Mann für alle Jahreszeiten

Autor: Pal Negyesi


Wenn wir uns die Motor-Geschichte der 1930er-Jahre ansehen,...

...seien es die Ära der Silberpfeile, die Entwicklung des Volkswagen Käfers oder die Realisierung der Kraftfahrzeughalle im Deutschen Museum, ein Name taucht immer wieder auf: Jakob Werlin, Österreicher, aber vor allem auch ein Puch-Mann.

Jakob Werlin wurde am 10. Mai 1886 in Andritz bei Graz (Österreich) geboren, er besuchte die Bürger- und Handelsschule bis 1902 und absolvierte anschließend ein Praktikum in einer Zahnradfabrik in Graz.

Die Quellen sind nicht sicher, wann genau er anfing, Motorrad-Rennen zu fahren. Es wird wohl zwischen 1904 und 1905 gewesen sein. 1905 und auch 1906 gewann er Preise bei lokalen Veranstaltungen in Graz und 1906 gewann er sogar die Wien-Graz-Klagenfurt-Wien-Tour. Weitere Rennerfolge waren zweite und erste Plätze beim Ries-Bergrennen 1907 resp. 1909.

1907 begann er seine kaufmännische Laufbahn bei der Puch AG in Graz. Bereits 1911 übernimmt er die Leitung der Puch-Filiale in Budapest. Während seines Aufenthalts in Budapest nahm er die örtlichen Gepflogenheiten auf – 1914 hatte er ein Schwert-Duell mit einem ungarischen Abgeordneten – 1912 heiratete er eine Ungarin: Eglantine Mária Julianna Beningna von Simonyi (1893–1977); der Ehe entstammen vier Kinder: Wilhelm, Friedrich, Otto und Johann. In Ungarn wurde Jakob Werlin als Jacques Werlin bezeichnet.

Während seiner Ungarn-Zeit nimmt er auch an Autorennen teil – er absolvierte 1912 das anstrengende 1300 km lange Kleinwagenrennen und wenige Wochen später die noch anspruchsvollere Budapest-Constantinople-Tour. 1913 fuhr er die Tatra-Adria-Tour und 1914 die Karpaten-Tour.

Im Ersten Weltkrieg dient er als Kriegsfreiwilliger und versieht Dienst als Automobil-Ingenieur. 1917 geht er zu den Hansa-Lloyd-Werken nach Bremen und kommt schließlich 1921 nach München.

In München leitete er die lokale Benz-Niederlassung. Als Benz und Daimler 1926 zur Daimler-Benz AG, Hersteller des Mercedes-Benz, fusionierten, wird er zum Direktor für ganz Oberbayern befördert. Die Büros der Benz-Niederlassung und die Druckerei des Völkischen Beobachters teilen sich in München das gleiche Gebäude. So kommt es zu einem ersten Zusammentreffen Werlins mit Adolf Hitler: Und er verkauft ihm sogar einen Benz!

1933 wurde Adolf Hitler nach einer Reihe von Wahlsiegen der NSDAP zum Reichskanzler ernannt. Im Juli desselben Jahres wurde Werlin Mitglied der Geschäftsleitung der Daimler-Benz Gesellschaft, Stuttgart-Untertürkheim.

Es war Werlin, dem es bald gelang, das Reichsverkehrsministerium zu überzeugen, das Grand-Prix-Programm von Mercedes mit einer halben Million Reichsmark pro Jahr zu subventionieren. Hitler befahl später, das Geld zwischen Mercedes-Benz und Auto Union aufzuteilen. Diese enormen Geldmittel sollten wesentlich zum Aufstieg der mächtigen Silberpfeile beitragen. 1936 arrangierte Jakob Werlin auch die Eröffnung eines eigenen Firmenmuseums bei Mercedes-Benz. Obwohl es dort bereits seit 1910 eine Art historischen Raum gab, wurde nun mehr als zwei Jahrzehnte später erstmals ein richtiges Museum installiert: Die Präsentation der Vergangenheit sollte als Beweis für die deutsche Vormachtstellung dienen.

Gleichzeitig war Werlin maßgeblich an der Entwicklung der neuen Kraftfahrzeughalle im Deutschen Museum in München beteiligt. 1935 gewährte Adolf Hitler persönlich einen außerordentlichen Zuschuss von zwei Millionen Reichsmark für die Neugestaltung des Bereiches für die Automobilindustrie. Ende 1935 wurde Wunibald Kamm (1893–1966) mit der Entwicklung eines Konzepts für die neue Kraftfahrzeughalle beauftragt, welches sehr schnell umgesetzt wurde. 1936 verdoppelte das Reichsfinanzministerium wiederum auf Hitlers persönlichen Wunsch den Zuschuss an das Museum. Die neue Motorhalle wurde im Sommer 1937 mit einem Festakt eröffnet. Hauptthema war die „Entwicklung des Automobils in Deutschland“ mit Pionierautos von Karl Benz, Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach. Aber zusätzlich wurden auch Hitlers Lieblingsautos, der Ford Model T und der Opel „Laubfrosch“ ausgestellt. Eine separate Schau war den neuesten Rennwagen von Mercedes-Benz und Auto-Union gewidmet, deren technologische Entwicklung vom Nazi-Regime finanziell unterstützt wurde.

Jakob Werlin hat auch am Volkswagen-Projekt teilgenommen. Im Mai 1937 gründete die Deutsch Arbeits Front (DAF) die Gesellschaft zur Vorbereitung des Deutschen Volkswagens. Bodo Lafferentz, ein DAF-Beamter; Ferdinand Porsche und Jakob Werlin wurden Leiter dieses Projektes.

In den Jahren 1937, 1938, 1939 und 1941 veröffentlichte Werlin eine Reihe detaillierter Artikel über die deutsche Automobilindustrie in den Publikationen der von Hermann Göring geleiteten Reichsbehörde zur Durchführung des Vierjahresplanes. 1937 schrieb er in „Verbesserung der Motorisierung“: „Die deutsche Motorisierung unter den Nationalsozialisten wurde in vier Hauptsegmenten durchgeführt. Die erste begann mit der Grundsatz-Rede des Führers am 2. März 1933. Die zweite war die Ankündigung des Vierjahresplans. Zu Beginn des dritten Segments steht der Spatenstich für das Volkswagen-Werk … wir stehen nun am Anfang des vierten Segments und kündigen die Ernennung eines Bevollmächtigten an …, um den Bau von Kraftfahrzeugen zu rationalisieren.“

Jakob Werlin war während des Zweiten Weltkriegs sowohl Teil der Geschäftsführung bei Mercedes-Benz als auch zwischen 1942 und 1945 für die Automobilproduktion im Dritten Reich verantwortlich. Im Januar 1942 wurde er zum Generalinspektor des Führers für das Kraftfahrwesen und zum SS-Oberführer ernannt. Wahrscheinlich war es Jakob Werlin, der durch Kontaktaufnahme via Eduard Schelte in der Schweiz dazu beitrug, dass Informationen über den Holocaust an die Alliierten weitergelangten.

Und wir wissen heute, dass er im Namen des Chefs von Daimler-Benz, Wilhelm Haspel, intervenierte, um die Sicherheit von dessen jüdischer Frau Bimbo zu gewährleisten. Dafür würde er nach seiner Entlassung aus einem US-Internierungslager im Jahr 1948 mit der Leitung eines Autohauses belohnt werden.

Weder er noch sonst jemand bei Daimler wurde nach dem Krieg von den Alliierten als Kriegsverbrecher angeklagt.

1951 wurde J. Werlin & Söhne in Rosenheim und Traunstein gegründet. Jakob Werlin starb 1965 im Alter von 79 Jahren in Traunstein.


 

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