Generationswechsel
Autor: Text: Alexander Korab | Bilder: Walter Henisch
Wenn die Jungen Papas Oldtimer übernehmen sollen, sind sie darob nicht immer erfreut. Manche Kinder wollen ja gar keinen Führerschein mehr machen.
Bei den Armanns ist das anders. Sohn Karl war schon immer autoaffin. Heute ist er Kfz-Meister, arbeitet in der Reparaturannahme eines BMW-Betriebs und besitzt einen 50 Jahre alten Citroën 2CV. Vom Herrn Papa hat er jüngst und mit Freude einen Gutbrod Superior Baujahr 1950 übernommen. So ein Gutbrod war das erste Auto von Karl Armann Senior. Er besaß das Fahrzeug von 1956–1959. Ständig gab es etwas zu reparieren und schließlich wurde der Gutbrod durch einen Citroën 2CV (1. Serie 1949–1957 mit 9 PS) ersetzt.
Armann (Jahrgang 1931) hatte Zeit seines Lebens als Radiotechniker gearbeitet. Nach seiner Pensionierung im Jahr 1991 erinnerte er sich, dass es in seiner Heimatstadt einen Gutbrod Superior gegeben hatte, der früher immer wieder vor einem Papiergeschäft geparkt war. Er machte das Auto ausfindig und kaufte es, weil er für den Ruhestand eine neue Herausforderung suchte. Der Gutbrod war nicht mehr fahrbereit und überhaupt in einem traurigen Zustand. Armann entschied sich für eine Komplettrestaurierung und zerlegte das Auto in all seine Bestandteile. Dabei stellte sich heraus, dass unter anderem die Kurbelwelle fehlte. Diese war vor Jahren in eine Fachwerkstatt gebracht worden und dort in Vergessenheit geraten. Da war guter Rat teuer. Gutbrod-Teile gibt es nicht wie Sand am Meer. Nach längerer Suche fand Armann ein baugleiches Modell in Berlin und schlachtete es an Ort und Stelle aus. Nun konnte das Projekt in Angriff genommen werden. Letztlich dauerte es acht Jahre, bis die seltene Cabriolimousine wieder auf der Straße war. Die Marke Gutbrod ist heute nur mehr in Fachkreisen bekannt.
Wilhelm Gutbrod (1890–1948) hatte 1926 in Ludwigsburg bei Stuttgart die „Standard Fahrzeugfabrik GmbH“ gegründet und stellte zunächst Motorräder her, ab 1933 auch Automobile und Lieferwagen. Fahrzeuge der Marke „Standard“ standen im Ruf, sehr verlässlich zu sein. Die Motorräder fanden sich ganz vorne in den Ergebnislisten von Berg- und Straßenrennen. Im Zweiten Weltkrieg kam die Produktion vollkommen zum Erliegen und wurde erst 1949 wieder aufgenommen. 1950 erschien der zweitürige „Gutbrod Superior“. Mit seinem Zweizylinder-Zweitaktmotor, der aus 593 ccm Hubraum 20 PS herausholte, erreichte der 700 kg leichte Wagen eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h. 1952 folgte das Modell 700 Luxus mit 663 ccm und einer Leistung von 26 PS. Technisch gesehen wies der Gutbrod Superior abgesehen vom Frontantrieb einige Ähnlichkeiten zum Fiat Topolino auf – Motor vor der Vorderachse, darüber der Wasserkühler, Thermosiphonkühlung, Trommelbremsen hydraulisch betätigt, ein Zentralrahmen, der sich zur Hinterachse hin gabelte. Vordere und hintere Kotflügel entstanden in der gleichen Pressform, was dazu beitrug, die Produktionskosten niedrig zu halten. 1951 entwickelte Gutbrod zusammen mit Bosch eine mechanische Einspritzpumpe. Der Gutbrod Superior gilt daher als erstes Serienauto mit Benzindirekteinspritzung. Allerdings dürften nur wenige Fahrzeuge mit Einspritzung verkauft worden sein. Mercedes erkannte das Potenzial der Direkteinspritzung und setzte diese bekanntlich ab 1954 im Sechszylindermotor des 300SL ein.
Bei Gutbrod blieben die Verkaufszahlen unter den Erwartungen und so wurde die Autoproduktion 1954 eingestellt. Insgesamt 7.726 Stück des Modells Superior sind verkauft worden. Fortgesetzt wurde die Herstellung von Maschinen für die Landwirtschaft. In diesem Bereich blieb das Unternehmen durchaus innovativ. Der weltweit erste Kleintraktor kam 1962 und der erste Motor-Schneeräumer 1983 auf den Markt. 1996 wurde Gutbrod von der „Modern Tool and Die Company“ (MTD) übernommen. Noch heute werden Rasentraktoren mit dem Namen Gutbrod verkauft.
Der Superior, den Armann Junior seit letztem Jahr sein Eigen nennen darf, wurde 1950 gebaut und Anfang 1951 – damals noch cremeweiß lackiert – von der Salzburger „Moto Standard GmbH“ nach Österreich importiert. Es handelt sich um ein Modell 600 der ersten Serie mit Vergasermotor und einem Kofferraum, der nur von innen zugänglich ist. Armann Senior hat noch einen weiteren Ersatzteilspender in Österreich gefunden. Der Keller ist nun mit Gutbrod-Komponenten gut gefüllt und der Betrieb des Superior für die nächsten Jahre gesichert.