1000 Kilometer und eine Schildkröte
Autor: Rudi Bromberger Photos: mediaBRO, Veranstalter
Warum hat das langsame Tier etwas mit Rennfahren zu tun? Wo und wie werden Emotionen wach?
Natürlich, in dieser Story gibt es keinen Biologie-Unterricht Aber, wieso ist die Schildkröte dann so populär? Die Schildkröte war das Symbol und Glücksbringer eines Mannes, den Ferdinand Porsche als „größten Rennfahrer aller Zeiten“ beschrieben hat.
Tazio Nuvolari wurde auch immer wieder als „der Unzerstörbare“ betitelt, nur allzu oft waren seine Unfälle makaber, aber immer wieder war er erfolgreich am Start des nächsten Rennens, auch mit gebrochenen Knochen.
Die goldene Schildkröte war ein Ehrenzeichen, überreicht 1932 vom Schriftsteller Gabriele d’Annunzio, mit der Botschaft … das langsamste Tier dem schnellsten Mann!
Populär im Motorradrennsport, erfolgreich und immer wieder am Siegerpodest, kam Nuvolari erst 1927 zum Autorennsport. Achille Varzi am Beginn als Partner, auch als Geldgeber, machte es möglich, zwei Bugattis zu kaufen und Rennen zu gewinnen.
Später holt das Alfa Romeo-Rennteam Nuvolari und eine großartige Siegerserie begann. Unterbrochen wurde die Alfa-Zeit nach einem Streit mit Enzo Ferrari, damals der herrschende Big Boss bei Alfa, aber nach einer Zeit bei Maserati kam Tazio Nuvolari zurück und besiegte in vielen spektakulären Szenen und waghalsigen Fahraktionen auch die legendären Silberpfeile.
Diesem einzigartigen Menschen, Tazio Nuvolari, wird der GRAN PREMIO NUVOLARI Jahr für Jahr gewidmet, Start und Ziel ist Mantua, die Heimat des großen Rennfahrers. Heuer schon zum 32. Mal startet diese großartige Veranstaltung mit mehr als 300 hochmotivierten und begeisterten Teams.
Ein bunter Fahrzeugmix mit Teilnehmern aus ganz Europa und auch aus Übersee zeigt die vielfältige Autokultur der Vergangenheit.
Da öffnen Museen ihre Türen, um kostbare Raritäten wieder „an die Luft“ zu lassen.
Da rollen Millionen auf vier Rädern, neben schnuckeligen Kleinwagen, in die sich Fahrer:innen und Copilot:innen gerne für tausend erlebnisreiche Kilometer eng zusammendrücken.
Es geht um die Freude und Begeisterung für sportliches Fahren, in der Szene Italiens und der Kulisse wunderbarer Landschaften. Polizeibegleitung, kein wenig langsam unterwegs und viele Streckenposten machen dieses zeitweise schon sehr sportliche Autofahren auch sicher und realisieren, einmal mehr, den Mythos der Legenden.
Hilfestellung für die Beifahrer sind Streckenpfeile, begeistertes Publikum entlang der Strecke und viele Helferlein, die den richtigen Weg zeigen. Langweilig wird es aber dennoch nicht, gilt es doch mehr als hundert Schlauchprüfungen bestmöglich, dem ehrenwerten Geschöpf hinter dem Lenkrad und mit dem Fuß am Gaspedal für die optimale Zeit siegesträchtig anzusagen.
Es sind ja, damit steigt die Anspannung rapide an, immer wieder viele dieser Messstellen, oft kurz hintereinander; mal geht es aber auch durch ganze Dörfer hindurch und es bleiben nur ein paar Sekunden zum Spiel mit den Stoppuhren, deren gibt es viele in den Cockpits. Alte Zeigerspielereien und high-tech, alles ist erlaubt. Spannend natürlich die Prüfungen auf den Rennstrecken wie Modena und Imola.
Dazwischen sportliches Fahren mit jeder Menge Begeisterung im Auto und am Straßenrand; wir sind halt in Italien. Nette Zwischenstopps mit kulinarischem, meist auch gemütlichem Beisammensein.
Risotto in Modena, in der Boxenstraße. Der zarte Duft aus den Töpfen und Pfannen vermischt sich zu einer eigenen Kreation mit der Auspuff-Luft aus dem unmittelbaren Fahrerlager und verfeinert sich durch die Starter der Sonderprüfungen davor und dahinter. Köstlich war es dennoch.
Italien, da gehört die gute Küche und das Zelebrieren des Essens dazu. Die Ankunft und der Abend im Grand Hotel da Vinci in Cesenatico wird nur vom traditionellen Galaabend in Rimini, im geschichtsträchtigen Grand Hotel, übertroffen.
Für viele der Teilnehmer bleibt nur wenig Zeit in Rimini zwischen der langen Abendstimmung mit Freunden und dem frühen Start mit wunderbarem Sonnenaufgang.
Der Wettergott, heuer scheinbar kein Oldtimerfreund, machte den zweiten Tag der Nuvolari zur echt harten Herausforderung. Gerade für die vielen offenen Fahrzeuge wurde die Nuvolari zeitweise mehr zur Segelregatta als Oldtimerrallye; Wasser von oben, von unten, von der Seite, überall! Der Abenteuergeist siegte dennoch.
Im Palazzo del Te – das traditionelle, sehr umfangreiche Check-In-Szenario, die doch recht lange Wartezeit nützt man in Italien für nette Gespräche, neue Freunde kennen lernen und gute alte Bekannte wieder in die Arme zu nehmen.
Nach dem Start – aus dem Herzen von Mantua – ist gleich drauf der Park des Palazzos die erste, recht herausfordernde Zeitprüfungsserie, bevor es Richtung Modena geht.
Am Vorabend wurde eine neue, begrüßenswerte Idee präsentiert. Stadt-Grand Prix Mantua, 7,5 km durch die im Sonnenuntergang und später im Abendlicht dahindämmernde Altstadt und deren kleinen, typischen Gassen. Im Licht der meist doch recht schwachen Scheinwerfer, gemixt mit den Lichtern der Auslagen und Lokale ergeben sich faszinierende, vom Mythos begleitete Bilder.
Eine schöne Geschichte und eindrucksvoll, wäre da nicht auch gleichzeitig das kulinarische, sehr umfangreiche Verwöhnprogramm des ersten Galaabends. Die Strecke dieser Nachtpräsentation führt genau an den gedeckten Tischen vorbei.
Für einige Motivation genug, den Stadt-Grand Prix schon hier zu beenden und das Lenkrad-Drehen gegen Messer- und Gabelschwingen zu tauschen. Manche würden dabei, es sind aber nicht die Italiener, mit ihren schweren PS-Giganten am liebsten ganz nahe beim Suppenteller und Weinglas parken.
Eine Veranstaltung, die man in den Kalender eintragen sollte, auch wenn leider immer nur ein paar Rot-Weiß-Rot-Teams dabei sind.
Das Preis-Leistungsverhältnis ist in Ordnung, auch wenn das Nenngeld nicht gerade ein Schnäppchen ist. Die Organisation ist professionell. Über Siegeschancen sollte man aber nur am Rande nachdenken, da sind zu viele Perfektion verliebte Italiener im Starterfeld und dann kommt auch noch der Baujahr-Wertungsfaktor dazu.
Dafür aber ein Erlebnis- und Genussfaktor, der den Weg nach Mantua lohnt. Was man auf keinen Fall tun sollte, einen Vergleich mit der Mille Miglia anstellen. Beim Gran Premio ist die Freude am Oldtimererlebnis und immer noch ein spürbarer Geist des italienischen Rallyefahrens vorhanden. Bei „der Mille“, dem gigantischen Medien- und Publikumsrummel, in den man sich teuer einkauft. Natürlich mit durchgehender Publikumsbegeisterung und Jubel, aber auch mit bald über 1000 Fahrzeugen, wenn man zu den Teilnehmern selbst noch die Sondertruppen Mercedes, Ferrari und Fanclubs dazuzählt. Und alle wollen die 1000 Meilen erleben und erfahren.