 ist und nicht wie gedacht vom Penske Camaro Nr. 1. Das war in dieser Situation für Ryan gar nicht super, aber auch keine Tragödie, denn Donohue hat mit der Nr. 2 auch einige Siege eingefahren.
Aber wo ist die Nummer eins? Nun begann eine 25 Jahre lang anhaltende Suche mit vielen Fragezeichen und Hindernissen, die Pat Ryan irgendwann einmal als Mission bezeichnete. Die erste Spur führte nach Chicago zu einem Autofriedhof; viele Camaros, aber der Richtige war nicht dabei. Also wandte sich Ryan an die ehemaligen Penske-Mitarbeiter Woody Woodard und Leroy Gane, die sich erinnerten, dass der Wagen an den ehemaligen Penske-Mitarbeiter Peter Reinhardt verkauft wurde. Der zweite Besitzer Reinhardt war nicht aufzufinden, McNamara ist nach dem Tod seiner „Bonnie“ von der Bildfläche verschwunden, Franz Albert lebt auch nicht mehr, ebenso Klaus Pfannschmidt und über Wolfgang Schrauf konnte er gar nichts finden.
Bei der Bildersuche im Web waren vor allem zwei sichtbare Merkmale zu beachten. Der Camaro hatte sogenannte Schwenkfenster (auch Ausstellfenster genannt) in der Türe, gleich hinter der A-Säule und spezielle Clips als Halterung für die Windschutzscheibe. Ryan war bald klar, dass er, wenn er in den Foren des unendlichen Webs herumstöberte, sich hauptsächlich mit der deutschen Sprache herumschlagen musste, obwohl er diese Sprache nicht verstand. Doch im Jahre 2015 stieß er zufällig auf einen Eintrag, wo angeblich ein österreichischer Rallyefahrer einen Renn-Camaro mit Bezug zur USA auf einem Schrottplatz gekauft hat. Nun ging es Schlag auf Schlag. Nach einigen Tagen und unzähligen Telefonaten landete er schließlich bei Ernst Harrach, der ihm bestätigte, den ehemaligen Albert Camaro von Michael Kruschik, nicht auf einem Schrottplatz, gekauft zu haben. Harrach lebt hauptsächlich in Spanien und war zu diesem Zeitpunkt zufällig in Österreich, also musste es schnell gehen. Pat Ryan und der Chevrolet-Historiker Jon Mello buchten sofort einen Flug via New York und Amsterdam nach Wien. Mit im Gepäck hatten sie sogar Schleifpapier und Stahlwolle, um die Fahrgestellnummer frei zu legen. Auf den Bildern davon, die Harrach im Vorfeld übermittelte, konnte man eben die letzten beiden, wichtigen, Ziffern nicht erkennen. Als die beiden Amerikaner, in Begleitung von Ernst Harrach und seinem ehemaligen Beifahrer Franz Mikes, die Reste des Camaros inspizierten, war natürlich das Freischleifen der geheimnisvollen Zahlenkombination die erste Aktion. Dabei kam, wie erhofft, die Nummer „7N163378“ zum Vorschein; Ryan hat nach 25 Jahren des Suchens tatsächlich den ersten von sechs Penske-Camaros in Österreich gefunden. Mehr als 30 Jahre schlummerte der Rennwagen im Dornröschenschlaf in den Gemäuern eines Jahrhunderte alten Anwesens in Bruck an der Leitha. Über den Preis war man sich schnell einig. Die beiden Amerikaner blieben eine Woche vor Ort, um den Teilehaufen, der auf drei (?) Garagen aufgeteilt war, rund um den Camaro ordentlich zu katalogisieren und für den Transport nach Übersee vorzubereiten. Sogar die speziellen Halterungen der Windschutzscheibe haben sie gefunden, es war auch noch der originale Überrollkäfig vorhanden.
Zurück in den Staaten unterzog man den Wagen einer aufwendigen und teuren Restauration von über drei Jahren, um ihn in den Zustand von 1967 zurück zu versetzen. 2020 zum weltberühmten „Amelia Island Concours d’Elegance“ hatte der Wagen dann seinen ersten großen Auftritt. Zu Ehren Roger Penskes parkte man fünf, von den sechs je gebauten Penske Camaros schön in Reih’ und Glied auf den heiligen Rasen des Ritz-Carlton Spa in der Nähe von Jacksonville im Norden Floridas. Einer fehlte, der wurde 1985 bei einem Erdbeben in Mexico City zerstört.
Die Ausdauer von Pat Ryan hat sich gelohnt. Wer schon immer ein außergewöhnliches Fahrzeug besitzen wollte und so etwa eineinhalb Millionen auf der Seite hat, der sollte rasch nach Amerika fliegen.