Alpenfahrt Revival
Autor: Text: Christian Sandler | Photos: Christian Sandler, Veranstalter
Vom 15. bis 17. September fand im zentralen Niederösterreich, mit Start und Ziel im wunderschönen Badener Kurpark, ein Revival der Sonderklasse statt.
Die „Freunde des Driftwinkels“, unter der Führung von Christian Weitgasser und der Beifahrer-Legende Jörg Pattermann trommelten 49 hochkarätige Rallye-Mannschaften aus halb Europa zusammen, um den einzigen jeweils in Österreich abgehaltenen Rallye WM-Lauf in Erinnerung zu rufen.
Das Starterfeld las sich wie das „Who is Who“ der Schotter- und Feldweg-Akrobaten, einige Kapazunder davon waren auch schon 1973 dabei. Ein kleiner Auszug gefällig: Günther Janger mit Beifahrer Harald Gottlieb (waren schon 1973 gemeinsam dabei), Hermann Tomczyk, Rallyprofessor Rauno Aaltonen, Werner Fessl, Gabi Husar, Per Eklund, Sepp Pointinger, Rolf Schmidt, Autorevue-Urgestein Herbert Völker, Sepp Haider mit Christian Geistdörfer als Co, unser heimischer Rallye-Kaiser Franz Wittmann, BMWs ehemaliger Rennsport-Boss Jochen Neerpasch, Max Lampelmaier u. v. m. Sie alle traten in Fahrzeugen an, die bereits 1973 am Start waren oder eine Startberechtigung hatten, wie die legendären Salzburgkäfer, Renault Alpine, 911er, Opel Ascona, BMW 2002, Lancia Fulvia, Datsun 240 Z, Opel Kadett, Ford Escort (Hundeknochen) oder der hochbeinige Saab 96, der mehr an eine Kredenz erinnert, als an ein Rallyeauto.
Ein kleiner Rückblick in das Rallye-Jahr 1973, in dem die Renault Alpine A110 mit den Fahrern Nicolas, Andruet und Darniche das Maß aller Dinge waren, muss aber auf Grund der damaligen kuriosen Vorfälle sein. Fall 1 in der Kuriositäten-Kiste passierte bei der ZK 52, bei der das Vorankündigungsschild an einer anderen Stelle stand als im Roadbook beschrieben. Achim Warmbold, der bis dorthin sämtliche Sonderprüfungen bravourös beherrschte, fuhr zuerst zum Service- Stützpunkt und bog dann von der „falschen“ Seite in die SP ein. Die Disqualifikation stand im Raum, erst nach einer Berufung seitens BMW (Neerpasch) stand Warmbold mit dem seinerzeit besten Beifahrer Jean Todt als Sieger fest. Fall 2 in der Kuriositäten-Kiste spielte sich beim „Pechhacker Bauern“ ab. Grundsätzlich gibt es bei jeder Streckenführung eine Benützungsgenehmigung der zuständigen Gemeinde. Beim „Pechhacker“ war es etwas kompliziert, da die Gemeinde die Durchfahrt durch diesen Hof aus dem öffentlichen Gut abgetreten hat, und so war der Besitzer etwas erstaunt, als die Rallye-Weltelite durch sein Anwesen donnerte. Die Gemeinde korrigierte den Fehler mit viel Zureden und einem „Blauen“, sodass der Hofbesitzer seine Barrikaden wieder wegräumte. Es gab aber auch die Möglichkeit, eine Umfahrungsstraße zu benützen, die war zwar länger, aber schneller von der Zeit. Da die einen auf der Pechhacker-Straße und die anderen auf der Umfahrung trainierten, genehmigte man kurzerhand beide Varianten?! Dies gefiel aber dem Rennleiter der französischen Alpine-Truppe Jacques Cheinisse gar nicht, er blockierte mit einem Leihwagen in einer kindischen Aktion die Umfahrung und versteckte sich dabei in den niederösterreichischen Büschen. Somit waren seine Tage bei Alpine angezählt. Die Szenen, die sich rund um den quergestellten Citroën abspielten, wären in heutiger Zeit der Renner in sämtlichen sozialen Medien.
Zurück nach Baden 2023! Die sportliche Wertung sah 17 Wertungsprüfungen als Gleichmäßigkeitsbewerb vor, aufgeteilt auf drei Etappen mit insgesamt 500 Kilometern. Wobei manche Sonderprüfung wie Araburg, Plankenstein oder Marktgraben auch schon 1973 befahren wurden. Die Veranstalter schickten die Teilnehmer unter anderem zweimal durch die stillgelegte Martinek-Kaserne in Bad Vöslau, wo ein trickreicher Slalom ausgesteckt war.
Die erste Etappe führte aus dem berühmten Badener Kurpark durch die Weinberge über Berndorf nach Pernitz, Kalte Kuchl, Ochsensattel, Puchenstuben, Scheibbs, Gaming, Lackenhof bis nach Lunz am See zur Zwangsrast. Die Begeisterung der Zuschauer am Straßenrand für den historischen Motorsport und die alten Fahrzeuge mit deren Fahrern war großartig. Manche Zaungäste fuhren irgendwelche Abkürzungen und zogen von einer SP zur nächsten. Da gab es tatsächlich eine illustre Gruppe Jugendlicher, die standen bereits begeistert in St. Anton und Gaming am Straßenrand und bewunderten letztendlich in Lunz den Wanderzirkus am Parkplatz. Einzig Franz Wittmann war von dieser Etappe nicht so begeistert, da sich aus seinem 1303 S Käfer ein Pleuel den Weg ins Freie suchte. Gabi Husar mit Beifahrerin Elisabeth Hudelist erwiesen sich als sportlich fair und nahmen den Franz samt Beifahrer in ihren 911er zurück nach Baden mit. Die Gabi und die Lisi auf den vorderen Sitzen hatten gut lachen, aber der Franz und der Michi … Etappe 2 führte am Nachmittag über Plankenstein, Lilienfeld, Hainfeld, St. Corona und durch den endlos weiten Wienerwald zurück nach Baden. Die dritte und letzte Etappe führte durch das Helenental nach Mayerling, Klausen-Leopoldsdorf, Stössing, Kleinzell, vorbei am Wittmann’schen Golfplatz Adamstal, Weissenbach an der Triesting mit dem Ziel der Trabrennbahn in Baden. Dort, wo seit 1893, umrahmt von Gebäuden in atemberaubendem Biedermeier-Ambiente, die Pferde auf feinstem Sand ihre Runden drehen, schafften es die Organisatoren tatsächlich, die 49 Teams zwei Runden auf Zeit fahren zu lassen, Staub im Auto inkludiert. Chapeau denen, die dies ermöglichten. In diesem ehrwürdigen Umfeld und bei herrlichem Kaiserwetter wurden auch die Sieger gekürt. Gesamtsieger wurden Walter und Brigitte Wawronek auf einem Jaguar E-Type S2, vor Roland Wittmann/Stefan Auer (Alfa Romeo Giuliette Sprint) und Hannes und Eva Kotratschek (VW 1303 S). Das Team Fritz Lehensteiner am Volant eines Salzburgkäfers und dem Autor dieser Zeilen belegte Platz 30, viele der Stars hinter sich lassend, die es wahrscheinlich nicht ganz so ernst nahmen. Noch eine Anmerkung ins Mitteilungsheft für alle Radfahrer, Wanderer, Biker und sonstige Naturliebhaber: Niederösterreich ist ein traumhaftes Naturparadies und besteht nicht nur aus den Durchzugsrouten wie A1 in die Bundeshauptstadt und der A21 zum Flughafen.