Sportlich, schön und innovativ: der NSU/Wankel Spider

Autor: Audi Tradition


Er ist einer der Stars auf der IAA 1963 in Frankfurt: der NSU/Wankel Spider.

Das eigentlich Sensationelle an dem offenen Zweisitzer ist dabei nicht seine schöne Formensprache – es sind vielmehr seine inneren Werte, die das Publikum begeistern. Herzstück des Sportwagens ist der weltweit erste Einscheiben-Kreiskolbenmotor in einem Serienauto. Audi Tradition stellt den NSU/Wankel Spider mit seinem neuartigen Antriebskonzept in dieser siebten Folge der Jubiläumsserie zur NSU-Modellhistorie vor.

Anfang der 1950er Jahre arbeitet NSU an einem völlig neuen Motorenkonzept – gemeinsam mit Felix Wankel. Der 1902 im badischen Lahr geborene Ingenieur startet seine berufliche Karriere mit einer Lehre zum Verlagskaufmann. Zunächst autodidaktisch beginnt Wankel Ende der Zwanzigerjahre mit dem Versuch einer Drehschiebersteuerung für einen Motorradmotor. 1934 läuft der erste Rotationskolbenmotor. Felix Wankel bleibt diesem Thema zeitlebens treu. Bereits während des Zweiten Weltkriegs lernt Wankel an der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt Walter Froede kennen. Der promovierte Ingenieur widmet seine ganze Energie der Firma NSU und legt dort eine steile Karriere hin: 1941 tritt Froede als Leiter in der Versuchsabteilung ins Unternehmen ein, 1975 geht er als Entwicklungschef von NSU in den Ruhestand. Mit Felix Wankel verbindet ihn die Lust am Neuen, ihr gemeinsames Lieblingsprojekt ist der Kreiskolbenmotor. Im Jahr 1951 treffen sich die beiden Bekannten und sind sich schnell handelseinig, es kommt zum Vertragsabschluss und zur gemeinsamen Entwicklungsarbeit.

Innovation und Wagemut: vom Drehkolben- zum Kreiskolbenmotor


Erstes Ergebnis der Kooperation von NSU und Wankel ist ein drehschiebergesteuerter 250er-Motorradmotor auf Basis der NSU-Modelle Lux und Max. Da sich Mitte der 1950er Jahre ein starker Trend zum Automobil abzeichnet, konzentriert man sich bald schon auf die Aggregateentwicklung für Autos. Wankel hat mittlerweile das Motorenkonzept weitergedacht und als Drehkolbenmotor ausgelegt; in diesem rotiert ein spitzovaler Kolben in einem sich ebenfalls drehenden, nahezu kreisförmigen Körper. NSU erweitert den Vertrag mit Felix Wankel – Ziel der Zusammenarbeit ist jetzt die Entwicklung von Drehkolbenmotoren. Für sie ist die Abkürzung „DKM“ gebräuchlich. Der 1. Februar 1957 ist dann ein großer Tag bei NSU in Neckarsulm: Auf einem Prüfstand läuft der DKM 54, der erste Drehkolbenmotor der Welt. Der Drehkolbenmotor besticht durch seinen ruhigen Lauf. Nach 15 Stunden auf dem Prüfstand treten jedoch erste Dichtungsprobleme auf. Und so kommen die NSU-Entwicklungsingenieure zur Überzeugung, dass das Motorenkonzept grundlegend überarbeitet werden muss.

Um die Komplexität zu reduzieren und die Chancen zu erhöhen, den Motor zur Serienreife zu bringen, arbeitet der Kolben im Nachfolgeaggregat in einem nunmehr feststehenden Gehäuse. Zu Beginn des Jahres 1959 beginnen für diesen Kreiskolbenmotor mit der Bezeichnung KKM 250 erste Läufe auf dem Prüfstand. Das Aggregat wird in der Folge technisch immer weiterentwickelt, verfeinert und verbessert – nach jahrelanger Entwicklungsarbeit wird der Motor schließlich erstmals in ein Testfahrzeug eingebaut: in einen NSU Prinz. Niemandem im Werk Neckarsulm fällt der unscheinbare hederagrüne Prinz damals sonderlich auf und nur wenige Eingeweihte wissen, was sich in seinem Heck verbirgt. Und so geht das Auto mit seinem neuartigen Motor im Sommer 1959 auf Erprobungsfahrt in und um Neckarsulm. Den Nachfolgemotor des KKM 250, den KKM 400, bauen die Ingenieure wenig später in einen NSU Sport-Prinz ein.

Gutes Lizenzgeschäft für NSU: Wankelmotor wird weltweites Exportgut


Im September 1963, kurz vor der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt, steht im Werk Neckarsulm für eine Stunde alles still. Der damalige NSU-Vorstandsvorsitzende Dr. Gerd Stieler von Heydekampf stellt den Beschäftigten den „NSU-Spider“ vor, wie er damals offiziell heißt. Der Applaus ist groß – die Erwartungen sind es ebenfalls. Der neue Sportwagen ist ein absoluter Hingucker: Das Design der selbsttragenden Karosserie basiert auf einem Entwurf von Giuseppe „Nuccio“ Bertone. Auf der IAA wird der Wagen euphorisch gefeiert, vor allem wegen seines revolutionären Motors. Dieser ist leicht – mit Getriebe, Lichtmaschine und Anlasser liegt das Gesamtgewicht bei gerade einmal 125 Kilogramm. Er braucht wenig Platz und kann deshalb als Unterflurmotor im Heck eingebaut werden. Durch diese Konstruktion besitzt der sportliche Spider sowohl einen Kofferraum vorn als auch einen Kofferraum hinten. Schließlich läuft der neuartige Motor extrem vibrationsarm und laut NSU-Werbung so ruhig wie ein Sechszylinder. Bei vielen heißt das neue Aggregat künftig salopp einfach nur „Wankelmotor“. Seine Vorzüge sprechen sich schnell herum und bald schon erwerben namhafte Auto- und Motorenhersteller Lizenzen für die neue Kreiskolbenmotortechnik aus Neckarsulm – darunter General Motors, Daimler-Benz, Porsche, Nissan, Toyota und Toyo Kogyo, heute bekannt als Mazda.

Das Lizenzgeschäft ist für die Neckarsulmer einträglich – der Absatz des NSU/Wankel Spider hingegen läuft eher schleppend. Ab Herbst 1964 kann man den flotten Sportwagen in den Farben Alfarot oder Lilienweiß für rund 8.500 Deutsche Mark kaufen. Bis Juli 1967 werden vom ersten Wankel-Auto exakt 2.375 Exemplare gebaut. Mit einem weiterentwickelten Motor nach dem Wankelprinzip, dem Zweischeiben-Wankelmotor im NSU Ro 80, unternimmt NSU 1967 noch einmal einen Anlauf, diese Motorentechnologie zu etablieren – allerdings ebenfalls ohne den erhofften Markterfolg. Heute hingegen sind die NSU-Automobile mit Wankelmotor auch aufgrund ihres Seltenheitswerts geschätzte Klassiker. Und sie erzählen immer noch von der Innovationsfreude der Traditionsmarke NSU. Diese Freude an Neuem, am Forschen und Entwickeln sowie am technischen Fortschritt ist auch in der aktuellen Sonderausstellung „Innovation. Wagemut. Transformation. 150 Jahre NSU“ im Audi Forum Neckarsulm und im Deutschen Zweirad- und NSU-Museum Neckarsulm zu sehen – noch bis zum 5. Mai 2024.

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