Emotion und Tradition beleben die Gegenwart
Autor: Fynn Göttsche
Bei Autos geht es um Gefühle.
Beim Betrachter wie beim Fahrer erzeugen sie die Emotionen, die Marketing, Produktentwickler und Designer ihnen mitgeben. Je hochwertiger das automobile Familienmitglied empfunden werden soll, desto wichtiger wird es, die Erwartungen genau zu treffen. Dabei setzen die Designer den Ton. Es geht ihnen nicht nur um „schön“, „sportlich“ oder „elegant“. Wo es passt, lassen sie gern auch die Tradition mitfahren, weil in der Linienführung oft vertraute Erinnerungen und Gefühle mitschwingen.
Gründungserzählungen, Meilensteine und Traditionslinien sind bei den Autobauern entsprechend wohlkuratierte Unternehmensschätze. Eines dieser Gefühle auslösenden Identifikationsmerkmale befindet sich am Auto hinten, aber vorn in der Unternehmensgeschichte. Es geht um ein Heck. Das Heck, das Audi heute Sportback nennt.
Es begann in den 1960er Jahren. Das etwas in Vergessenheit geratene Traditionsunternehmen Auto Union gehörte noch zu Daimler und fertigte Personenwagen und Kleinlaster der Marke DKW. Erst Mitte des Jahrzehnts kaufte Volkswagen das Unternehmen. Der neue Name Audi beruht auf dem Namen von August Horch, der das Unternehmen 1904 gegründet hatte. Die Befehlsform des lateinischen Verbs „audire“ für hören lautet passenderweise „audi!“. Die vier Ringe stammten aus dem Markenzeichen des Zusammenschlusses der vier Marken DKW mit der Tochtergesellschaft Audiwerke, der Horchwerke und der Wanderer-Werken im Jahr 1932. Nach der Fusion mit NSU entstand so der holprige Namen Audi NSU Auto Union AG mit den vier Ringen. Auf so viel Tradition können in Deutschland nur weniger Hersteller verweisen.
Symbol des Neustarts wurde der Audi 100, eine elegante Mittelklasselimousine, die sich wider Erwarten ihrer Schöpfer mehr als 800.000 mal verkaufen sollte. Der „Ur-Hunderter“ legte damit die Grundlage der erfolgreichen Wiedergeburt der Marke. Er war ein klassisches Drei-Volumen-Auto mit großem Kofferraum und wurde als Audi 100 C1 auch in einer Coupéversion verkauft. Das im Wortsinn „abgeschnittene“ Modell entsprach der gängigen Beschreibung von „vorne lang, hinten kurz“ und hatte natürlich nur zwei Türen, selbst wenn es bequeme Rücksitze bot.
Das Audi 100 Coupé S brauchte sich zwischen den damals so beliebten Pony-Cars und Sportcoupés wie Pontiac Firebird, Ford Mustang oder Chevrolet Camaro mit ihren großen Achtzylindern nicht zu verstecken. Das 1969 vorgestellte Modell trat schließlich mit einem Fünfzylinder von 115 PS oder 136 PS gegen sie an und lief bis 1976 mehr als 30.000 mal in Neckarsulm vom Band. Das Modell war einer der Meilensteine, die den Hersteller bald zum Unternehmensslogan „Vorsprung durch Technik“ führten.
Doch der Begriff „Sportback“ für den Coupé-Kofferraum taucht erst 30 Jahre später auf, anfangs als Beschreibung für eine Fließheckversion des Kompaktwagens A3. Doch prominent vorgestellt wurde die Idee eines viertürigen Coupés im Volkswagen-Konzern erst später als „Audi-Sportback-Concept“. Das Konzeptfahrzeug wurde auf der Detroit Motor Show 2009 erstmals präsentiert. In der Serienversion wurde es wenig später zum Audi A7.
Die Idee eines viertürigen Coupés fiel aus dem Rahmen. Lediglich Mercedes-Benz hatte mit seinem CLS im Jahr 2003 den Begriff des Coupés erweitert. Die Audi-Designer orientierten sich bewusst an der Linienführung des eigentlich zweitürigen 100 Coupé S und betonten die Neuinterpretation eines Limousinenhecks. Das Design, das sich zwischen Limousine und Kombi einsortiert, wurde breit und kontrovers diskutiert, brachteAuto-Medienportal.Net: 13.04.2022 aber schließlich frischen Wind in eingefahrene Karosseriekonzepte.
Der Entwurf kam bei Presse und Kunden so gut an, dass zunehmend weitere Modelle des Audi Portfolios eine Sportbackvariante erhielten. Als nächstes folgte der Audi A5 Sportback als viertürige Version des Coupés. Heute, in einer Zeit, in der Limousinen zunehmend als langweilig oder gar unpraktisch angesehen werden, ist die Idee Sportback voll akzeptiert und beliebt. Die weit öffnende Kofferraumklappe mit Heckscheibe verspricht moderne Linien und zusätzlichen Stauraum, den manch einer beim klassischen Kofferraum-Heck vermisst.
In vielen Märkten schrumpften die Marktanteile der Limousinen-Derivate. Gleichzeitig lohnt sich der Blick auf das SUV-Segment. Der Boom der vergangenen Jahre ließ auch hier Stimmen aufkommen, denen die Stadtgeländewagen zu plump und brachial wirkten. So entstand die Idee des SUV-Coupés, dass zunehmend den Markt auffrischt. Vorreiter war der BMW X6, der seit 2008 gebaut wird. Aktuelle Vertreter sind der Lamborghini Urus oder der kommende Volkswagen ID 5. Bei den Audi-SUVs trägt die jüngste Version des Q5 das Sportback-Konzept weiter.
Der Q5 verkörpert die üblichen Charakteristika eines Mittelklasse-SUV. Muskulöse Statur, hoher Sitz und langer Radstand. Doch als Sportback mit Fließheck wirkt er dennoch leichter als er ist und trifft damit den Nerv der Zeit. Das elektrische Schwestermodell e- tron S Sportback geht mit seinem batterieelektrischen Antrieb noch weiter.
Auch dieser Schritt in die Zukunft hat für den Fahrer eine emotionale Qualität. Müßig, in diesem Zusammenhang an den Slogan „Fortschritt durch Technik“ zu erinnern. Wer sich für ein echtes Elektroauto entscheidet, sieht sich an der Spitze einer Bewegung. Das fühlt sich gut an, besonders in einem Auto mit Charakter und Tradition. So wie in den 1970ern die zweitürigen Sportcoupés wie der „Ur-Hunderter“ zu prägenden Modelle ihrer Generation wurden, sind es heute zunehmend SUV-Coupés. Nicht wenige tragen die Bezeichnung Sportback. Bei allen schwingen trotz der neuen Namen und Begriffe auch beim Design die Linien der Vergangenheit nach und befeuern die Art der Emotionen, die jedes Auto für einen Erfolg im Markt braucht.