Schneeabenteuer im Renn-Elch

Autor: Text: Alexander Trimmel | Photos: Heinz Schick, Peter Tomschi, Ennstal Classic GmbH Steering Media


Die Planai-Classic 2025 aus dem Cockpit

Dieses entwickelte sich rein aus Freundschaft. Fritz Lehensteiner und ich trafeneinander­ häufig bei Veranstaltungen, die im Zeichen historischen Blechs standen. Irgendwann fragte er mich, ob wir nicht gemeinsam die Planai-Classic 2025 bestreiten wollten. Gerne sagte ich zu, ohne noch im Detail abschätzen zu können, was mich als Neuling am Orientierungs- und Rechensitz erwartet.

Einladung Vorweggenommen: Sollte der virtuose Lenkradartist am Steuer gleich hohe Anforderungen an ihre Mathematik- und Chinesenzeichenkenntnisse samt Tripmaster- und Stoppuhrbedienung am Schleudersitz einfordern, würde ich nun im Nachhinein empfehlen, kurzfristig einen Beifahrer-Intensivkurs in Anspruch zu nehmen. Und vielleicht noch zusätzlich bei kleineren Veranstaltungen ein wenig zu üben, bevor man sich an eine Profi-Veranstaltung heranwagt. Wie immer, Praxis macht den Meister! Doch wenn es um Hundertstelsekunden geht, kann es durchaus ein Weilchen dauern, bis man sich im etablierten Gleichmäßigkeitsfeld behaupten kann. Unterschiedliche Herangehensweisen und Missverständnisse zwischen Fahrer und Co können sehr schnell zu frostigem Klima im Auto führen.

Kleinklima Dem wollte ich von Beginn an im doppelten Sinne vorbeugen, indem ich meine Unerfahrenheit klar auf den Tisch legte und Fritz mit großzügigster Geduld darauf reagierte: „Wir wollen ganz einfach Spaß miteinander haben!“ Da ich sehr tiefe Temperaturen im Ennstal erwartete, fragte ich, ob das Fahrzeug, mit dem wir teilnehmen werden, über eine gute Heizung verfüge. Nicht ohne Grund! Da mir Fritz’ letztjähriger Beifahrer Christian Sandler berichtete, dass der gelbe Käfer mit perfekt auf den Motor abgestimmter Auspuffanlage jeglicher Heiztaschen entbehrte.

Briten-Schwede Unser Einsatzfahrzeug war heuer ein Volvo P1800 von 1961. Einer der frühen Serie, mit bei Pressed-Steel in Schottland hergestellter Karosserie, assembliert bei Jensen Motors in West Bromwich, da in Schweden noch Produktionskapazitäten fehlten. Kenntlich an der mehrteiligen Stoßstange vorne mit den mittig aufgedrehten Enden und der schwungvoll nach oben gezogenen Chromleiste an den Türen. Gestaltet wurde das schmucke Gran Turismo-Coupé – mit aufgewerteter, bekannt robuster Großserientechnik aus dem Amazon – vom schwedischen Nachwuchsdesigner Pelle Petterson, der zu diesem Zeitpunkt bei Frua in Italien arbeitete. James Bond-Darsteller Roger Moore nutzte einen polarweißen P1800S sowohl in der Fernsehserie „The Saint“ als auch privat; der schwedische König Carl XVI. Gustaf fuhr ab seinem 18. Geburtstag nacheinander mehrere Fahrzeuge des sportlichen Coupés.

Monte 1962 Mit Fritz Lehensteiners P1800 gingen 1962 Rune Bäcklund und Nils Falk bei der Rallye Monte Carlo an den Start. War diese lange Zeit eine Sternfahrt zur Ankurbelung des Wintertourismus im Fürstentum, wandelte sich deren Charakter immer mehr zum motorsportlichen Geschwindigkeitswettbewerb. 1962 starteten

313 Teilnehmer aus acht verschiedenen Start­orten in Europa. Bäcklund und Falk in Oslo. Nach mehr als 2500 Kilometern Fahrt zum Mittelmeer warteten 5 Winterprüfungen über steile Bergpässe, wie Mont Ventoux, Col du Granier, Cucheron und Turini auf die Teilnehmer, wo sich die Rallye auf lediglich 136 Kilometern entschied. Unser Volvo beendete die Rallye an 199. Stelle von 247 Ankömmlingen. Eine Index-Wertung bevorteilte hubraumschwache, leichte Wagen. Erik Carlsson/Gunnar Häggbom siegten auf Dreizylinder-Zweitakt-Saab 96. Vor Eugen Böhringer im Mercedes-Benz 220 SE-Schlachtschiff. Pat Moss, die Schwester von Stirling, gewann mit Ann Wisdom auf Mini Cooper den Coupé des Dames. Carlsson und Moss heirateten 1963, fuhren gemeinsam Rallyes, ohne sich scheiden zu lassen und verfassten das Buch „Meisterschule für Autofahrer“, wo das Kapitel „Carlsson on the roof“ hoffentlich nicht vorkam.

Renn-Elch Zurück in die Gegenwart. DerBäcklund/Falk-1800er wurde stetig den jeweils gültigen FIA-Reglements angepasst und den Homologationspapieren entsprechend verbessert. Kann man den Innenraum des sogenannten 2+2-Sitzers ohnehin nicht gerade als opulent bezeichnen, so tragen Sicherheitseinrichtungen, wie Überrollkäfig mit Flankenschutz und eng geschneiderte Rennsitze zusätzlich zu eher drangvoller Enge bei. Aus Gewichtsgründen – mit 1120 Kilogramm Leergewicht zählt der P1800 nicht eben zu den Federleichten – musste sämtlicher Komfort-Schnickschnack, wie Teppich, Türverkleidungen und Rücksitze nacktem Bleck weichen. Dank fehlendem Antidröhnmaterials war für eine orchestrale Symphonie aus Ansaug-, Auspuff- Getriebe- und Hinterachssound mit Garantie gesorgt. Dazu gesellten sich die nicht zu überhörbaren Abrollgeräusche der Spike-Asphaltschneider auf schnee- und eisfreier Unterlage. Der hochgezüchtete, stirnradgetriebene B18-OHV verlangte stets nach Drehzahl, um richtig munter zu werden, die Differentialsperre an der hinteren Antriebsachse machte uns Hoffnung, jede noch so steile Steigung überwinden zu können. Trotzdem: Schneeketten führten wir im Kofferraum mit. Für alle Fälle, auch wenn keiner von uns sie je zuvor angelegt hatte.

Donnerstags-Ouvertüre Die erste herausfordernde Aufgabe des Beifahrers nach der administrativen Abnahme bestand im möglichst faltenfreien Aufbringen der Startnummern. Anschließend ging es zur technischen Abnahme, nachdem die erste und auch einzige Reparatur an unserem Auto vorgenommen wurde. Die Scheibenwaschpumpe gab ihren Geist auf. Dank Ex-MIG-Linz-Engerl Wolfgang Spieleder sorgte nun eine 6- statt 12-Volt-Pumpe für klare Sichtverhältnisse. Nach problemlos bestandener technischer DEKRA-Abnahme machten wir uns Richtung Hauptplatz Schladming auf, wo die Roadbook-Ausgabe und der Start der28. Planai-Classic über die Bühne ging. Der erste Weg führte zur Dachstein-Mautstraße, wo uns eine Timing-Prüfung erwartete. Pünktlich um 16:06 Uhr setzte ich hochmotiviert die Stoppuhr in Gang. Nach gefühlten 30 Sekunden Fahrzeit wollte ich Fritz über die zurückgelegte Strecke und Zeit informieren. Doch der Zeiger der Uhr verharrte unverständlicherweise stillstehend auf der Zahl fünf. Fritz klärte mich auf. Stoppuhren sollten entspannt gelagert werden. Müssen vor der nächsten Verwendung aufgezogen werden. Was ich nun während der Fahrt tat, um wenigstens am zweiten Teilabschnitt der Prüfung ein ablesbares Ergebnis weitergeben zu können. Trotz dieses niederschmetternden Anfängerfehlers beendeten wir den ersten Wertungstag an 37. Stelle unter 58 Teilnehmern und genossen einen atemberaubenden Sonnenuntergang bei Eiseskälte.

Der aus der Kälte kam Die sich fortsetzen sollte. Nicht nur in der Natur, sondern auch im Fahrzeug! Trotz immer dichter abgeklebtem Kühlergitter, stieg die Motortemperatur unseres frostverwöhnten Nordländers kaum über 70 Grad Celsius an. Wovon er dem Heizungskreislauf nur wenige Tropfen spendete. Aus den Defrosterdüsen drang ein kaum merkbares kühles Brischen. Ich quetschte mich mit Schiunterwäsche, dicker Daunenjacke und Zipfelmütze ins Renngestühl, in der Hoffnung, nicht so bald wieder Ein- und Aussteigen zu müssen. Fritz feixte, dass er meine ungelenken Körperverrenkungen nicht eben als gazellenhaft empfunden hätte. Einem Michelin-Männchen ähnlich im Sitz festgeschnallt, vollzog ich vom Beifahrersitz aus die Lehensteiner’schen Fahrkünste nach. Wobei ich ein ungewöhnlich hohes Sicherheitsgefühl verspürte, obwohl ich üblicherweise als besonders ängstlicher Passagier gelte. Ich war überhaupt noch nicht in meiner Rolle angekommen, eigentlich nur Roadbook, Rechenstift und Stoppuhr ständig in Beobachtung zu halten. Einem Buchhalter ähnlich, der emotionslos immer die richtigen Zahlen bereithält. Sich von gar nichts ablenken lässt und immer den richtigen Weg einschlägt.

Kurz auf Abwegen Letzteres gelang, bis auf ein einziges Mal. Als wir falsch abbogen, da ich das Roadbook falsch interpretierte. Nach kurzer Strecke und immer tieferer Schneefahrbahn gab ich meine Orientierungszweifel preis. Wir hielten. Fritz meinte, dass ein Umkehren, sollten wir uns auf der korrekten Route befinden, zu gefährlichen Situationen führen könnte. Wir warteten. Und es dauerte nicht lange, bis ein Buckel-Volvo zügig an uns vorbeihirschte. Wir nahmen die Verfolgung auf. Brachen sie ab, als der Buckel in Sichtweite auf einem Steilstück hängenblieb. Wir kehrten um. Fanden wieder auf die vorgegebene Route zurück, verbrachten nach 86 Kilometer über schneebedeckte Nebenstraßen und enge vereiste Güterwege, gespickt mit zehn Sonderprüfungen, eine kurze wohlverdiente Mittagspause im Dachsteinrestaurant Hunerkogel.

Night-Challenge Die folgende zweite Tages­etappe führte über 70 anspruchsvolle Kilometer vom Dachstein nach Schlad­ming, die Dritte zum Höhepunkt des Tages, der Night-Challenge auf der Trabrennbahn nach Gröbming. Im spannend erwarteten Schijöring-Vergleich setzte sich Marie Haubenwallner, gezogen vom 16-jährigen Wallach „Red Marksman“ und Ulrike Gruber-Blümel im Sattel, gegen Jonas Lach und Martin Utberg im Austin Seven Ulster Special und Florian Lackner am Seil, sehr zum Wohlgefallen des Publikums durch. In der „Nacht der langen Messer von Gröbming“ stellte Fritz den Schwedenbomber im Fotografenbogen mit viel Gebrüll Runde für Runde gekonnt an. Blitzlichtgewitter erhellte unseren Innenraum, Flucht ergriff keiner der Profi-Knipser.

Night-Challenge Die folgende zweite Tages­etappe führte über 70 anspruchsvolle Kilometer vom Dachstein nach Schlad­ming, die Dritte zum Höhepunkt des Tages, der Night-Challenge auf der Trabrennbahn nach Gröbming. Im spannend erwarteten Schijöring-Vergleich setzte sich Marie Haubenwallner, gezogen vom 16-jährigen Wallach „Red Marksman“ und Ulrike Gruber-Blümel im Sattel, gegen Jonas Lach und Martin Utberg im Austin Seven Ulster Special und Florian Lackner am Seil, sehr zum Wohlgefallen des Publikums durch. In der „Nacht der langen Messer von Gröbming“ stellte Fritz den Schwedenbomber im Fotografenbogen mit viel Gebrüll Runde für Runde gekonnt an. Blitzlichtgewitter erhellte unseren Innenraum, Flucht ergriff keiner der Profi-Knipser.

Morgenstund’ Samstag um 7:15 Uhr, bei klirrender Kälte von Minus 11 Grad, sprang der 1800er recht willig an. Verweigerte jedoch jegliche Defroster-Wirkung, weshalb wir mit geöffneten Seitenscheiben und Eiszapfenohren zur ersten Sonderprüfung am Alpenflugplatz Niederöblarn anreisten. Den Kühlergrill hatten wir mittlerweile vollflächig abgeklebt, was den „kühlen Schweden“ jedoch kaum beeindruckte. Dank einer Ehrenrunde zu viel, kassierten wir volle Strafpunkte, bei den folgenden Prüfungen versuchte ich mit Kilometer-, Zeit- und Schnittansagen Schadensbegrenzung zu betreiben. Prachtwetter unterstützte die gute Stimmung im Auto, die lediglich bei den Ansagen „Starke Steigung, Schneeketten verwenden!“, kurz ins Stocken geriet.

Planai Um etwa 13 Uhr trafen wir auf der Kessleralm zum 1. Lauf der abschließenden Planai-Bergwertung ein. Den wir bravurös absolvierten. Dass mich Fritz bei der Abfahrt nicht mehr mitnahm, den zweiten, und entscheidenden Lauf ausließ (volle Strafpunkte!), möge bösen Zungen Anlass zu Spekulationen geben. Welche wir unbeantwortet gerne im Raum stehen lassen. Jedenfalls konnte er noch rechtzeitig der gleichzeitig stattgefundenen AMF-Siegerehrung in Salzburg beiwohnen.


 

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