Immigrant Song
Autor: Michael Bulla
Das Lied der Einwanderer: Von Zweien die aus Wien auszogen, um in Florida erfolgreich Oldtimer zu restaurieren
Als Harald und Eva Brandner Österreich mit Anfang 30 im Jahr 1984 verließen, suchten sie Abwechslung zu tristen Wintern und dem Großstadtleben in Wien und ein Wirtschaftsumfeld mit weniger bürokratischen Fesseln.
Und sie fanden das alles in Edgewater und New Smyrna Beach, Florida.
Dem jungen Paar – beide 32 Jahre alt – ging es damals gut in Wien: Harald Brandner war ein vielbeschäftigter Computeringenieur, der bis zu 60 Stunden pro Woche arbeitete, rund um die Uhr auf Abruf stand und sehr gut verdiente. Eva leitete erfolgreich ein kleines Rohtextilfaser-Unternehmen.
Die kalten Winter, Graupel und Schnee in Österreich seien wichtige Motivatoren für den Umzug gewesen. Aber auch hohe Steuern und staatliche Regulierungen, die das Geschäft hemmten, gaben für Brandners den Ausschlag auszuwandern.
Mit mehr als 100.000 Dollar in bar zum Investieren, brachen sie – ausgestattet mit einem Investorenvisum – in die USA auf. Auch einen von zwei Oldtimern, die sie, sozusagen als Hobby in ihrer Freizeit, aufbereitet hatten, nahmen sie in die USA mit: einen auffälligen roten Mercedes-Benz 230 SL Zweisitzer von 1964. Sie verkauften den größten Teil ihres restlichen Besitzes, darunter die Wohnung in Wien, und nahmen den Rest in nur wenigen Koffern mit.
Zuerst setzten sie erfolgreich den Plan um, Solarwärmesysteme für Wasser zu bauen und zu installieren, das gleiche Geschäft, das Haralds Vater bereits in Österreich betrieb. Was im trüben Wien funktionierte, sollte auch im sonnigen Florida gelingen, dachte sich das Paar. Sie hatten ein paar Jahre lang recht. Doch Mitte der 1980er-Jahre strich die Bundesregierung Steuervergünstigungen und das Geschäft brach zusammen.
Nachdem das Solargeschäft nun verschwunden war, beschloss Harald – inzwischen Harold –Brandner, aus seinem alten Oldtimer-Hobby ein gewinnbringendes Unternehmen zu machen. Das Geschäft – BMC Classics Inc. – wuchs sehr langsam, und die inzwischen angewachsene Familie – um einen in Wien geborenen Sohn und eine in den USA geborene Tochter – konnte vorerst nicht davon leben. Also jobbte der Vater in der Zwischenzeit im örtlichen „Radio-Shack“ und installierte dort den Kunden Radios, Antennen, Tempomaten oder Kassettenrekorder in ihre Autos. Das habe die Rechnungen bezahlt, bis das Autogeschäft groß genug geworden sei, erinnert sich Harald Brandner.
Bald lief es für BMC Classics viel besser, die Brandners beschäftigten bald mehrere Mitarbeiter. Das Paar kaufte nicht nur Autos und renovierte sie mit Blick auf noch zu findende Abnehmer, sie suchten für Kunden auch ganz konkret Fahrzeuge, vorzugsweise Sportwagen aus den 1950er-, 60er- und 70er-Jahren.
So richtig los ging das Restaurationsgeschäft 1990 unter dem Namen Harold’s Car Works in einer gemieteten 320 m2 großen Halle in Edgewater, Florida. Es wurden hauptsächlich klassische Jaguar und Austin Healeys, aber auch Triumphs, MGs, Mercedes, Alfa Romeos komplett restauriert. Diese Wagen wurden dann meist an Kunden in Europa exportiert.
Im Jahre 1996 übersiedelten sie in ein noch größeres Gebäude mit Showroom und Werkstatt in New Smyrna Beach, Florida, wo sie dann bis zur Pensionierung im Jahre 2013 den Firmensitz hatten.
Obwohl das Restaurationsgeschäft florierte, be-schlossen die Brandners zusätzlich auch Reparatur und Service für europäischen Autos anzubieten. Auch wurde der Handel mit Klassikern um Porsche, Mercedes und anderen Raritäten erweitert. Im Laufe der Jahre gewannen die Brandners weit über tausend zufriedene Kunden in der Nachbarschaft ebenso wie weltweit.
Die Firma restaurierte im Laufe der Jahre über 100 Austin-Healeys aller Modelle. Besonders hervorzuheben wären da etwa die Restaurierung eines Austin-Healey 100 S für einen prominenten Kunden der Wiener Oldtimer-Szene, welche sogar mit persönlicher Übergabe in Wien gekrönt werden konnte.
Und auch in Erinnerung geblieben ist die Arbeit an einem speziellen Austin-Healey (Factory) 100 M (einer von insgesamt 15!) für den bekannten US-Country-Sänger Alan Jackson.
Auch an die 35 Jaguars aller Modelle wurden bei den Brandners restauriert und an Kunden in aller Welt exportiert. Darunter war auch ein schwarzer Jaguar Mk 2, der zum Ausgangspunkt der Collection britischer Klassiker eines österreichischen Sammlers werden sollte.
Später stieg Harald Brandner noch voll ins klassische Porsche-Geschäft ein. Er hatte schon immer eine Begeisterung für diese Marke und so wurden in den letzten Jahren der Firmentätigkeit bis zu 20 Porsche 911 und 356 restauriert und an Kunden in den USA, Europa und Südamerika geliefert.
Fahrzeuge aus dem Hause Brandner konnten zahlreiche internationale Preise und Auszeichnungen erringen. Für viele Oldtimer-Enthusiasten blieb der Name BMC Classics in den USA ein Begriff für qualitativ hochwertige Restaurationsarbeiten zum Festpreis.
Nachdem sich 2013 kein passender Nachfolger fand, schlossen die Brandners den Reparaturbetrieb und erfüllten sich endlich einen schon lange existierenden Traum: Sie kauften einen großen Camper und fuhren damit kreuz und quer in den USA herum. Und sie fingen auch an, in der ganzen Welt herumzureisen.
Auch Österreich steht regelmäßig auf der Besuchsliste: Noch immer besitzen Brandners ein Appartement in Nussdorf und der Kontakt zu Freunden und Familie blieb immer aufrecht.