Wenn Österreich …

Autor: Thomas Reinwald


… ein Automuseum gründen müsste, das sich auf seine einheimischen Fahrzeuge berufen würde, dann könnte die Modellpalette von Autocult dafür Pate stehen.

Modellautosammlern von exotischen Marken und Fahrzeugen ist der Firmenname Autocult mit seinen 1:43-Modellen mittlerweile ein Begriff. Die seit über sieben Jahren die Sammlerszene bereichernde Firma aus dem mittelfränkischen Wendelstein, unmittelbar vor den Toren Nürnbergs, hat sich auf Vorbilder spezialisiert, über die kaum etwas bekannt ist, von denen nur noch ganz wenige Exemplare existieren, die Vorlage nur in historischen Fotos oder Zeichnungen bis heute überlebt hat – kurzum: Exoten. Im Zuge dieser Vorbildauswahl hat das Unternehmen auch einen Blick auf die einstmaligen österreichischen Manufakturen geworfen.

Der Streifzug beginnt dabei ganz früh in der Motorisierung des Automobils – im Jahr 1900. Österreich stand im Zeichen der K. u. K. Monarchie, Pferdefuhrwerke dominierten den Verkehr und Firmen, die sich mit dem Zusatz königlicher Hoflieferant schmücken durften, waren in der Gesellschaft ganz oben angekommen. Einer davon war das Unternehmen Jacob Lohner & Co, ansässig in Wien, Gemeindebezirk Donaustadt. Der knapp 40-jährige Inhaber Ludwig Lohner fing kurz vor der Jahrtausendwende zusammen mit dem 24-jährigen Ferdinand Porsche an, einen Elektroantrieb für Kraftwagen zu fertigen. Die zwei Techniker griffen dabei auf die Idee eines elektrischen Radnabenmotors von Ferdinand Porsche zurück, den er schon bei seinem vorherigen Arbeitgeber, der Firma Bela Egger & Co ausgearbeitet hatte. Ohne mechanische Verluste durch die sonst notwendige Riemenübertragung der erzeugten Kraft saßen die Elektroantriebe unmittelbar auf den Achsen der lenkbaren Vorderräder und entwickelten jeweils eine Leistung von 2,5 PS. Ein Ringkollektor diente dabei als Verbindung zwischen Akkumulator und Elektromotor. Den benötigten Strom lieferte eine 300 Amperestunden und 80 Volt starke Batterie. Die mögliche Fahrtdauer wurde mit drei Stunden angegeben und die Höchstgeschwindigkeit lag bei 32 km/h, die über die höchste der vierstufigen Regelung erreicht werden konnte. 

Aus aktueller Sichtweise gewinnt diese Art des Antriebs natürlich einen extrem weit voraussehenden Blick, dessen sich jedoch vor über 120 Jahren niemand wirklich bewusst war. Zwischen 1900–1905 fanden sich auch nur 78 Kunden bereit, sich ein Elektrofahrzeug des K. u. K. Lieferanten Lohner zu kaufen.

Die Autocult-Zeitreise begibt sich danach in seiner Vorbildsfindung durch einen Zeitsprung in die ausgehenden 1930er-Jahre. Konkret in das Jahr 1934, als der Kufsteiner Weltenbummler Max Reisch beschloss, mit einem Auto die Welt zu erkunden, nachdem er schon durch etliche strapaziöse Fahrten auf einem Puch-Motorrad die Welt erkundet hatte und dadurch weit über seine Heimat bekannt geworden war. Für die anspruchsvolle und keineswegs ungefährliche Autoreise stellte ihm die Steyr-Daimler-Puch AG einen ihrer erst kurz zuvor auf den Markt gebrachten Steyr 100 zur Verfügung. Da dieser Wagen heute noch existiert und ein Umbau auf Privatinitiative ist, gebührt lediglich dem Grundtyp die Rolle eines automobilen österreichischen Meilensteins. Anders verhält es sich mit dem von der Steyr-Daimler Puch AG Ende der 1940er-Jahre extra für die Gendarmerie aufgelegten Mannschaftstransporter, der auf Basis des Omnibuses 380a entstand. Der Grund für diese Fertigung lag in der großen Nachfrage der Polizei nach einem Fahrzeug, mit dem rasch möglichst viele Ordnungshüter an den Einsatzort gebracht werden konnte. Im Hinblick auf wenig Komfort und unter der Maßgabe eines schnellen Ein- und Ausstiegs wurde der Aufbau komplett ohne Türen gefertigt und als einzige Schutzmaßnahme gegen Regen diente ein Stoffverdeck. Gefertigt wurde der komplette Aufbau nicht im Hause bei Steyr-Daimler-Puch, sondern bei der Firma Lohner. Als die ersten Busse an die Gendarmerie ausgeliefert wurden, konnte in Wien Hans Kohlruss schon auf seine eigene Kreation zurückblicken – den so genannten Kohlruss-Käfer. 

Auf Basis des aus dem Krieg zurückgelassenen VW Typ 82, besser bekannt als Kübelwagen, schuf der Wiener in seinem Unternehmen am Brigitta-platz 19 eine eigene Auto-Interpretation, denn er passte die Karosserie des ebenfalls noch reichlich vorhandenen Steyr 50 bzw. 55 auf das Wolfsburger Chassis an. Selbst die unterschiedliche Platzierung des Motors bereitete ihm kein Problem – er beließ den VW-Motor im Heck und baute einen Ventilator ein, um keine Überhitzungsprobleme zu bekommen. Für seine Handwerksarbeit ließ sich der Carosserie- u. Fahrzeugbau Hans Kohlruss fürstlich entlohnen. Bekannt ist, dass im Jahre 1952 ein Wagen für 55.000 Schilling verkauft wurde, was einem damaligen Kaufpreis von 8.000 DM entsprach. Zum Vergleich: Ein originaler VW-Käfer stand ab 1. Januar 1954 in der Exportversion für fast schon bescheidene 5.150 DM bei den Händlern.

In die Ära der frühen Nachkriegszeit gab es aber auch noch andere Persönlichkeiten, deren Namen untrennbar mit einem Auto verbunden war und nach wie vor ist. Einer davon war natürlich Werner Denzel, der sein Unternehmen namens WD-Equipment in Wien führte und sich der Leistungssteigerung von VW-Motoren widmete. Den 1100er Boxermotor steigerte er von den serienmäßigen 25 PS auf 33 Pferdestärken. Mit einer eigens gefertigten, windschnittigen Karosserie, dem Verzicht von Türen und ohne Dach brachte seine Schöpfung nur 930 kg auf die Waage. Als Unterbau bediente auch er sich anfangs dem Fahrwerk des Kübelwagens, bis er ein eigenes aufbaute. Den WD-Sport gab es ab 1949 und in den Folgejahren wurden seine Tuningkünste immer ausgereifter und seine Wagen avancierten zum Porsche 356-Schreck.

Ein weiterer Österreicher, der seinerzeit in der Szene für Furore sorgte, war der Mechaniker und Rennfahrer Otto Mathé. 1952 baute er sich seinen eigenen Monoposto-Rennwagen unter der Kombination passender Bauteile. So stammte die Vorder- und Hinterradachse von einem Volkswagen und als Motor baute er das Aggregat eines 1500er Porsche ein. Der Rahmen war eine Eigenkonstruktion und durch die mittige Platzierung des Motors schuf er ein erstklassig ausgewogenes Gewichtsverhältnis. Mit einer gedengelten Aluminiumhaut geschickt verkleidet, gaben nur die Solex-40-PBIC-Vergaser den Blick auf das leistungsstarke Porsche-Aggregat preis. Die Kombination des über 100 PS starken Boxermotors und dem sehr niedrigen Gesamtgewicht von lediglich 400 kg ermöglichte Fahrleistungen, die damals nur von wesentlich größeren Rennautos erreicht wurden. Das außergewöhnliche Rennauto war binnen kurzer Zeit in aller Munde und auch wenn die Presse den Wagen als „das kurioseste Auto des Jahres“ betitelte, so wurde der Monoposto in der Szene liebevoll als „Fetzenflugzeug“ bezeichnet und Otto Mathé genoss den Ruf eines „Teufelskerls“. Von 1952–1959 fuhr Mathé seine Konstruktion beständig auf vordere Plätze – der Fetzenflieger erreichte eine Top-Speed von 210 km/h. Von vielen Experten wird Otto Mathé noch immer als Ausnahmetalent gesehen, der gerade dem österreichischen Rennsport in den 1950er-Jahren eine ganz große Strahlkraft verlieh.

Nicht ganz so rasant gingen es Fritz Jauernig und der Fiat-Händler Peter Moser an, die an der Schwelle zu den 1960er-Jahren aus einem Steyr-Puch 500 ein kleines Coupé fertigten. Dazu schneiderten sie aus Glasfaser verstärktem Kunststoff eine eigene Außenhaut über das Fahrwerk des kleinen Puch. Heraus kam ein sportliches Unikat, das keine weiteren Nachfolger bekam, obwohl im Hause Jauernig noch etliche Jahrzehnte lang die Urform für die Kunststoffkarosse im Lager schlummerte. Unter den jeweiligen Anfangsbuchstaben der beiden Autonarren – Jauernig und Moser – wurde das Fahrzeug 1962 als Jamos GT zum österreichischen Straßenverkehr zugelassen und beschleunigte bis auf 110 km/h.

Im Repertoire von Autocult dürften aber auch nicht die weitaus geläufigeren Typen fehlen, wie der noch immer weithin im Bewusstsein verankerte Lastwagen Typ 90 Plus. Als Lieferversion des Reifenherstellers Semperit repräsentiert er dabei auch noch eines der einstmals größten Unternehmen der Republik.

Sicherlich gäbe es an dieser Stelle noch etliche andere, vor allem die kleineren, heute nahezu vergessenen Manufakturen näher zu beleuchten, doch der Platz lässt dies nicht zu und so seien nur noch ein paar Namen genannt, die aber sicher bei Kennern der landesweiten Historie zu einem bekennenden Kopfnicken führen. Der Kahlbacher Schneewiesel, der Puch-Haflinger 700 AP und auch ein Palten Diesel oder der Kaimann MK 4 gehören in diese Rubrik. Wer sich nun sein eigenes österreichisches Kleinauto-Museum aufbauen möchte, der muss sich mitunter sputen, denn die 1:43-Miniaturen von Autocult sind teilweise schon vergriffen … doch der Sammler liebt es ja mitunter sogar, seinen Wunschobjekten oftmals hinterherzurennen und Museumsbesitzer sind ja ohnehin immer auf der Suche.


 

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