Marmon Sixteen Victoria Coupé

Autor: Text: Pal Negyesi Photos: Casey Maxon


Die Historic Vehicle Association, der amerikanische Vertreter der FIVA, veranstaltete in Allentown bei Philadelphia ihre zweite internationale Konferenz zur Fahrzeuggeschichte

Die Teilnehmer konnten dort einige außergewöhnliche Automobile fahren. „Man muss sich auf zwei Dinge konzentrieren: Die Lenkung ist schwer und die Kupplung hat einen langen Weg“, warnte unser Begleiter. Ich ließ vorsichtig die Kupplung kommen und wir kamen langsam in Bewegung. Ich versuchte die Fassung zu bewahren und sanft nach rechts abzubiegen. Nichts ist passiert! Also schnappte ich nach dem großen Lenkrad und drehte kräftig nach rechts. „Sachte, sachte, jetzt kannst Du dann in die Zweite oder auch Dritte schalten“, sagte der Ausbilder. Alles ohne einen Anflug von Sorge, dass ein ungarischer Journalist, der gerade eben seine Doktorarbeit vorlegen wollte, ein Millionen-Dollar-Luxusauto ruinieren könnte. Also versuchte ich nicht daran zu denken, dass Nicola Bulgari, Inhaber der Schmuckmarke Bulgari, vor ein paar Jahren über 900.000 Dollar für diesen Marmon V16 bezahlt hat. Ich genoss einfach das Gefühl, ein paar Runden auf dem Bulgari-Anwesen mit höchstens 80 km/h zu drehen. „Dieses Auto wäre ideal für Bergtouren. Sie legen einfach in den zweiten Gang und sein enormes Drehmoment bringt Sie jeden Hügel hinauf“, sagte einer unserer Begleiter.

Diese Gelegenheit kam dank einer Konferenz der Historic Vehicle Association – HVA – zustande. Die HVA, der örtliche FIVA-Vertreter, hat vor einigen Jahren das National Historic Vehicle Register eingerichtet, um die bedeutendsten Oldtimer der amerikanischen Automobilgeschichte zu dokumentieren und auszustellen. So zeigte man uns dort z. B. auch einen Cadillac von 1917, der vom amerikanischen Militär in Frankreich eingesetzt wurde. Später wurde es zurück nach Amerika verschifft und befindet sich weitgehend im Originalzustand in Privatbesitz. Heute ist dies der einzige Cadillac, der nachweisbar aus dem Ersten Weltkrieg wieder in die USA zurückgekehrt ist.

Nicola Bulgari kaufte vor ein paar Jahren ein 80 Hektar großes Anwesen in Allentown für seine Sammlung. Dort sind unter dem Namen „NB Center for American Automotive Heritage“ rund 125 Autos in den Hallen verstreut. Es gibt auf dem Gelände ebenso eine Restaurierungswerkstatt wie einen Veranstaltungssaal. Bulgari lud die HVA außerdem ein, dort das National Automotive Heritage Laboratory einzurichten. Die Konferenz bot den Teilnehmern auch Gelegenheit, einige Autos aus der Sammlung auszuprobieren, darunter einen Graham-Paige und eben einen Marmon.

Marmon-Autos waren die Idee von Howard Carpenter Marmon. Sein Vater häufte im 19. Jahrhundert ein Vermögen an, indem er Geräte und Maschinen für die Mühlenindustrie verkaufte. Das erste Marmon-Automobil wurde 1902 fertiggestellt. Bald wurde das Unternehmen für seine großen, robusten Luxusmodelle bekannt. Marmon, der sich unter anderem intensiv mit der Entwicklung von Außenrückspiegeln beschäftigte, startete 1927 ein Projekt für einen V16-Motor. Aufgrund der Wirtschaftskrise von 1929 kam das fertige Fahrzeug erst 1931 in den Handel. Damals hatten sowohl Cadillac als auch Peerless erfolgreich ihre eigenen Luxusautos mit V16-Antrieb eingeführt, welche mit Unterstützung ehemaliger Marmon-Mitarbeiter entwickelt wurden. Der letzte Marmon V16 wurde 1933 hergestellt, als das Unternehmen die Produktion von Personenkraftwagen einstellte. Der Marmon V16 verfügte über einen 200 PS starken 8-Liter-Motor, der eine Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h ermöglichte. Howard Marmon, ein sehr überlegter Ingenieur, verwendete intensiv Legierungen, um den Motor leicht zu halten, was das Auto sehr leicht und wendig machte.

Unser „Testwagen“ stammt aus dem Jahr 1933 und wurde von LeBaron als Victoria Coupé karossiert. Der Innenraum ist sowohl für Passagiere in der ersten als auch in der zweiten Reihe geräumig, aber da der Fahrersitz nicht verstellbar ist, „braucht der Fahrer lange Beine“, wie einer der Passagiere bemerkte. Die vakuumunterstützten Bremsen und das synchronisierte Getriebe machten das Fahren recht leicht und bequem. Rundum verbaut sind halbelliptische Federn und der Wagen ist hinten mit einer Starrachse ausgestattet, was zu einem sehr komfortablen Fahrgefühl führt. Obwohl das Auto einen Radstand von 3,7 Metern hat, wirkt es weder besonders groß noch massiv.

Es sind 70 überlebende Marmon V16-Modelle bekannt. Die Geschichte dieses konkreten Marmon ist seit 1968 dokumentiert. Einer der früheren Besitzer war ein gewisser Bernie Ecclestone. Als Ecclestone 2007 seine Sammlung auflöste, kehrte der Wagen wieder in die USA zurück.

Obwohl ich während der Konferenz die Gelegenheit hatte, auch andere interessante Autos zu fahren, war für mich dieser Marmon das absolute Highlight.


 

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