Impulsgeber für den Mercedes-Benz SL
Autor: Redaktion
70 Jahre Verbindung zu Maximilian E. Hoffman
Eine große Idee steht am Anfang der Geschichte der Mercedes-Benz SL-Seriensportwagen: Mercedes-Benz soll die Faszination der luxuriösen Sportlichkeit in einen kompakten Roadster übertragen. Das schlägt im Jahr 1953 Maximilian E. Hoffman vor, der Importeur der Marke für den Osten der Vereinigten Staaten von Amerika. Im Dialog zwischen der Stuttgarter Unternehmensführung und Hoffman entstehen schließlich zwei Sportwagen: Den von Hoffman initiierten kompakten Roadster 190 SL (W 121) leitet Mercedes-Benz technisch von den „Ponton“-Limousinen der oberen Mittelklasse ab (W 120). Außerdem wird das Konzept des erfolgreichen Rennsportwagens 300 SL (W 194) in das Hochleistungsfahrzeug 300 SL „Gullwing“ (W 198) für besonders anspruchsvolle Kunden übertragen. Beide Sportwagen werden vom 6. bis 14. Februar 1954 auf der International Motor Sports Show in New York vorgestellt. Auch der 1957 präsentierte 300 SL Roadster (W 198) geht auf Hoffmans Initiative zurück.
Das Unternehmen ist offen für Hoffmans visionären Impuls, welcher maßgeblich zum Mythos des Mercedes-Benz SL beiträgt. Mit den beiden Seriensportwagen von 1954 entsteht die einzigartige Tradition, die bis zum aktuellen Mercedes-AMG SL der Baureihe 232 reicht. Vergleichbar ist Hoffmans Einfluss daher durchaus mit jenem von Emil Jellinek gut ein halbes Jahrhundert zuvor: Der damals führende Händler von Automobilen der Daimler-Motoren-Gesellschaft in Nizza gibt mit seinen Anforderungen den Anstoß für die Konstruktion des Mercedes 35 PS durch Wilhelm Maybach.
Der Export nach Nordamerika nimmt Gestalt an
Den Kontakt zu Maximilian E. Hoffman nimmt das Unternehmen im Rahmen seiner Strategie zur Stärkung des Exports nach Nordamerika auf. Wilhelm Haspel, Vorstandsvorsitzender der damaligen Daimler-Benz AG, treibt die Positionierung des ältesten Luxusautomobilherstellers der Welt in Nordamerika ab Sommer 1948 persönlich voran. Ihm ist bewusst, dass vor allem die Vereinigten Staaten mit dem damals weltweit größten Automobilmarkt eine wichtige Schlüsselfunktion für einen erfolgreichen globalen Export haben. Nutzfahrzeuge sind in den Überlegungen ebenfalls berücksichtigt – und sie werden sogar ein wichtiger Motor der Auslandsaktivitäten des Unternehmens sein.
Der Export von Mercedes-Benz nach Nordamerika nimmt 1952 konkrete Gestalt an. Eine entscheidende Rolle spielt dabei der in Wien geborene Maximilian E. Hoffman, der sich im März 1952 erstmals um eine Mercedes-Benz Vertretung in den Vereinigten Staaten von Amerika bewirbt. Die damalige Daimler-Benz AG schließt am 31. Juli 1952 einen Vertrag mit ihm als Generalvertreter für den Osten der USA. Der Verkauf startet im Dezember 1952, nachdem Verkaufsräume eingerichtet, Verkäufer geschult und Fahrzeuge in US-Ausführung geliefert sind. Immerhin werden in diesem ersten Jahr der Zusammenarbeit mit Hoffman insgesamt 253 Mercedes-Benz Personenwagen in die Vereinigten Staaten exportiert.
Hoffmans Gespür für automobilen Luxus
Maximilian Edwin Hoffmann wird am 12. November 1904 in Wien geboren. Als Geschäftsmann entfaltet er ein sicheres Gefühl für faszinierende und Erfolg versprechende Automobile, verbunden mit einem ausgeprägten Sinn für Ästhetik, Technik und Fahrdynamik. In den 1930er-Jahren gründet er in Wien mit einem Partner die Firma Hoffmann & Ruppert, die erfolgreich Automobile der Marken Alfa Romeo, Bentley, Delahaye, Rolls-Royce, Talbot und Volvo nach Österreich importiert.
In der NS-Zeit emigriert Hoffmann, Sohn eines jüdischen Nähmaschinen- und späteren Motorradfabrikanten, zunächst nach Frankreich und 1941 schließlich nach New York. Nach Kriegsende gelingt ihm der Einstieg in den Import europäischer Fahrzeuge in die Vereinigten Staaten von Amerika. Einen Delahaye präsentiert Hoffman, der seinen Nachnamen der angelsächsischen Schreibweise anpasst, in einem Showroom auf der feinen New Yorker Park Avenue. Mit seinem exzellenten Geschmack und hohem Arbeitspensum sichert er sich einen Spitzenplatz im Handel mit exklusiven Automobilen in den USA. Das prädestiniert ihn als Partner von Mercedes-Benz in Nordamerika.
Nach dem erfolgreichen Verkaufsstart im Jahr 1952 gewinnt die Persönlichkeit Hoffmans zusätzliches Gewicht für Mercedes-Benz ab Mai 1953: Exportvorstand Arnold Wychodil berichtet in diesem Monat seinen Kollegen von der Einschätzung des Importeurs, dass für den US-Markt ein Mercedes-Benz Sportwagen benötigt werde. Maximilian E. Hoffman wird eingeladen und stellt am 2. September 1953 persönlich in Untertürkheim seine Pläne acht Vorständen und führenden Mitarbeitern des Unternehmens vor. Er beschreibt die Besonderheiten des US-Markts und verlangt nach Angaben des Vorstandsprotokolls „unter allen Umständen einen Sportwagen, der alleine die Existenz-Grundlage für die Händler-Organisation geben kann“.
Zwei Seriensportwagen entstehen
Das Ergebnis der Diskussion ist die Entwicklung von Prototypen für zwei Sportwagen. Ein besonderes Anliegen Hoffmans ist ein kompakter, offener Sportwagen. Als dessen Basis ist zunächst der Plattformrahmen des Mercedes-Benz 180 (W 120) angedacht. Hoffman lehnt jedoch ein Cabriolet mit langem Radstand und traditionellem Mercedes-Benz Kühler ab, weil diese Form nicht seiner Vorstellung eines typischen europäischen Sportwagens entspricht. Die Konstrukteure und Stilisten in Sindelfingen gehen auf diese Einschätzung ein. Tatsächlich entsteht der 190 SL mit 250 Millimeter kürzerem Radstand (2.400 Millimeter statt 2.650 Millimeter) auf der Plattform des ursprünglich angedachten Cabriolet A der Baureihe W 120. Und er trägt einen großen Zentralstern mit verchromter Querlamelle im Kühlergrill – seitdem das typische SL-Gesicht.
Während Mercedes-Benz die Serienentwicklung des 190 SL mit Nachdruck vorantreibt, wird zudem kurzfristig das 300 SL Coupé als Hochleistungssportwagen entwickelt, dessen Technik auf dem Rennsportwagen von 1952 basiert. Die Messepremiere beider Sportwagen im Februar 1954 ist eine Sensation. Schon im Sommer 1954 kommt der 300 SL „Gullwing“ (W 198) auf den Markt, der in New York noch als Vorserienmodell präsentierte 190 SL (W 121) folgt 1955. Und vor allem dieser kompakte Roadster wird zum Zugpferd von Mercedes-Benz für den Verkauf in den USA: Zwischen 1955 und 1960 beträgt sein Anteil 17,75 Prozent aller in die USA gelieferten Mercedes-Benz Personenwagen – die Einschätzung von Maximilian E. Hoffman hat sich bewahrheitet.
Ende 1953 wird Hoffman zum Mercedes-Benz Generalvertreter für die gesamten Vereinigten Staaten. Die Hoffman Motor Car Co. dehnt ihr Verkaufsgebiet für die Fahrzeuge der Marke mit dem Stern entsprechend aus, Zentren sind New York, Chicago und Los Angeles. Ab Mitte der 1950er-Jahre baut die Daimler-Benz AG sukzessive eine eigene Präsenz in Nordamerika mit den Tochtergesellschaften Daimler-Benz of North America (in New York) und Mercedes-Benz of Canada (in Toronto) auf. Ab 1965 geht der Vertrieb auf die Mercedes-Benz of North America (MBNA) über.
Eröffnung des neuen Classic Centers in Long Beach, Kalifornien
Die Zusammenarbeit von Mercedes-Benz mit Maximilian E. Hoffman ab 1952 erweist sich als entscheidende Weichenstellung für die Zukunft der Marke in Nordamerika. Für das Heritage des ältesten Automobilherstellers der Welt ist eine andere Entscheidung in den frühen 2000er-Jahren ähnlich wichtig: In Irvine, Kalifornien, eröffnet Mercedes-Benz Classic im Jahr 2006 ein eigenes Classic Center. Es wird zu einem Leuchtturm für die Szene der automobilen Klassik im Zeichen des Sterns in den USA und darüber hinaus.
Am 12. und 13. August 2022 schlägt die Marke ein neues Kapitel dieser Erfolgsgeschichte auf: Der neue Standort des Classic Centers in Long Beach, südlich von Los Angeles, wird feierlich eröffnet. Zum Programm gehört neben dem „Grand Opening“ am 12. August auch ein Klassikertreffen der Reihe „Classics & Coffee“ am 13. August.
Präsent ist Mercedes-Benz Classic im Sommer 2022 auch beim wohl glänzendsten Klassiktermin in Nordamerika: Am 21. August 2022 nimmt der älteste Luxusautomobilhersteller der Welt am Pebble Beach Concours d’Elegance in Monterey, Kalifornien, teil. Ausführlichere Informationen folgen im Vorfeld der Veranstaltung.