Flug-Action überm Stanserhorn
Autor: Jürgen Schelling
Wer diese Oldtimerflugzeuge sehen wollte, musste per Seilbahn hoch hinaus. Denn Europas höchstgelegene Flugschau fand unter Beteiligung der Salzburger Flying Bulls auf dem Schweizer Stanserhorn statt.
Auf der einen Seite ragen majestätische Alpengipfel in den tiefblauen Himmel. Gegenüber glitzert tief unten idyllisch der Vierwaldstättersee. Das Allerbeste für Flugzeugfans hier Anfang Juli auf dem Stanserhorn inmitten der Zentralschweiz: Über, seitlich und sogar unterhalb des Alpengipfels fliegen wunderschöne Oldtimer vorbei.
Das Ganze nennt sich Air-Parade. Es bietet ungewohnte Perspektiven. Denn hier auf 1900 Meter Höhe fliegen die Maschinen auf Augenhöhe mit den Zuschauern an der Aussichtsterrasse vorbei. Manche Piloten rauschen unterhalb der Besucher durch. Wann sonst blickt man jemals bei einer Flugschau von oben auf vorbeifliegende Flugzeuge. Kunstflugmanöver sind keine zu sehen. Lediglich Vorbeiflüge sind erlaubt. Denn nur dadurch gibt es eine Erlaubnis für die Veranstaltung vom schweizerischen Bundesamt für Zivilluftfahrt, dem Pendant zur Austro Control.
Mehrere hundert Flugzeugfans auf dem Gipfel erleben so eine bunte Parade im Sechs-Minuten-Takt. Den Auftakt bildet der Doppeldecker Gipsy Moth vom britischen Hersteller DeHavilland. Er ist selbst unter Oldtimern der Methusalem. Denn mit Baujahr 1931 ist er das älteste Flugzeug. Entsprechend benötigt die Moth – übersetzt Motte – einige Zeit, um auf 2000 Meter Höhe für die Vorführung zu klettern. Schließlich leistet der betagte Reihenmotor des offenen Zweisitzers gerade mal 85 PS.
Äußerst agil hingegen kommt eine Bücker Jungmann angeflogen. Der einst in Rangsdorf bei Berlin in den 1930er-Jahren produzierte Zweisitzer ist eines der beliebtesten Oldtimerflugzeuge in der Schweiz. Die Bücker wäre zwar prädestiniert für Kunstflug, bei der Air Parade belässt es der Pilot aber mit flotten Vorbeiflügen. Allerdings verbindet er diese publikumswirksam mit spektakulären Auf- und Abschwüngen.
Ein weiteres Flugzeug sieht aus wie ein Klassiker, ist aber gerade mal zwei Jahre alt. So brummt als Premiere der Nachbau einer im schweizerischen Altenrhein gebauten Junkers F13 übers Stanserhorn. Das Original ist eine frühe Legende der Aviatik. Die Junkers F13 war in den 1920er-Jahren das erste Verkehrsflugzeug aus Ganzmetall mit der charakteristischen Junkers Wellblech-Außenhaut. Mehr als 300 Exemplare wurden zwischen 1919 und Anfang der 1930er-Jahre von Luftfahrtpionier Hugo Junkers in Dessau gebaut. Über die Vorführung der F13 freuen sich drei Besucher auf dem Alpengipfel ganz besonders. Denn der Enkel von Konstrukteur Hugo Junkers, Bernd Junkers, nimmt mit Frau und Tochter Charlotte, die auch Pilotin ist, am Event teil.
Aus eidgenössischer Produktion stammt die Pilatus P-2. Quasi als Heimspiel schaut die Crew dieses Schulflugzeugs vorbei. Die schnittige P-2 hatte im April 1945 ihren Erstflug. Mehr als 30 Jahre lang flogen die Tandemsitzer in der Schweizer Luftwaffe. Kinobesucher kennen sie auch aus einer Actionszene der „Indiana-Jones“-Filmreihe.
Ein Towerlotse des nahen Flugplatzes Buochs koordiniert die Anflüge zudem über Funk. Denn eigens für die Air-Parade wird eine sogenannte „Danger Area“ bis zu einer Höhe von 8.000 Fuß – etwa 2.440 Meter – um den Flugplatz Buochs an diesem Samstag temporär aktiviert, um die Air-Parade-Teilnehmer von anderem Luftverkehr abzuschirmen.
Neben Flugzeugen macht auch ein Helikopter-Oldie den Zuschauern seine Aufwartung: Eine Bell 47, wegen der großen Glaskuppel auch spöttisch Goldfischglas genannt, kommt gemütlich bis zum Gipfel des Stanserhorn angeknattert. Dieses Modell, gebaut von 1948–1976, ist mit etwa 5.000 verkauften Exemplaren einer der erfolgreichsten Hubschrauber aller Zeiten.
Ein Fieseler Storch in Bemalung der Schweizer Luftwaffe, in der einst mehrere Maschinen dieses Typs dienten, wirkt beim Vorbeiflug merkwürdig geschrumpft. Des Rätsels Lösung: Es ist ein Nachbau im Zweidrittel-Maßstab, ein Slepcev Storch. Die Besucher freuen sich natürlich trotzdem, denn das Replikat fliegt ähnlich langsam wie sein Vorbild und wirkt damit originalgetreu.
Das nächste Flugzeug fällt bei seiner Premiere auf der Air-Parade durch seine außergewöhnliche Lackierung auf. Grelles Pink kombiniert mit kräftigem Gelb sorgt für Farbenvielfalt. Auch die Aufschrift „Himalaya“ am Rumpf ist ungewöhnlich. Auf der Motorhaube steht „Yeti“. Es ist eine Pilatus PC-6 Porter, wie sie auch in vielen Exemplaren beim Österreichischen Bundesheer im Einsatz ist. Diese Porter ist allerdings Baujahr 1962 und somit ein frühes Exemplar der Modellreihe, damals noch mit Kolbenmotor anstelle der späteren Propellerturbine. Das Besondere – dieser Yeti ist das originalgetreue Replikat einer PC-6, die 1960 im nepalesischen Himalaya durch Gletscherlandungen auf 5.500 Metern Höhe Weltrekorde aufstellte und später dort verunglückte.
Das größte und beeindruckendste Flugzeug kommt kurz vor Abschluss der Air-Parade. Es ist eine in den USA gebaute North American B-25J Mitchell der Flying Bulls aus Österreich. Der hochglanzpolierte Ex-Warbird mit zwei je 1.700 PS starken Sternmotoren ist in Salzburg stationiert. Seine Crew um Chefpilot Raimund Riedmann kommt gerne mal durch die Alpen zu einer Stippvisite bei den Schweizer Nachbarn vorbeigeflogen. Die donnernden Vorbeiflüge des mächtigen Warbird lösen bei vielen Zuschauern Gänsehautmomente aus. Aber auch ein langsamer Vorbeiflug mit ausgefahrenem Fahrwerk und geöffnetem Bombenschacht sorgt für Begeisterung beim Publikum.
Ein Überraschungsgast taucht noch mit lautem Fauchen am Ende der Air-Parade auf. Es ist ein Jet-Oldie, ein Hawker Hunter. Dieser einstige Militärjet flog jahrzehntelang in der Schweizer Luftwaffe.
Die Piloten genießen es jedenfalls sichtlich, ihre Klassiker endlich einmal wieder vor großem Publikum präsentieren zu dürfen. Dass Loopings und Rollen tabu sind, macht den Zuschauern nichts. Denn die Oldies quasi hautnah bei ihren Vorbeiflügen zu erleben, ist in dieser Höhe und einer unvergleichlichen Alpenkulisse Spektakel genug.
Photos: Jürgen Schelling, Flying Bulls/Goran Kroselj