Bugatti Typ 251 - Französische Revolution 1956

Autor: Text und Photos: Gerhard Schütz


Bugattis letzter Rennwagen war zugleich der erste mit Zentralmotor, der nach 1945 ein Formel 1-Rennen bestritt. Ein technischer Leckerbissen, aber eine fahrerische Herausforderung

Die Französische Revolution 1789 mündete im Terror und 1804 in das Kaiserreich Napoleons. Es brauchte noch einige weitere Anläufe, bis das Land schließlich doch zu einer parlamen-tarischen Demokratie fand. Die französische Zentralmotor-Revolution von Bugatti mit dem Typ 251 endete mit einem Fiasko im ersten (und zugleich letzten) Rennen in Reims 1956. Aber schon 1958 kamen die ersten Formel 1-Siege eines Mittelmotorwagens (Cooper 43/45), und 1959/1960 dominierten diese bereits die WM. Von da an blieb im Rennsport kein Stein mehr auf dem anderen, und es folgte bis 1978, dem ersten WM-Sieg eines Ground-Effekt-Wagens (Lotus 79), eine technische Revolution um die andere. So können wir heute den Typ 251 als einen faszinierenden Vorläufer einer neuen Ära im Rennwagenbau betrachten.

Das Ei des Colombo? Der italienische Stardesigner Gioachino Colombo, (Mit-)Schöpfer so erfolgreicher Formel 1-WM-Sieger der 50er-Jahre wie dem Alfetta und dem Maserati 250 F sowie des ersten Ferrari 12-Zylinders wollte mit dem Bugatti Typ 251 nichts weniger als den Rennwagen neu erfinden. Fast alles sollte neu sein – und richtig neu! Es reichte nicht, dass der Motor vor der Hinterachse lag, er musste auch quer liegen. Es reichte nicht, dass er Scheibenbremsen wie der Jaguar D bekam, sie mussten auch gleich ein neuartiges spiraliges Kühlungssystem bekommen. Es reichte nicht, dass die Hinterachse eine De Dion- Achse war, es musste auch vorne eine solche Achse sein. Und es reichte nicht, dass die Federung über moderne Federbeine mit integrierten Stoßdämpfern erfolgte, sie mussten auch noch diagonal sich überkreuzend angeordnet sein. Revolution eben!

Design- Revolution

 

Heute ist es eine Revolution im Stillstand. Die beiden Wagen im Musée de l’Automobile in Mulhouse können leider wegen innen rostender Chassisrohre nicht mehr gefahren werden. Aber wir können uns glücklich schätzen, dass beide Wagen wenigstens überlebt haben – es wurden früher selbst erfolgreiche Rennwagen verschrottet. Man dachte damals noch nicht an spätere, solvente Oldtimer-Sammler, sondern machte Platz für den hoffentlich schnelleren Nachfolge-Typ.

Sowohl der karossierte Wagen mit Chassis 001 wie auch das Rolling Chassis 002 im „Musée de l’Automobile“ in Mulhouse wirken noch heute selbst im Stand so sprungbereit, als ob sie gleich losfahren würden. Aber zeitgenössische Journalisten waren von der Form nicht begeistert – zu sehr widersprach sie dem damaligen Design-Mainstream mit seinen zugegebenermaßen imposanten Frontmotor-Proportionen. Und auch zugegeben: Colombo hat es mit der Kompaktheit etwas übertrieben: 2,20 m Radstand beim Chassis 001 waren sehr knapp und sicher mitverantwortlich für das problematische Fahrverhalten, das der Fahrer Maurice Trintignant einmal so charakterisierte: „Der Wagen hält die Straße – die ganze Straße!“ Trotzdem wählte er für das Rennen in Reims diesen Wagen und nicht den beim Radstand um 10 cm verlängerten 002.

Debakel beim Debüt in Reims

 

Das Debüt in Reims mit Ausfall erfolgte gegen den Willen von Colombo. Der Wagen war unausgereift, aber die Firma Bugatti lag damals in den letzten Zügen, und man versprach sich vom Projekt 251 neue Impulse für die schon länger darbende Autoproduktion. Zudem steckte der französischen Öffentlichkeit so kurz nach Kriegsende immer noch das dominante Auftreten von Mercedes mit dem W196 beim Grand Prix von Reims 1954 in den Knochen. Mit Bugatti sollte die erfolgreiche französische „Voiture bleue“ wiederauferstehen. Aber ein Sieg war eine komplette Illusion, die auch von den vollmundigen Ankündigungen Roland Bugattis, des jüngsten Sohns des 1947 verstorbenen, charismatischen Ettore genährt wurde, als er im November 1955 bei der ersten Pressepräsentation gleich ein 6-Wagen-Team ankündigte …

Aufhängungs-Revolution

 

Das revolutionärste am Typ 251 war neben dem Basislayout die Aufhängung. Die hintere De Dion-Achse war zwar zu dieser Zeit verbreitet, aber Colombo setzte bewusst auch vorne eine längs- und quergeführte Starrachse ein, und das in einer Zeit, als sich im Rennwagenbau an der Vorderachse die unabhängige Aufhängung schon durchgesetzt hatte. Dabei hält sich hartnäckig die Legende, das komme daher, dass Roland Bugatti in der Tradition seines Vaters eine starre Bugatti-Vorderachse verlangt habe. Colombos Lösung ist aber alles andere als eine solche traditionelle, geschmiedete und gekröpfte Bugatti-Konstruktion, die im übrigen an Halbelliptik-Blattfedern aufgehängt war. Beim 251 kommen vorne und hinten diagonal liegende, neuartige Federbeine zum Einsatz. Diese Anordnung reduzierte das Rollen des Wagens in den Kurven. Die Studie eines McLaren-Ingenieurs bewies vor einigen Jahren, dass diese Konstruktion funktionierte. Aber Mitarbeiter von Bugatti gaben dieser Aufhängung die Schuld am Misserfolg und bauten nach Reims Chassis 002 auf eine konventionelle Lösung um, wie sie sich in Mulhouse noch heute präsentiert. Angeblich war 1957 ein Einsatz in Monaco geplant, aber das Projekt wurde vor allem aus finanziellen Gründen fallen gelassen.

Kein echter Bugatti?

 

In der Bugatti-Szene hat der Typ 251 meist die Rolle des ungeliebten Stiefkinds. Er ist ihr zu sehr Colombo und zu wenig Bugatti. Aber gerade der große Ettore Bugatti war sich selber nie zu schade gewesen, bei Bedarf externe Kräfte beizuziehen. Und 1922 hat er selber einen Wagen mit Quermotor vor der Hinterachse patentieren lassen. Er war Inhaber von Hunderten Patenten, er war ein nimmermüder Innovator. Es ist an der Zeit, den Typ 251 mit all seinen Innovationen endlich als einen echten Bugatti anzuerkennen.

Epilog

 

Zwar kann man die beiden Bugatti 251 leider nicht mehr fahren, aber sie faszinieren auch schon im Stand. Im „Musée de l’Automobile“ in Mulhouse kann man sich davon überzeugen.

Die Geschichte wird von den Siegern geschrieben, sagt man. Der Bugatti 251 ist in seinem einzigen Rennen gescheitert, aber er bleibt ein technischer Meilenstein.
Heute werden Rennwagen-Innovationen am Computer digital vorsortiert. Bis in die 80er-Jahre mussten sie noch auf der Straße evaluiert werden. Wie der Bugatti 251: Revolution analog eben.


 

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