Junkers Ju52 feiert als Neuflugzeug Comeback
Autor: Jürgen Schelling
Die legendäre Junkers Ju52 feiert als Neuauflage ein Comeback. Modernisiert und für 14 Passagiere
Auf der Luftfahrtmesse AERO im deutschen Friedrichshafen elektrisierte Ende April diese Ankündigung alle Luftfahrtfans: Die legendäre Junkers Ju52 aus den 1930er-Jahren wird als Neuflugzeug wieder gebaut. Konzipiert in der Schweiz entsteht die Dreimotorige als Passagierflugzeug neu.
Wie aber kommt ein Unternehmen dazu, eine derart herausfordernde Aufgabe anzugehen? Hersteller der Ju52 New Generation ist die schweizerische Junkers Flugzeugwerke AG aus Widnau am Bodensee. Und hier kommt deren Chef als Motor hinter dem Projekt ins Spiel. Der deutsche Unternehmer und Luftfahrtenthusiast Dieter Morszeck war bis 2017 CEO und Eigentümer der Rimowa-Kofferwerke in Köln. Er bewundert die Lebensleistung des einstigen Konstrukteurs Hugo Junkers und fliegt als Pilot die Nachbauten dieser Flugzeuge mit Begeisterung selbst. Sein Luftfahrt-Unternehmen hat bereits einige Erfahrung mit Neubauten von ehemaligen Junkers-Klassikern. So entsteht der Nachbau der sechssitzigen Junkers F13 von 1919 neu in einer Kleinserie für Enthusiasten. Außerdem die zweisitzige Junior, ein Ultraleichtflugzeug als Replikat der Junkers Junior A50 von 1929. Alle Maschinen eint die Wellblechbauweise aus Duraluminium, die charakteristisch für Junkers-Flugzeuge ist. Die Metallstruktur von F13 und A50 entsteht beim Flugzeugbauer Kaelin Aero Technologies im süddeutschen Oberndorf. Endmontage und Auslieferung einer Ju52 neu könnten womöglich am Junkers-Firmensitz auf dem schweizerischen Bodensee-Flughafen St. Gallen-Altenrhein stattfinden. Noch gibt es aber keine Informationen, wo die neue Ju52 gebaut werden soll.
Dass ein neu aufgelegtes Retro-Passagierflugzeug nur dann eine Chance am Markt hat, wenn es zu konkurrenzfähigen Kosten betrieben werden kann, ist dem Junkers Team klar. Daher sind bei der Neuauflage natürlich auch keine wartungsintensiven und durstigen Sternmotoren mehr vorgesehen. Stattdessen wird die künftige Ju52 mit fabrikneuen V12-Triebwerken des deutschen Flugmotorenbauers Red Aircraft fliegen. Diese im rheinland-pfälzischen Adenau produzierten Dieselmotoren mit 550 PS brauchen deutlich weniger Treibstoff als die betagten Sternmotoren und können anders als diese das an allen Flughäfen verfügbare Kerosin verwenden. Lediglich 77 Liter benötigt jeder der Motoren in der Stunde. Dieser Typ A03 mit über sechs Litern Hubraum und zwei Turboladern ist bereits seit einigen Jahren in Europa sowie den USA luftfahrtzertifiziert und treibt mehrere unterschiedliche Propellermaschinen weltweit an.
Es gab auch schon in den 1930er-Jahren zwei Ju52 der damaligen Luft Hansa, die mit Diesel-Reihentriebwerken des Typs Jumo anstelle von Sternmotoren ausgerüstet waren. Erste Modelle der Ju52 New Generation deuten darauf hin, dass sie dieser Version ähneln wird.
Die Junkers Flugzeugwerke AG will und muss den Retro-Flieger natürlich auch im Cockpit auf den technologischen Stand des 21. Jahrhunderts bringen, wenn er eine Chance am Markt haben soll. So ist erstmals in der Geschichte des Klassikers ein Autopilot des US-Herstellers Garmin eingebaut, der die beiden Piloten bei der Arbeit entlastet. Außerdem soll die Ju52 New Generation durch die leichteren Motoren und andere Gewichtseinsparungen fast zwei Tonnen weniger wiegen als das 10,5 Tonnen schwere Original. Das spart Kosten und macht die Zulassung einfacher.
Nachdem in Deutschland das Aus für den Flugbetrieb der legendären Ju52 D-AQUI der Lufthansa Berlin Stiftung vor mehr als zwei Jahren kam, ist in Europa keine „Tante Ju“ mehr für Passagierflugbetrieb vorhanden. Denn auch die Schweizer Ju-Air verfügt nach dem tragischen Absturz einer ihrer Ju52 im August 2018 mit 20 Todesopfern in den Alpen über keine Maschine dieses Typs mehr. Grund für den Absturz waren nach einer Untersuchung der schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle SUST zwar eindeutig Pilotenfehler. Es stellte sich aber nach der Untersuchung des Wracks auch heraus, dass die Ju52 an unerkannter Korrosion litt und die betagten BMW-Motoren unfachmännisch repariert wurden. Diese Faktoren spielten allerdings für den Absturz keine Rolle.
Die Ju52 New Generation wird als Airliner von zwei Berufspiloten geflogen. An Bord soll es laut Junkers-Flugzeugwerke-Chef Dieter Morszeck nur noch 14 anstelle der früheren 17 Passagierplätze geben. Das komme der Beinfreiheit zugute. Jeder Fluggast habe wie im Original einen Fensterplatz. Die Maschine soll nach der möglichen Zulassung, die wohl nicht vor 2025/26 zu erwarten ist, auf den Markt kommen. Sie wird über die europäische Agentur für Flugsicherheit EASA zertifiziert.
Geplant ist, mehrere Exemplare in einer Kleinserie zu produzieren. Selbst über eine Frachtversion oder eine kombinierte Passagier/Frachtvariante wird nachgedacht. Die Dreimotorige soll für mögliche Betreiber interessant sein, die Nostalgieflüge mit dem wieder aufgelegten Klassiker anbieten wollen. Wie beim einstigen Original möglichst tief und mit 180 km/h relativ langsam zugunsten einer guten Sicht für die Passagiere. Dies aber mit hochmodernen Sicherheitsstandards und den technischen Möglichkeiten eines nagelneuen Flugzeugs anstelle eines fast 90 Jahre alten Oldtimers.
Dass eine Nachfrage dafür vorhanden ist, steht außer Frage. Die legendäre Ju52 der Lufthansa Berlin Stiftung „D-AQUI“ beförderte in 32 Jahren mehr als eine Viertelmillion Passagiere von den verschiedensten deutschen Flugplätzen aus. Die Schweizer Ju-Air aus Dübendorf nahe Zürich hatte von 1982–2018, dem Zeitpunkt des Absturzes einer ihrer Maschinen, zeitweise gleich drei Ju52 bei Rundflügen in der Luft. Die Begeisterung vieler Luftfahrt-Fans, in wenigen Jahren wieder eine Ju52 am Himmel zu sehen oder womöglich mitfliegen zu können, dürfte riesig sein.