Dasselbe in Grün …
Autor: Text: Wolfgang M. Buchta Photos: Andreas Liebschner (Opel Classic), Ulli Buchta, Archiv Opel Classic
Der Opel Laubfrosch – amtlich bezeichnet als Opel 4 PS – feiert heuer seinen 100. Geburtstag. Austro Classic gratuliert mit einer Titelgeschichte!
Ein (Firmen-)Leben vor dem Automobil
Beginnen wir unsere Geschichte am Anfang, und diese liegt – für die Historie eines Automobils – recht weit zurück – um genau zu sein im Jahre 1837 und um noch genauer zu sein am 9. Mai 1837.
Am 9. Mai 1837 wurde Adam Opel als ältester Sohn des Schlossermeisters Philipp Wilhelm Opel in Rüsselsheim geboren und begann – wie später auch seine jüngeren Brüder Georg und Wilhelm – eine Lehre in der Werkstatt des Vaters. Die Walz – die Wanderschaft eines Gesellen nach dem Lehrabschluss – führte Adam Opel ab 1857 nach Belgien, England und Paris, wo er in einer Nähmaschinenfabrik arbeitete.
Nach seiner Rückkehr nach Rüsselsheim gründete er 1862 eine eigene Nähmaschinenmanufaktur und heiratete im Jahr darauf die Gastwirtstochter Sophie Marie Scheller. 1884 stellte die Firma bereits 18.000 Nähmaschinen pro Jahr her.
1887 ging Opel – wie etliche andere Firmen – den nächsten logischen Schritt und nahm die Herstellung von Fahrrädern auf und nach einigen Jahren war Opel der größte Fahrradhersteller in Deutschland. Die Söhne – vor allem Fritz und Ludwig – waren als Radrennfahrer sehr erfolgreich und machten Werbung für die Fahrräder, die ihren Namen trugen.
Privat setzte Familie Opel auf Familienglück und zwischen 1869 und 1880 kamen fünf Söhne – Carl (1869), Wilhelm (1871), Heinrich (1873), Friedrich (1875) und Ludwig (1880) zur Welt.
1895 fand das Familienglück ein abruptes Ende, denn Adam Opel verstarb am 8. September 1895 im Alter von nur 58 Jahren an einer Typhus-Erkrankung. Zurück blieb Witwe Sophie mit fünf – zum Teil noch minderjährigen – Söhnen …
Für viele Familienunternehmen wäre das wohl das Ende gewesen – nicht so bei den Opels. Offenbar voller Tatkraft und Energie übernahm Sophie zusammen mit ihren Söhnen die Leitung der Firma, und sie schafften es nicht nur, den Weiterbestand der Firma zu sichern, sondern sie machten vier Jahre später den „nächsten Schritt“.
Zu Lebzeiten war „Vater Opel“, also Firmengründer Adam, vom Konzept des Automobils nicht angetan und er soll einmal gesagt haben „Aus diesem Stinkkasten wird nie mehr werden als ein Spielzeug für Millionäre, die nicht wissen, wie sie ihr Geld wegwerfen sollen!“. Im Februar 1895 bestellt Adam Opel (oder wahrscheinlich seine Söhne in seinem Namen) einen Benz Phaeton mit 4 PS, der am 14. März – also wenige Monate vor seinem Ableben – ausgeliefert wurde. Der Benz diente wohl mehr als Studienobjekt und weniger als „Spielzeug für Millionäre“, das die Familie Opel zu diesem Zeitpunkt wohl schon war.
Die Hinterbliebenen – allen voran die Söhne Friedrich und Wilhelm – hatten weniger Berührungsangst mit dem jungen Automobil und suchten einen Partner, denn der große Boom des Fahrrads neigte sich dem Ende zu.
Friedrich Lutzmann betrieb im 350 km nordöstlich von Rüsselsheim gelegenen Dessau die „Anhaltische Motorwagenfabrik“. Mit nur 20 Mitarbeitern fertigte Lutzmann (vermutlich ab Mai 1894) den „Lutzmann Patentmotorwagen Pfeil“, der in zumindest 14 verschiedenen Versionen angeboten wurde. Wieviele Exemplare wirklich gebaut wurden, ist nicht mit Sicherheit bekannt.
Am 30. September 1897 wurde im Hotel Bristol in Berlin der „Mitteleuropäische Motorwagen-Verein“ gegründet – Friedrich Lutzmann gehörte zu den Gründungsmitgliedern – und anschließend wurde die erste Automobilausstellung veranstaltet, bei der neben drei Benz, ein Daimler sowie der Lutzmann Pfeil 0 und der Lutzmann Pfeil 1 zu bewundern war.
Die Opel-Brüder nahmen auf der Ausstellung mit Lutzmann Kontakt auf und besuchten diesen anschließend auch in Dessau. Schließlich war man sich handelseinig; auch Sophie Opel konnte überzeugt werden und Opel erwarb die „Anhaltische Motorwagenfabrik“ in Bausch und Bogen: Fabrik, Maschinen, Patente und ein in Bau befindlicher Patentmotorwagen Pfeil 0 (die Belegschaft wurde von Opel übernommen) – und man verlegte die Produktion nach Rüsselsheim. Lutzmann bekam laut Kaufvertrag vom 21. Jänner 1899 RM 116.687 (umgerechnet ca. EUR 950.000) und wurde mit einem Jahresgehalt von RM 8.000 (umgerechnet ca. EUR 65.000) Direktor der Motorwagenfabrikation.
Damit begann in Rüsselsheim die Automobilproduktion und aus dem Lutzmann Pfeil 0 wurde der „Opel Patentmotorwagen System Lutzmann“.
Opel wird Automobilhersteller
Anfang 1899 begann Opel – nach dem Vorbild des Lutzmann Pfeil A – die Produktion des Opel Patentmotorwagen „System Lutzmann“. Auf einem Stahlrohrrahmen saß ein Holzaufbau, der Einzylinder befand sich im Heck und leistete aus 1,5 Liter Hubraum 3 1/2 PS bei 650 U/min. Im Katalog von 1900 wurden bereits vier Varianten – mit Motoren von 3 1/2 PS, 4 PS und 5 PS – angeboten. Der für die größeren Modelle angebotene Zweizylinder mit bis zu 20 PS wurde wahrscheinlich nie ausgeliefert.
Kommerziell war der Patentmotorwagen – 11 Stück im Jahr 1899, 24 im Jahr 1900 und 30 im Jahr 1901 – kein Erfolg und war zu diesem Zeitpunkt bereits veraltet. Friedrich Lutzmann konnte keine Verbesserung bewerkstelligen und bereits 1901 trennten sich die Wege der Partner. Um die Motorwagenabteilung irgendwie auszulasten, nahm man die Fertigung von Motorrädern aus – zuerst nach Lizenz von Laurin & Klement und später mit einer eigenen Konstruktion.
Mit neuem Partner
Auf der Suche nach einem neuen Partner schloss Opel einen Vorvertrag mit Renault ab, der allerdings nie zum Tragen kommen sollte, da Renault keinerlei Kapazitäten frei hatte. So kam Opel 1902 zu einer Vereinbarung mit Darracq: Opel wurde Generalimporteur für Deutschland und Österreich-Ungarn, stellte für von Darracq gelieferte Chassis eigene Karosserien her und baute komplette Automobile in Lizenz.
Im Jahre 1904 war Fritz Opel mit einem Opel-Darracq beim Gordon Bennett Cup am Start, fiel allerdings aus. Später im gleichen Jahr konnte Fritz Opel den 1. Platz beim Exelberg-Rennen erringen. Die Kooperation zwischen Rüsselsheim und Suresnes währte bis 1906 und es entstanden einige interessante – auch größere – Typen. Erwähnt seien der Opel-Darracq 30/32 PS mit 4,7-Liter-Vierzylinder 1903 oder der „Opel 40 PS Kriegswagen für höhere Truppenführer“ von 1906, ein früher Panzerwagen auf Basis des 35/40 PS. 1906 konnte Opel die Fertigung des eintausendsten Automobils vermelden.
Opel hatte neben der Lizenzfertigung von Opel-Darracq auch eigene Konstruktionen erarbeitet, wie etwa den Opel 10/12 PS, der der erste Wagen aus eigener Konstruktion war. Der „Mittelklassewagen“ mit Zweizylinder von 1.885 ccm Hubraum und 12 PS Leistung wurde bis 1906 gebaut.
1909 kam mit dem Opel 4/8 PS ein Modell heraus, das speziell für den „Mittelstand“ gedacht war und das Automobil breiteren Schichten zugänglich machte. Der „Doktorwagen“ genannte Zweisitzer hatte einen Vierzylinder von 1.029 ccm und leistete 8 PS – ausreichend für eine Geschwindigkeit von 60 km/h, die wiederum für die damaligen Straßenverhältnisse ausreichend war.
Nur im Jahre 1910 wurde der Opel 8/16 PS in drei Karosserie-Varianten gebaut, der bereits im Folgejahr später durch den 8/20 PS abgelöst wurde.
Wie man sieht, war die „Adam Opel KG“ wie die Firma bis zur Umwandlung einer Aktiengesellschaft hieß, auch nach dem Ende des Vertrags mit Darracq mit einer – vielleicht etwas unübersichtlichen – Reihe von Zwei-, Vier- und Sechszylinder-Modellen gut aufgestellt.
In der Nacht vom 19. auf den 20. August 1911 vernichtete ein Brand große Teile des Rüsselsheimer Werks. Nach dem Wiederaufbau wurde die Produktion von Nähmaschinen – nach rund einer Million Stück – nicht wieder aufgenommen, und Opel war „nur mehr“ ein Fahrzeughersteller mit einer Produktpalette vom Fahrrad bis zum Automobil. Im gleichen Jahr erweiterte Opel das Produktportfolio um den Opel 60-PS-Motorpflug, der auf den riesigen Landgütern Ostpreußens recht beliebt war.
1912 präsentierte Opel mit dem „Opel-Ei“ – nach einem Entwurf des Erfinders Max Lochner und auf dessen Kosten gebaut – ein windschnittiges Stromlinienfahrzeug auf Basis des 13/30 PS. Das Einzelstück soll mit 95 km/h eine um ein Drittel höhere Spitzengeschwindigkeit als das Basisfahrzeug erreicht haben. Im Laufe des Ersten Weltkriegs ist das Opel-Ei verschollen gegangen.
Ebenfalls 1912 verkündete Opel die Fertigstellung des mittlerweile 10.000sten Automobils und zu Beginn des Ersten Weltkriegs war Opel der größte deutsche Fahrzeughersteller.
Nach Kriegsausbruch 1914 baute Opel zunächst die Modelle 8/22 und 9/25 PS, die größtenteils in den Militäreinsatz kamen. Bereits 1911 hatte Opel einen Drei-Tonnen-„Regel-Lastwagen“ nach den Vorgaben des deutschen Militärs konstruiert, der auch bei ausländischen Heeresverwaltungen Interesse erregte. Dieser Regel-LKW wurde jetzt in Rüsselsheim in großer Stückzahl (bis zu 300 Fahrzeuge pro Monat) gebaut. Mit mehr als 4.000 Beschäftigten wurden zwischen 1915 und 1918 in Rüsselsheim 4.453 LKW, 2.391 PKW und als Lizenzbau (von BWM und Argus) rund 6.000 Flugmotoren hergestellt.
Bei Kriegsende lag die deutsche Wirtschaft danieder – Stichwort: Hyperinflation, Stichwort: Reparationszahlungen –, aber um Opel stand es – dank der Einnahmen aus den Kriegsjahren, die glücklicherweise zum Teil in Devisen auf holländischen und amerikanischen Banken (und nicht in den zunehmend wertlosen Reichsmark) lagen – finanziell nicht so schlecht.
Und auch der Familie ging es „nicht so schlecht“. Die Brüder Heinrich und Wilhelm wurden am 13. März 1917 von Großherzog Ernst Ludwig, dem letzten Großherzog von Hessen in Darmstadt, zum Geheimrat ernannt und in den großherzoglich hessischen Adelsstand erhoben. Ihrem Bruder Carl wurde diese Ehre Anfang 1918 zuteil.1
Im Wesentlichen wurden nach Kriegsende die Vorkriegsmodelle resp. deren Nachfolger weitergebaut. Das 1919 vorgestellte Modell 21/55 PS – er folgte dem 1916 eingestellten Opel 25/55 PS nach – war der erste Opel-Sechszylinder-PKW und er wurde bis 1924 gebaut. Als Nachfolger des 1914 eingestellten Opel 29/70 PS kam als Modell der Oberklasse der Opel 30/75 PS – Sechszylinder mit 7,7 Liter Hubraum und 80 PS – auf den Markt, der ebenfalls bis 1924 gebaut wurde.
Opel erfindet sich neu
Die Fahrzeuge – mehr oder weniger überarbeitete Vorkriegsmodelle – der Jahre um 1920 verkauften sich so schlecht und recht. Einerseits waren sie technisch nicht auf dem Stand mancher Konkurrenten und andererseits passten sie als Modelle der oberen Mittelklasse bis Luxusklasse nicht in das wirtschaftlich gebeutelte Deutschland der Nachkriegszeit. Der ausländische Markt war für „Kriegsverlierer Deutschland“ in den ersten Jahren nach Kriegsende verschlossen. Die politische Situation – der Raum Mainz war von französischen Truppen besetzt und damit vom Rest Deutschland wirtschaftlich weitgehend abgeschnitten – war auch nicht hilfreich. 1923 musste jegliche Produktion wegen des Mangels an Rohstoffen und Vorprodukten gänzlich eingestellt werden.
Glücklicherweise – oder in weiser Voraussicht – waren Fritz Opel bei Ford 2 und Wilhelm von Opel bei General Motors gewesen, um die neue, rationelle Fließbandfertigung zu studieren. Jetzt nutzten sie die Zeit des Stillstands (und die Devisen im Ausland – Opel investierte die gewaltige Summe von 1 Mio. Goldmark), um alte Hallen in Rüsselsheim durch geräumige Neubauten zu ersetzen und sie erwarben in den USA Werkzeugmaschinen zur Massenfertigung.
Hand in Hand mit dem Aufbau der Fließbänder ging die Normierung der Teile, sodass die gleichen Teile vielfach verwendet werden konnten, um auch so die Fertigungskosten zu senken. Auch die Verwendung gleicher Teile und Baugruppen – wie z. B. Vorder- und Hinterachsen – für verschiedene Modelle wurde vorbereitet.
Auch wurde die Modellpalette „nach unten“ verschoben und Opel konzentrierte sich auf kleinere, preiswertere Fahrzeuge, die sich vielleicht auch ein Arzt, Vertreter oder kleiner Gewerbetreibender leisten konnte
Natürlich ließen sich die Opel-Brüder bei der Planung und dem Entwurf auch vom Ausland „inspirieren“. Ford und General Motors in Amerika und in Europa musste man nur über die Grenze (nach Westen) blicken, wo André Citroën – um-seine Munitionsfabrik auch nach Kriegsende auszulasten – 1919 begonnen hatte, den Citroën Typ A in Serie auf einer Art Fließband zu fertigen. Vom Typ A wurden bis 1921 beachtliche 24.093 Exemplare gebaut, und 1922 wurde ihm der Kleinwagen Citroën Typ C (1922 –1926) zur Seite gestellt.
Der Typ C war eine moderne Konstruktion mit Differential und elektrischem Starter, ein „Luxus“, der Anfang der 1920er-Jahre bei Kleinwagen nicht üblich war. André Citroën bot den Wagen in Ratenzahlung zu günstigen Konditionen an und versuchte auch die Damenwelt als Kundinnen zu gewinnen.
Der Wagen wurde von einem Vierzylinder von 856 ccm und einer Leistung von 11 PS angetrieben. Ein Dreiganggetriebe übertrug die Kraft auf die Hinterräder. Mit der typischen Karosserie – einem zwei- und später dreisitzigen Torpedo mit Bootsheck – wog der Wagen knapp 550 kg und erreichte eine Spitze von 60 km/h.
Anfangs wurde der Typ C ausschließlich in Gelb geliefert, was ihm den Spitznamen „petit Citron“ (kleine Zitrone) oder weniger freundlich „Cul de poule“ (Hühnerarsch) verschaffte.
Einer dieser Wagen fand auch seinen Weg nach Rüsselsheim, wo er mit großem Interesse getestet und analysiert wurde.
Bereits im Herbst 1923 entstanden drei Versuchswagen, die auf Herz und Nieren getestet wurden und allerlei Verbesserungen für die Serienproduktion bekamen. Im Mai 1924 rollten in Rüsselsheim die ersten serienmäßigen Opel 4/12 PS 3 vom Fließband, das anfangs eine Länge von bescheidenen 45 Metern hatte (1928 hatten die Fließbänder im Werk Rüsselsheim bereits eine Gesamtlänge von rund zwei Kilometern) und unterschied sich deutlich von früheren Opel-Modellen. Der 4/12 PS war klein und grün (anfangs ausschließlich in dieser Farbe angeboten) und hatte eine schicke, zweisitzige Karosserie mit Bootsheck. Der Vierzylinder hatte einen Hubraum von anfangs 951 ccm und wurde bald auf 1.018 ccm vergrößert. Die Leistung lag wie die Typenbezeichnung schon sagt bei 12 PS und die Spitze bei 60 km/h.
Spätestens jetzt kommt die Stelle, wo die Citroën-Enthusiasten und Opel-Freunde mit Sicherheit eine Diskussion, um nicht zu sagen einen Streit, beginnen.
„Der Opel 4 PS ist ein Plagiat des Typ C“ vs. „Kurz zuvor hat Fritz von Opel auf einer Reise in den USA die Fließbandtechnik und den Einsatz moderner Werkzeugmaschinen genauer unter die Lupe genommen; weitere Anleihen holt er sich in Frankreich.“
Citroën „was not amused“ und klagte – und in allen Prozessen wurde die Klage wegen Detailunterschieden wie z. B. dem etwas größeren Hubraum oder der anderen Lackfarbe abgewiesen – „aber vor einem deutschen Gericht“, wie die Citroën-Enthusiasten jetzt einwerfen werden.
Wie auch immer, der Opel 4/12 PS bekam im Volksmund rasch den Spitznamen „Laubfrosch“ und soll die Quelle der Redensart „Dasselbe in Grün“ gewesen sein. Und der Laubfrosch wurde zu einem Erfolg. In Deutschland wurden in den Jahren 1924 und 1925 (in diesen Jahren bot Citroën den Type C in Deutschland an) viermal soviel Opel wie Citroën verkauft …
Bei der Vorstellung betrug der Preis des „Wagen für Jedermann“ (so tönte die zeitgenössische Werbung, das Wort Volkswagen war noch nicht erfunden worden) 4.600 Rentenmark (so hieß die deutsche Währung nach der Hyperinflation, 1 Rentenmark entsprach 1 Billion alter Mark). Das war deutlich günstiger als andere Automobile, aber immer noch so teuer wie ein Eigenheim. Allerdings bekam der Käufer dafür ein kleines, aber „richtiges“ Automobil, das auf einer Länge von 320 cm alles hatte, was ein Auto so haben sollte:
– Sitzbank für zwei Personen
– Lenkrad auf der rechten Seite (und nur eine Tür auf der linken Seite)
– ein abschließbarer und wettergeschützter Kofferraum
– elektrischer Starter, Licht und Signalhorn
– Dreigang-Getriebe mit Kardanwelle zur Hinterachse
– Schaltung im Wageninneren in der Mitte zwischen den Sitzen
– Klappverdeck mit Seitenscheiben aus Zelluloid
– Fußbremse auf Getriebe und Handbremse auf die Hinterräder
– und, und, und
Schon im Herbst 1924 konnte – so wie bei Henry Ford in Amerika und bei Herbert Austin in England – der Preis gesenkt werden – im ersten Schritt auf 4.000 Mark.
Im Zuge der Produktion flossen immer wieder „Produktverbesserungen“ in die Serie ein:
– August 1924: Feinverzahnung statt Klauen für den dritten Gang
– Oktober/November 1924: Vergrößerung der Bohrung von 58 mm auf 60 mm, wodurch sich der Hubraum auf 1.018 ccm und die Leistung auf ca. 16 PS … erhöht
– November 1924: Fußbremse auf die Hinterräder, Handbremse auf das Getriebe
– November 1924: neue Karosserieformen werden eingeführt – offener, dreisitziger Tourer und dreisitzige Limousine sowie ein Kleinlieferwagen
– Anfang 1925: die sieben Luftschlitze in den Seitenteilen der Motorhaube werden auf zwölf Luftschlitze geändert; das Schutzblech am Türschweller trägt jetzt den Schriftzug „Opel“
– November 1925: pünktlich zur Automobilausstellung in Berlin (26. November bis 6. Dezember 1925) werden der offene Tourenwagen und die Limousine zu Viersitzern
– Anfang 1926: Batterie- statt Magnetzündung
– Juni/Juli 1926: Produktion des Zweisitzers mit Spitzheck, der Dreisitzer und die dreisitzige Limousine werden eingestellt
– Oktober 1927: der sogenannte „Packardkühler“ ersetzt den bisher verwendeten Kühler
– usw.
Die Fließbandfertigung machte den Laubfrosch nicht nur laufend erschwinglicher, sondern reduzierte auch die Fertigungszeit. Hatte Fritz von Opel im Frühjahr 1924 noch auf eine Tagesproduktion von 25 Stück gehofft, so waren es zu Jahresende bereits 100 und ein paar Monate später bereits 125 Exemplare pro Tag.
Mit steigender Motorleistung änderte sich auch die genaue Typenbezeichnung des Opel 4 PS von 4/12 (nur 1924), 4/14 (1924–1926), 4/16 (1926–1928) und 4/20 (1928–1930). Im letzten Baujahr 1931 wurde der Wagen als „1,1 Liter“ bezeichnet.
Interessant ist es auch, den Preis zu betrachten, der sich dank rationellerer Fertigungsmethoden kontinuierlich verringerte.
Am Beispiel des Zweisitzers mit Spitzheck:
Im letzten Prospekt wurde der Opel 4 PS als
– Zweisitzer
– Viersitzer
– Cabriolet
– Limousine
– Lieferwagen
– Chassis für Sonderkarosserien
angeboten, die günstigste Version kostete nun 1990 Mark. 1928 war Opel mit einem Marktanteil von 44 % der größte Automobilhersteller im Deutschen Reich. Am 3. Dezember des Jahres wurde die Rechtsform von einer Kommanditgesellschaft in eine Aktiengesellschaft mit einem Grundkapital von 60 Millionen Reichsmark geändert. Keine drei Monate später – am 17. März 1929 – verkauften die Mehrheitseigentümer Wilhelm von Opel und Friedrich Opel 80 % des Aktienkapitals an General Motors, der Rest folgte bis 1930. Der Deal machte nicht nur die Familie Opel reich (der Verkaufspreis lag bei 33 Millionen US-Dollar bzw. 154 Millionen Reichsmark, was heute gut 640 Millionen EUR wären), sondern sicherte auch den langfristigen Bestand des Unternehmens ab.
Im Juli 1931 wurde die 4-PS-Baureihe nach gut 120.000 gebauten Exemplaren (eingestellt und durch den Opel 1,2 Liter – eine komplette neue Konstruktion von General Motors) ersetzt. Der Opel 1,2 Liter setzte die Tradition der „Wagen für Jedermann“ fort, aber das ist eine andere Geschichte …