„Goldener Kolben 2022“ für das IFA-Museum in Nordhausen
Autor: Redaktion
F-kubik, das Forum für Fahrzeuggeschichte, würdigt die engagierte Aufbauarbeit der IFA-Mitarbeiter für ein Industriemuseum zur Diesel-Geschichte:
Das Forum für Fahrzeuggeschichte, besser bekannt als F-kubik, ehrt seit 2006 zum Saisonstart auf der Bremen Classic Motorshow (BCM) Persönlichkeiten oder Institutionen, die durch ihr Wirken besondere Verdienste um historische Authentizität der Fahrzeuggeschichte erworben haben: die Jury für den „Goldenen Kolben 2022“ entschied sich für die Anerkennung der vorbildlichen Leistungen der im IFA-Museum mitarbeitenden Ehemaligen und jungen Interessierten. Ihnen ist nicht nur der Aufbau eines Museums zur Geschichte der Diesel-Entwicklungen und der Produktion am Standort gelungen, sie haben gerade auch den generationsübergreifenden Erhalt und die Weitergabe der technischen und theoretischen Erfahrungen erfolgreich gestaltet.
Das IFA-Museum in Nordhausen steht für bald 100 Jahre lebendige Technikgeschichte am Südrand des Harzes. Hier wurde in der Frühzeit der industriellen Entwicklung bereits Lokomotiven- und Motorenbau betrieben. Nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte der Neuaufbau des Fahrzeug- und Landmaschinenbaus in der DDR. Bis 1989 existierten mehr als 40 Großbetriebe und Forschungszentren unter dem Logo des Industrieverbandes Fahrzeugbau der DDR (IFA). Besondere Bekanntheit erreichten Traktoren, Lastwagen und Mähdrescher, vielfach mobilisiert mit robusten, innovativen und leistungsstarken Diesel-Motoren aus Nordhäuser Entwicklung.
Nach der politischen Wende und Privatisierung der IFA Betriebe drohte nicht nur der Verlust der Identität, auch so manches Dokument, Exponat und noch verfügbares Fachwissen aus Forschung, Produktion und Einsatz schien verloren. Nach der Insolvenz des letzten „Investors“ hatten zwischenzeitlich 4300 Beschäftigte das Werk verlassen.
2007 mobilisierte sich eine kleine Gruppe um den Nordhäuser Unternehmer Helmut Peter, sie wollten die Lebensgeschichten der Menschen und die Zeugnisse ihrer Arbeit für die nächsten Generationen bewahren. Keiner der damals beteiligten Techniker konnte sich vorstellen, was es bedeutet, ein Museum aufzubauen sowie erfolgreich und nachhaltig zu führen. „Sie waren keine Historiker“, berichtet der Vereinsvorsitzende Hans-Georg Franke, „aber sie kannten die Geschichte. Sie waren ja selbst ein Teil dieser Geschichte“.
Es dauerte vier Jahre um die Muster, historische Maschinen und Fahrzeuge zusammenzutragen, zu restaurieren und in eine entsprechende Ausstellung mit hohem, didaktischem Anspruch zu integrieren. Zehn Jahre später sind mehr als 130 historische Exponate zusammengetragen worden, darunter Gruben- und Feldbahnloks
aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg, Traktoren aus den 1950er und 1960er Jahren, komplette Schnittmodelle des legendären „Famulus“-Traktors. Dabei steht im Mittelpunkt der Ausstellung eine vollständige Sammlung der Motorenentwicklungen aus dem zuletzt größten Motorenwerk der DDR bis zur Common-Rail-Technologie von heute. Aber auch eine kurze Episode aus der Region wird dokumentiert: Die Übernahme und erfolgreiche Weiterentwicklung deutscher Raketentechnologie durch die Sowjetunion nach Ende des Krieges.
Zum Bestand des IFA-Museums gehört inzwischen auch ein umfangreiches Archiv mit über 20.000 Dokumenten und Publikationen. Wechselnde Leihgaben aus bedeutenden Technikmuseen vervollständigen die heute verfügbare Sammlung und begleiten aktuelle Sonderausstellungen. Das ehrenamtlich geführte Museum ist dienstags bis samstags für die Öffentlichkeit geöffnet und bietet informative Führungen, Schulungen und Vortragsveranstaltungen auch von Zeitzeugen, damit gerade für jüngere Generationen die Geschichte lebendig bleibt.
Die Gruppe F-kubik erweitert mit dem IFA-Museum und seinen aktiven Betreibern den Ehrenkreis der Kolbenbesitzer um eine vorbildliche Einrichtung zur erlebbaren Fahrzeuggeschichte. Personen und Institutionen mit dieser Auszeichnung haben auf ihre Weise zur positiven Entwicklung der deutschen Oldtimer-Szene in der Öffentlichkeit beigetragen. Der „Goldene Kolben“ wird durch die Gruppe F-kubik einstimmig und unabhängig seit 2006 jährlich in Form eines polierten Motorkolbens auf einem gravierten Sockel mit Urkunde und individueller Anstecknadel übergeben. F-kubik will damit engagiertes Wirken in der Öffentlichkeit zur Wahrung der Fahrzeuggeschichte immer wieder anregen und befördern. Das IFA-Museum ist der 17. Preisträger dieser Reihe des „Goldenen Kolbens“, die nach wie vor als die einzige Auszeichnung auf dem Gebiet der Fahrzeuggeschichte vergeben wird.
Der Goldene Kolben und seine Preisträger
Die Auszeichnung wird jährlich auf der Bremen Classic Motorshow persönlich überreicht.
2006: Günther Krön für die 1989 erfolgte Wiederbelebung und jährlichen Durchführung der historischen Fahrt „2000 km durch Deutschland“ als „mobiles Museum“.
2007: Karl-August Almstadt für frühe publizistische Leistungen zum historischen Fahrzeug in seiner Funktion als TV-Moderator und stv. Chefredakteur bei AutoBild Klassik.
2008: Winfried A. Seidel als Initiator und Betreiber der Veterama seit 1975 für Fahrzeug- und Ersatzteilhandel sowie des Aufbaus des Automuseums Dr. Carl Benz in Ladenburg.
2009: Prof. Dr. Peter Kirchberg für seine langjährige Arbeit an der Universität Dresden und seine Dokumentationen zur Geschichte der Auto Union.
2010: Dipl.-Ing. Mag. phil. Wolfgang M. Buchta als Chefredakteur der Fachzeitschrift Austro-Classic zur Unterstützung der Oldtimer-Szene nicht nur in Österreich.
2011: Karl Reese (+) als langjährigen Experten und einer der ersten Publizisten der Motorradgeschichte in einer unbekannten Vielfalt.
2012: Michael Graf Wolff Metternich (+) als Interpret der Maybach-Geschichte und entsprechender Dokumentationen und Veröffentlichungen zur Technik-Historie.
2013: Erika Kübler für ihren selbstlosen Einsatz zum Erhalt des Lebenswerks des Künstlers und Designers Louis L. Lepoix aus Baden-Baden.
2014: Ivan Mahy für seinen unermüdlichen Einsatz zum Erhalt einer einzigartigen Fahrzeugsammlung in Belgien und ihre Präsentation in der Öffentlichkeit.
2015: Roger Gloor aus der Schweiz für langjährige, fundierte Aufbereitung der automobilen Vergangenheit in der Automobil Revue sowie in der Zeitschrift auto exclusiv.
2016: Karl Ludvigsen als Manager der Automobilwirtschaft mit den besonderen Fähigkeiten der systematischen Recherche, Aufarbeitung und Publikation automobil historischer Themen.
2017: Johannes Th. Hübner, Automobilexperte, Publizist und Designer, der als Moderator seine Kenntnisse zur Fahrzeuggeschichte einer Öffentlichkeit begeisternd vermitteln kann.
Über F-kubik
Das „Forum für Fahrzeuggeschichte“ nennt sich in Kurzform F-kubik: eine seit 2001 wirkende Gruppe von Fahrzeug-Historikern, Motorjournalisten und Verlegern zur Stärkung der Bedeutung der Fahrzeuggeschichte in der Öffentlichkeit.
Zur Gruppe zählen Eckhart Bartels, Lars Döhmann, Horst-Dieter Görg, Björn Herrmann, Ulrich Knaack, Peter Kurze, Rainer Manthey, Burkhard Schäfer, Halwart Schrader, Udo Stünkel und Hans-Joachim Weise.
Neben anerkannten eigenen Veröffentlichungen oder Expertisen zu historischen Fahrzeugen bündeln sie ihr Fachwissen zur Fahrzeuggeschichte bei Auftragsarbeiten in Projekten der Industrie, öffentlichen Einrichtungen und privaten Sammlungen sowie bei Oldtimer-Veranstaltungen und Messen wie der Bremen Classic Motorshow. Für die interessierte Öffentlichkeit werden Symposien zur Fahrzeuggeschichte an verschiedenen Orten durchgeführt und die Beiträge namhafter Referenten in der Buchreihe „Archiv zur Fahrzeuggeschichte“ in begrenzter Auflage dokumentiert. Verfügbare Publikationen sind über den FGV-Verlag zu beziehen. Weitere Informationen unter www.f-kubik.de