Zusammengestellt

Autor: Hannes Denzel


Krammer MAG 1000ioe Sport Baujahr 1927/28

Was waren das für Zeiten, als man – um Individualität bemühter Biker – sich nicht ein Motorrad „von der Stange“ vom Tuner aufpimpen ließ, sondern lieber zur Werkstatt um die Ecke ging, um sich dort von Grund auf eins aufbauen zu lassen, eigene Wünsche einbringen aber auch vom  Know How des Meisters profitieren konnte – und das zu einem zwar nicht günstigen, aber immerhin sich im Rahmen haltenden Preis?

Die „Werkstatt um die Ecke“ von der hier die Rede ist, lag in der Marchettigasse im sechsten Wiener Bezirk, der Meister hieß Rudolf Krammer. In seinen „Mechanischen Werkstätten“ wurde nicht nur repariert, sondern er war auch ein profunder Rahmenschmied, der Muffen, Naben, ganze Gabeln etc. selbst  anfertigte. Einen Namen hatte er sich gemacht, als er in den frühen 20er Jahren die steirischen Persch Hilfsmotoren zu kompletten Fahrzeugen vervollständigte.  1925 begann er, kleine Villiers Zweitakt-Motoren „zusammenzustellen“ (Krammers persönliche Definition seines Tuns), sie in Inseraten anzubieten und in kleiner Serie auch zu verkaufen. 1927 sah er seine Berufung eher darin, individuelle Sportmotorräder zu kreieren. Als Aggregate  verwendete er keine Japs, wie die meisten seiner Mitbewerber, sondern ausschließlich ohv Motoren von MAG und British Anzani, meist mit einem halben Liter Hubraum. Erwin Tragatsch, der von Krammer behauptet, „man habe den Eindruck, der Motorradbau sei für ihn eine Liebhaberei und weniger ein kommerzielles Unternehmen gewesen“, weiß auch von Exemplaren mit dem 1000ccm schweren V2 British Anzani „Vulpine“ Vierventilmotor, wogegen man bei Rudolf Santner nur über die 500er lesen kann - und „dass nach 1929 keine Krammer Inserate mehr in den zeitgenössischen Medien zu finden sind,  es aber bekannt sei, dass weiter auf Kundenwünsche Einzelstücke angefertigt wurden“.

Zu der Zeit, als Santner an seinem Buch gearbeitet hatte, stand unser Fotomodell noch unerreichbar und unbekannt hinter der eisernen Mauer im ehemaligen Ostdeutschland. Leider ist über die Vorgeschichte weiter nichts erhalten, außer dass sie erst nach dem Mauerfall aufgefunden und dort restauriert wurde (wohl nur mit dem Wissen über die „Marke“ Krammer, das auf dem vermutlich verblichenen Text auf dem Tank fundierte – aus Marchettigasse wurde so die Merchettigasse, und die Hausnummer 9 wurde als 6 rekonstruiert). Aus dem Osten kam sie (leider erst nach Veröffentlichung des vom Autor dieses Artikels zusammengestellten Buchs über „Motorradraritäten aus Österreich, erschienen im Verlag Brüder Hollinek,  www.hollinek.at) in die Sammlung des Rennsportmuseum am Hockenheimring, wo sie motorisch überholt und straßentauglich gemacht wurde. Recherchen ergaben, dass der MAG 2C9 CS Motor aus dem Jahr 1927 stammt. Von Santner wissen wir, dass Krammer 1928 eine Geschäftsbeziehung mit MAG eingegangen ist, das Baujahr kann daher mit 1927/28 angegeben werden.

Nachdem diese derzeit einzige bekannte Krammer ihre öffentliche Jungfernfahrt bei der 2015er FranzJosefsFahrt in Bad Ischl erfolgreich absolviert hatte, wanderte sie als Leihgabe ins Motorradmuseum Vorchdorf (www.motorradmuseum-vorchdorf.at) Vorher durften wir sie noch schnell ins rechte (Herbst)licht rücken ...

… und uns an der harmonischen Linienführung erfreuen, und daran, dass ein derartiger Spätzwanziger Straßensportler - der wie eine Vorschau auf die 30er Jahre wirkt – in Österreich gebaut wurde! Entgegen den Beschreibungen Santners und auch Tragatschs wird die in kräftiges „Rosso“ gewandete Edel- Maschine nicht von einem ohv Motor getrieben, sondern von einem wechselgesteuerten MAG. „Inlet over Exhaust“ bedeutet das Kürzel „ioe“, das zum Markenzeichen der Sportmotoren der „Société en commandite H.& A. Dufaux & Co.“ (die später den Namen ihrer berühmten Motortasche, zu „Motosacoche Acacias Genéve“ übernahmen). Im Auftrag von Royal Enfield hatten die Genfer diesen ioe Motor entwickelt, der anfangs – 1912 – 350ccm Hubraum, aber bereits die gegabelte Zylinderanordnung aufwies. In den frühen 20er Jahren war der Hubraum auf einen Liter (exakt 996ccm bei 20 PS Leistung) gewachsen, und wurde nicht nur in eigenen Fabrikaten, sondern weiter auch an Royal Enfield und zusätzlich an Matchless geliefert. Ob ein Sinn dahintersteckt, dass alle diese Motorräder in Khaki bzw in Grün ausgeliefert wurden? Die deutsche Standard allerdings, auch mit dem MAG Sportmotor bestückt, war rot – so wie unsere Krammer …


 

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