Die Beste von allen

Autor: Hannes Denzel


M.T. Type T Jap O 500ohv 1929

Die zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts waren die Blütezeit der österreichischen Motorradindustrie. Von „Industrie“ konnte man damals zwar nur bei Puch und vielleicht noch bei Delta Gnom reden (eine Marke, deren Fans im vergangenen Jahr ihren 100sten Geburtstag feierten), aber zu keiner anderen Zeit gab es so viele Zweirad-Hersteller gleichzeitig – auch wenn die meisten eher Konfektionäre waren. So wie M.T., die 2025 dran ist, für den 100er gefeiert zu werden.

M.T. steht für Matthäus Thun – um genauer zu sein, Matthäus Graf von Thun zu Hohenstein. Ein echter Blaublütler, dessen Wurzeln sich bis ins 12te Jahrhundert zurückverfolgen lassen, wenn man sie im italienischen Triento sucht. M.T. steht aber auch für „Motorradwerke Traiskirchen in NÖ“, das belegen die Angaben auf zeitgenössischen Katalogen. 1925 begann Thun in Wien mit dem Verkauf von Motorrädern, auf deren Tank seine Initialen, eben M.T., angebracht waren. Entwickelt und gebaut hatte er sie allerdings nicht selbst, woraus er auch kein Hehl machte. Die englische Traditionsmarke Sun aus Birminghams Stadtteil Aston – seit 1907 als Sun Cycle & Fittings Company Limited eingetragen, vorher aber schon als James Parkes & Son seit 1885 als Lampenfabrikant im Geschäft – belieferte ihn mit ihren Produkten. Die Sun-Motorräder bedienten das Preissegment der unteren Mittelklasse, boten aber ein reichhaltiges Angebot: Zwei- und Viertakter der unterschiedlichsten Kubaturen, ausgestattet mit Motoren von JAP, Blackburne und Villiers. Beinahe alle Typen übernahm Thun – war aber von der englischen Stammfirma so abhängig, dass mit der Schließung der Sun-Fabrik 1935 auch das Ende von M.T. gekommen war (Textauszug aus dem Buch „Österreichische Motorradraritäten der Vorkriegszeit“, erschienen im Verlag Hollinek). 

Hannes Asamer hat schon mehrere M.T.s besessen und die auch mit anderen erhaltenen Maschinen verglichen – und dabei bemerkt, dass sich selbst gleiche Typen aus dem selben Baujahr in Details unterscheiden. Die Vermutung liegt also nahe, dass Thun zuerst Kataloge herstellen ließ, nach denen potentielle Kunden ihre Motorräder bestellen konnten, die dann erst aus England geliefert oder in Traiskirchen zusammengestellt wurden. Mit dem, was halt an Teilen gerade vorrätig war, eventuell auch unter Berücksichtigung von Kundenwünschen. 

Hannes hat sich von allen seinen M.T.-Motorrädern wieder getrennt. Nur die hier vorgestellte 500er mit dem ohv Jap- Motor ist als Teilesammlung in seinen Regalen liegen geblieben, hat dort viele Jahre lang weitere Patina aufgesaugt. Gefunden hatte er sie damals bei einem Bekannten in Wien, in Teilen über dessen gesamtes Grundstück inklusive Keller, Werkstatt, Lagerräume verteilt. Der Besitzer – übrigens erst der zweite in der Vita der Maschine – wollte sich anfangs nicht von ihr trennen, ging aber dann doch auf Hannes Angebot ein, ihm beim Sortieren der vielen Teile verschiedener Motorräder zu helfen und danach alles mitzunehmen, was zur M.T. passt. Über einen für beide passenden Preis waren sich die zwei ziemlich schnell einig. Gestaunt hat dann der Verkäufer, als sich im Zuge der Sortierungsarbeiten nahezu alles auftauchte, was nö-tig war, um die M.T. wieder aufzubauen – und sogar wieder anzumelden, weil sich auch die Original-Zulassungspapiere und sogar zeitgenössische Kataloge fanden.

Dann geschah lange nichts. Hannes wollte ja keine Komplettrestaurierung inklusive Neulack und Nickel, sondern eine Sanierung unter möglichst viel Erhaltung des Originalzustands. Lediglich technisch sollte sie wieder dem Stand von 1929 angepasst werden. Die Sanierung ging lange Zeit nur halbherzig voran, bis ein angekündigtes Treffen österreichischer Vorkriegsmotorräder anlässlich 100 Jahre Delta Gnom im August 2024 beim Museum Vorchdorf ihn plötzlich erkennen ließ, dass Feuer am Dach brennt, wenn er daran teilnehmen will. Tatsächlich gelang es ihm nicht nur, die M.T. als Zeitzeugen aufs Gelände zu stellen: nein, die Maschine war sogar wieder zugelassen, er reiste auf Achse an und konnte die 500er also auch in Fahrt präsentieren und die vielen Zuschauer mit dem typischen Viertakt-Sound eines englischen Jap-Motors erfreuen …

… und mit Erzählungen über das Vorleben der M.T. vom Typ TO aufwarten. Der Vorbesitzer hat die Maschine bereits zerlegt auf einem Schrottplatz gefunden und gerettet und daraufhin die Familie des Erstbesitzers kontaktiert. Die sich mächtig gefreut hat, dass sich jemand um die M.T. erbarmt hat. Immerhin ist mit ihr eine Familiengeschichte verbunden und sie kann sogar mit einer Renngeschichte aufwarten, obwohl es sich „nur“ um ein Tourenmodell handelt: nachweislich habe ihr Erstbesitzer (ein bekannter Tuner) sie am 11. August 1929 an den mit ihm befreundeten Rennfahrer Robert Wolf verliehen, der damit vermutlich als Semi-Werksfahrer im Team von Max Thun am GP von Österreich teilnehmen und sogar zweiter seiner Klasse werden konnte.

Soweit die Erinnerungen der Angehörigen des damals schon verstorbenen Erstbesitzers. Tatsächlich existiert ein Artikel über den GP von Österreich im österreichischen Fachmagazin „das Motorrad“ – 20 Seiten lang, angekündigt als „das österreichische Motorsportereignis“. Die folgenden Daten und Informationen entstammen diesem Bericht: Gefahren wurde auf einem 10,4 Kilometer langen Straßenkurs bei Laxenburg mit einer mehrere Kilometer langen Geraden – eine echte Herausforderung für das Material! Vor allem auch, weil das Rennen nicht über eine vorher definierte Rundenanzahl ging, sondern abgewunken wurde nach sechs Stunden! Sogar die TT-erfahrenen Engländer haben das Rennen als äußerst herausfordernd bewertet. Gestartet wurden alle Klassen gleichzeitig, insgesamt waren 29 Maschinen am Start, nur 12 kamen nach sechs Stunden auch ins Ziel. M.T. hatte mehrere Eisen im Feuer, darunter auch den sieggewohnten Grafen Boos-Waldeck mit einer 250er. Bei den 500ern waren zwei M.T.s am Start; F. Meyer, ein renommierter Rennfahrer mit einem hochgezüchteten MAG-Motor, der aber nicht standgehalten hat. So ist es gekommen, dass Robert Wolf, der mit dem Auftrag ins Rennen geschickt wurde, zurückhaltend und materialschonend zu fahren, durch Ausfälle anderer immer weiter nach vorne gespült wurde, selbst keine einzige Panne beheben musste und letztendlich mit mehreren Runden Rückstand Zweiter wurde. Wobei er zuletzt gleiche Rundenzeiten fuhr wie der siegreiche Brite Simcock auf der Sunbeam. M.T. hat das natürlich werbetechnisch ausgeschlachtet – wie auch schon in den Jahren zuvor, als MT-Piloten erste, zweite, dritte Plätze bei der österreichischen TT und auch beim GP einfuhren. Das erklärt auch, weshalb Max Thun die von Wolf gefahrene M.T. (Zitat Thun: „Die Beste unter allen meinen Maschinen!“) als Vorlage für eine Ausschreibung des österreichischen Bundesheers haben wollte: ihr Vorzug war nicht Sportlichkeit und Highspeed, sondern ihre belegte Standfestigkeit. Auch diese Geschichte ist belegt, zu einem Auftrag kam es jedoch nicht.

Heuer gilt es also 100 Jahre M.T. zu feiern. Geschehen wird das beim Meet & Greet Motorradtreffen beim Museum Vorchdorf am 24. Mai 2025, aber auch bei der FranzJosefsFahrt für Uraltmotorräder bis Baujahr 1929 am 18. Oktober 2025 in Bad Ischl (siehe www.Benzinradl.at/). Hannes wird bei beiden Events dabei sein. Natürlich entspricht seine M.T. nicht mehr den Spezifikationen wie Wolf sie beim Rennen eingesetzt hat, die Maschine war ja auch lange nach dem Krieg noch auf der Straße, wurde im Mai 1952 wieder zugelassen, jetzt sogar mit einem Beiwagen bestückt. Auch dazu gibt es einen Beleg in Form des Typenscheins. Der Seitenwagen selbst allerdings ist verschwunden, die M.T. darf wieder solo sportlich sein …


 

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