Zdenek Pilát und sein Lidovka

Autor: Libor Kiss


Der Lidovka war der Vorläufer aller tschechoslowakischen Kleinwagen der Nachkriegszeit.

Unterstützt durch Tomáš Hušek, den jetzigen Besitzer des Autos, hat Libor Kiss versucht, die Geschichte des Lidovka zu rekonstruieren.

Zdeněk Pilát wurde 1910 geboren Seine freie Zeit verbrachte er gerne in den Garagen der Brauerei Protivín und dort blickte er durch die Zäune aufs Gelände der Walter-Flugmotorenfabrik. Während seines Militärdienstes begann er, sich erstmals als Konstrukteur zu betätigen. Nach seinem Abschluss an der Militärfliegerschule arbeitete er an der Entwicklung von Flugzeugtriebwerken. Auch den Avia Ba-33 Doppeldecker des Luftakrobaten Ján Ambruš modifizierte er so, dass dieser damit noch kunstvollere Akrobatik betreiben konnte und auch Flüge in Rückenlage möglich waren.

Bei Jawa entwarf er unter Ing. F. Janeček einen Sportflugzeugmotor mit Untersetzungsgetriebe, der im Vergleich zu anderen tschechischen und ausländischen Sportmotoren fast die doppelte Leistung entwickelte.

Im Alter von nur 24 Jahren wurde er Chefingenieur der Prager Jawa-Fabrik. Dort arbeitete er später am Prototyp des Jawa Minor, eine der ersten Autokonstruktionen, welche das Transaxle-System verwendete. Auch an der Entwicklung des Tatraplan in Kopřivnice war er als Leiter des Konstruktionsbüros für Personenkraftwagen beteiligt. Beim ÚAMK (dem tschechischen Automobilklub) reichte er Pläne für ein Kleinwagenkonzept mit Unterflurmotor ein. Der Prototyp sollte im ČZ-Werk in Strakonice hergestellt werden, das Projekt wurde aber nie realisiert. Tatra setzte aber sein neues, zum Patent angemeldetes Konzept mit einem Motor hinten über der Antriebsachse später beim Tatra 613 ein.

Pilát arbeitete auch in anderen Ingenieurbereichen, wie seine Tätigkeit in der Prager Luftfahrtabteilung belegt. Beim Maschinenhersteller ČKD in Sokolovo beauftragte er den Bau des damals leistungsstärksten luftgekühlten Panzermotors der Welt mit einer Leistung von 736 kW (knapp 1000 PS). Sogar ein Patent für den Bau eines großkalibrigen Maschinengewehrs geht auf seinen Namen.

Volksauto bauen – Der Lidovka

Die Kriterien, nach welchen Pilát das Volksauto plante, waren konstruktive Einfachheit, Effizienz, minimales Gewicht und billige Produktion. Die Arbeiten begannen zu Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939 in den Abendstunden, an Sonn- und Feiertagen. Das Fahrzeug musste ja während der deutschen Besatzung gebaut werden. Dieses Tun grenzte an Illegalität, war kompliziert und oft durch fehlendes Material behindert. Einige Teile wurden von anderen tschechischen Autos übernommen und modifiziert, andere wurden selbst hergestellt. All dies wäre ohne die beträchtliche Unterstützung und Hilfe von Freunden, die an der Erstellung des Prototyps beteiligt waren, nicht möglich gewesen. Pilát entschädigte sie aus Geldmangel meist mit Zigaretten.

Auch die Antriebseinheit war ein Problem. Zdeněk Pilát beabsichtigte ursprünglich, einen Motor vom Jawa Minor zu verwenden. Es gelang ihm, einen Motor über Ing. Rudolf Vykoukal, einem Ingenieur bei Jawa, zu beschaffen. Aber der Motor war zu groß für sein Auto. Als Jan Anderle Pilát anvertraute, ein avantgardistisches Fahrzeug, den Dálnik, bauen zu wollen, tauschte er den Motor mit Anderle zur beiderseitigen Zufriedenheit aus. Es handelte sich um ein Zweizylinder-DKW-Aggregat mit 500 ccm Hubraum, einem Dynastarter und Luftkühlung. 1943 wurde ein Prototyp ohne Karosserie fertiggestellt. Pilát beendete es nach dem Krieg mit Unterstützung von Tatra, er konstruierte das Fahrzeug als Zweisitzer, mit einer dritten Sitzoption als Notsitz.

Das Endergebnis jedenfalls war ein sehr schönes und vielversprechendes Volksauto, an dem namhafte Fabriken wie Aero, Walter, Jawa, Zbrojovka Brno, ČKD Libeň, Praga, Škoda und auch Tatra Interesse zeigten. Auch der Schuh- und Reifenkonzern Baťa Zlín war interessiert. An der Demonstrationsfahrt nahm auch Eliška Junková teil (außerhalb der Tschechoslowakei als Elisabeth Junek bekannt), die Leiterin der Reifenabteilung von Baťa war. Tipsy, eine anglo-belgische Flugzeugfirma, bekundete ebenfalls Interesse und Pilát verhandelte sogar mit Sodomka, dem renommierten tschechischen Karosseriebauer über die Möglichkeit einer Serienproduktion.

1948, auf der Ausstellung von Kleinstwagen in Prag, erreichte der Lidovka bei einer Publikumsbewertung den zweiten Platz. Zdeněk Pilát erhielt eine lobende Erwähnung vom Autoclub der Tschechoslowakischen Republik und eine Geldprämie in Höhe von 6.000 CZK, aber eine Produktion sollte nie beginnen. Die meisten tschechischen Fabriken waren verstaatlicht worden, eine neue Wirtschaft entstand. Man hatte ganz andere Prioritäten: Zu dieser Zeit war Autobesitz aufgrund von Rohstoff- und Kraftstoffmangel ein Privileg. Der Lidovka war, genau wie andere Prototypen der späten 1940er-Jahre hinter dem Eisernen Vorhang, zwar vielversprechend, wurde aber nie Realität.

Pilát arbeitete weiter an einem „Transaxle“-System. 30 Jahre später sollte das Konzept von Porsche in Produktion genommen werden.

Danksagung

Ganz besonderer Dank geht an Herrn Hušek für die Bereitstellung des Foto-/Archivmaterials und des Textes über die Geschichte von Zdeněk Pilát und Lidovka. Mehr über dieses und andere tschechoslowakische Kleinwagen der Nachkriegszeit erfahren Sie in den Ausgaben des Magazins „Rare and Unique Vehicles“.


 

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