Der Viertakt-Komponist
Autor: Wolfgang M. Buchta und Alexander Trimmel
Unser Nachbarland Schweiz ist für Uhren, Banken, Käse und hohe Berge berühmt, aber gut versteckt gibt/gab es auch ein paar kleine, aber feine Automanufakturen. Ulli und Wolfgang Buchta haben die schöne Stadt Basel und die einmalige Sammlung von Automobilen der Marke Monteverdi besucht, und Alexander Trimmel hat sich die Rennfahrerkarriere von Peter Monteverdi und die Geschichte der Marke MBM angesehen, die da auch irgendwie dazu gehört …
Der berühmte Ur-Ur-Ahne
Am 15. Mai 1567 wurde dem Wundarzt Baldassare Monteverdi und seiner Gattin Maddalena in Cremona ein Sohn geboren, der auf den Namen Claudio Zuan Antonio getauft wurde. Der junge Claudio bekam, so wie auch sein jüngerer Bruder, eine solide musikalische Ausbildung und sollte zum wohl bedeutendsten Komponisten seiner Zeit, an der Wende von der Renaissance zum Barock, werden.
Neben Cremona wirkte Monteverdi auch in Mantua und in Venedig. Vom frühen Pionier der Oper sind Madrigalbücher, Opern und zahlreiche weitere geistige und weltliche Musikstücke überliefert …
300 Jahre später, Ende des 19. Jahrhunderts, kam ein junger, italienischer Handwerker aus Cremona auf der Suche nach Arbeit in die Schweiz. Pietro Monteverdi, so der Name des Migranten, ließ sich in Binningen bei Basel nieder und schaffte es, sich als Maurer eine Existenz aufzubauen. Pietro gründete eine Familie und am 4. September 1900 kam in Basel sein Sohn Rosolino zur Welt, der sich trotz seines italienischen Namens und trotz seiner italienischen Staatsbürgerschaft zu 100 Prozent als Schweizer fühlte und bald Basler Bürger wurde. Rosolino – und jetzt kommen wir dem Kern unserer Geschichte allmählich näher – machte eine Lehre als Automechaniker und eröffnete 1924 in Binningen in einem winzigen Schuppen seine eigene Werkstätte. Offenbar war der junge Mechaniker tüchtig und die Zeit günstig und mit Reparaturen von Autos, LKWs und Landmaschinen konnte sich der Neo-Schweizer ein bescheidenes Vermögen erarbeiten und es ging weiter berauf: 1928 Eheschließung, 1931 Geburt der Tochter Irene, 1933 Ankauf eines Nachbargrundstücks und Vergrößerung der Werkstätte und schließlich 1934 Geburt des Sohnes, der zu Ehren seines Großvaters Pietro auf den Namen Peter getauft wurde.
A Star is born
Peter Rosolino Monteverdi wurde am 7. Juni 1934 in Binningen im Kanton Baselland geboren, und auch er sollte es wie sein Ur-Ur-Ahne auch zu einiger Berühmtheit bringen.
Da der kleine Peter mehr oder weniger in der Werkstätte seines Vaters zwischen Motoren, Achsen und Getrieben aufwuchs, war ihm eine gewisse Affinität zum Automobil vorherbestimmt, und ein Tretauto, das er mit vier Jahren geschenkt bekam, wurde für längere Zeit zu seinem Lieblingsspielzeug, das mit einer Transportkiste und einem Kübel blauer Farbe „getunt“ wurde.
Auch als Meister der Motivation konnte sich der kleine Peter früh beweisen. Wenn er – oder noch schlimmer sein geliebtes Auto – nach wilden Fahrten die eine oder andere Blessur hatte, so konnte er stets – zumindest für das Auto – bei den Lehrlingen seines Vaters Hilfe finden.
Aber auch technische Begabung, Ehrgeiz und eine gewisse Hartnäckigkeit waren bereits gut entwickelt.
Als der Sohn des (wohlhabenden) Nachbarn mit seinem „Holländer“ schneller als Peter mit seinem Tretauto war, baute der Sechsjährige kurzerhand seinen eigenen „Holländer“, also sozusagen das erste Automobil der Marke Monteverdi, und war damit prompt schneller, als sein Freunde.
Die Schule war, das musste man leider zugeben, nicht Peters „bester Freund“, der zwar begabt war, aber mit den Zwängen des Schulalltags nicht so gut zurecht kam.
Die berufliche Zukunft war auch alles andere als klar – Arzt, Dompteur oder Automechaniker wurden in die engere Auswahl gezogen, ehe Peter wohl auch auf Wunsch des Vaters, sich mit 15 zu einer Mechanikerlehre – bei der angesehenen Firma Adolph Saurer in Arbon – entschied.
Sobald Peter die Trennung vom Elternhaus überwunden hatte, war er bei Saurer voll und ganz „in seinem Element“ und binnen kurzem der Beste in der Gruppe der 50 Lehrlinge bei Saurer. Auch Vater Monteverdi war zufrieden mit den Fortschritten seines Sohnes und sah schon sein Lebenswerk, die Werkstätte in Binningen, in guten Händen.
Alle zwei Wochen reiste Peter heim zu seinen Eltern, und gar manches Wochenende verbrachten Vater und Sohn mit dem Besuch von lokalen Autorennen. Peter Monteverdi, der noch immer ein wenig bedauerte, nicht Arzt geworden zu sein, sah einen neuen Lebensweg als Rennfahrer.
Vom Mechanikerlehrling zum Rennfahrer
Bald war ein Jahr um und der junge Monteverdi vollendete seine Lehre in Arbon zur vollsten Zufriedenheit seiner Lehrherren (und auch zur eigenen) und kehrte in sein Elternhaus zurück. Seine Ausbildung setzte er bei der Saurer-Niederlassung in Basel fort, was bedeutete, dass er täglich durch die ganze Stadt radeln musste.
Zum Glück durfte man bereits mit 16 Jahren Moped fahren und für Herrn Monteverdi jun. musste es natürlich ein spezielles Fahrzeug sein. Ein italienisches Motom Moped, das nicht nur rar und sportlich war, sondern mit seinem 48 ccm-Viertaktmotor aus der Masse der Zweitakter herausstach.
Wer geglaubt hat, dass Peter jetzt anstatt mit dem Fahrrad bequem mit dem Moped in die Lehrstelle gefahren wäre, der lag falsch: Fahrradfahren und Moped tunen lautete das Rezept, das dem stolzen Besitzer a) gute Kenntnisse im Motortuning und b) etliche Blessuren bei Stürzen mit seiner übermotorisierten „Schlurfrakete“ bescherte.
Die Zeit verging rasch, Peter war fleißig und bei seinen Vorgesetzten hoch angesehen und fallweise durfte er im MG TC eines älteren Kollegen mitfahren, wodurch er wieder an seine geplante Karriere als Rennfahrer erinnert wurde.
Der 18. Geburtstag – und damit der ersehnte Autoführerschein – kam langsam näher, und bereits davor konnte Monteverdi einen leicht verunfallten Fiat Balilla erstehen und aus diesem sollte der höchst sportliche Monteverdi Special entstehen. Vater Monteverdi war anfangs alles andere als begeistert über die Neuerwerbung seines Sohnes und wollte den „Schrotthaufen“ eigentlich nicht in seiner Werkstätte sehen, aber als der Herr Sohn den Autobau tatsächlich vorantrieb und dabei weder seine Lehre bei Saurer noch seine Nebenjobs vernachlässigte, wurde Monteverdi sen. allmählich weicher und unterstützte seinen Sohn finanziell beim Ankauf von Tuningteilen und handwerklich, da beispielsweise Schweißarbeiten noch nicht am Lehrplan des Jungmechanikers gestanden waren.
Der erste (oder wenn wir an den „Holländer“ zurück denken sogar zweite) Schritt in Richtung Motorsport war getan, als es das Schicksal gut mit Peter meinte: Franz Hammernick, einst Lehrling in Vaters Werkstätte, war mit einem Veritas bei Berg- und Sportwagenrennen aktiv und suchte für 1951 einen Rennmechaniker. Nun, dieser war schnell gefunden, unser „jugendliche Held“ war seiner Rennsportkarriere wieder einen Schritt näher gekommen.
Die Rennsaison 1951 ging zu Ende und Monteverdi hatte jede Menge Erfahrungen gesammelt und wertvolle Kontakte geknüpft, aber jetzt rückte wieder der Monteverdi Special in den Mittelpunkt von Peters Interesse. Er beendete –
freundchaftlich – seine (unbezahlte) Tätigkeit für Hammernick und konzentrierte sich auf seinen Special und auf den 28. Juni 1952, dem Tag der Führerscheinprüfung.
Im August 1952 war ein weiterer großer Tag im Leben des Peter Monteverdi: Der Monteverdi Special absolvierte – dank Führerschein völlig legal – seine erste Probefahrt ebenso bravourös, wie sein Erbauer seine Führerscheinprüfung einen Monat zuvor.
Im Winter 1952/53 kaufte Peter eine Triumph Tiger 100, von der sein Vater ebenso wenig begeistet war wie vom Special und – um des familiären Friedens willen – handelten Vater und Sohn einen Kompromiss aus. Motorrad und Sportwagen werden verkauft und dafür darf sich der Filius ein „normales“ Auto für den Alltag anschaffen.
Gesagt, getan! Aus einem Motorrad und einem Auto wurden – so hatte es der Vater wohl nicht gemeint – ein Renault 4CV und ein Fiat Topolino Giardiniera. Mit letzterem – welche Ironie – begann bei einem Eisslalom der Sektion Basel des ASC Monteverdi Juniors Motorsportkarriere, passenderweise mit einem Sieg.
Seine Lehrabschlussprüfung bestand Peter Monteverdi – wenig überraschend – mit glänzendem Erfolg und konnte sich jetzt endlich seinem geliebten Rennsport widmen. Mit oft wechselnden Fahrzeugen – VW, DKW, Porsche, … – schlug er sich mehr schlecht als recht bei allen möglichen lokalen Rennveranstaltungen.
1956 verstarb im Alter von nur 56 Jahren Peters Vater und er musste mit zarten 22 Jahren die Garage der Familie übernehmen, die er binnen kurzer Zeit völlig umgestaltete – raus mit allem, was an die Lastwagen erinnerte und Konzentration auf Personenwagen mit Zielrichtung Sport- und Luxuswagen, und tatsächlich sollten bald die ersten Sportwagenbesitzer den Weg in die „Tuningwerkstätte Monteverdi“ finden …
Auch fahrerisch war Monteverdi gereift und brachte jetzt meist seinen Porsche ins Ziel. Dank einiger guten Platzierungen in seiner Klasse wurden die Motorsportszene auf den jungen Fahrer aufmerksam. Und der junge Fahrer wurde durch ein Inserat in der „Automobil Revue“ auf ein goldfarbenes Ferrari 250 Vignale Coupé aufmerksam, das er bald gegen seinen Porsche 356 tauschen sollte.
Einen Motorschaden und einige Werksbesuche in Maranello später war Peter Monteverdi a) Besitzer eines nagelneuen Ferrari Testa Rossa und b) Ferrari-Importeur für die Schweiz, was die kommerziellen Aussichten der kleinen Garage in Binningen ebenso verbesserte, wie die motorsportlichen Hoffnungen des Peter Monteverdi.
Die folgenden Jahre verbrachte Monteverdi teilweise in der Werkstatt – die mittlerweile ein offizielles Ferrari-Schild zierte – und auf den Rennstrecken im In- und Ausland, wo sich wieder einmal der alte Spruch „Win in Sunday, sell on Monday“ bestätigte. Monteverdis motorsportliche Erfolge lockte neue Kunden nach Binningen.
Mit Ferrari ins Motorsportjahr 1957
Nach einigen Werksbesuchen in Maranello hatte er sich für die Rennsaison 1957 einen Zweiliter-Ferrari Testarossa zugelegt. Sein erstes Rennen bestritt er damit am 28. April beim Flugplatzrennen in Wien-Aspern, das ebenso seine Premiere feierte. Der Schweizer Willy Peter Daetwyler siegte im von der „Scuderia Ferrari“ gemeldeten Dreiliter-750-Monza überlegen, vor zwei, ebenfalls vom Werk genannten 500-Testarossas mit Francios Picard und Gigi Munaron am Steuer. Peter Monteverdi ging an vierter Stelle durchs Ziel. Daetwyler entwickelte sich zu Monteverdis Hauptkonkurrenten. Neben seinem Ferrari 750 Monza, stellte ihm das Maserati-Werk auch einen Maserati 200 SI zur Verfügung.
Um in der Schweizer Meisterschaft Schritt halten zu können, gesellte sich zu Monteverdis Zweiliter-Ferrari im August ein vom Werk ausgemusterter 1955er Dreiliter-750-Monza. Von Fall zu Fall reiste er mit beiden Wagen gleichzeitig zu den Rennen, um erst vor Ort die vermeintlich richtige Wahl treffen zu können.
Wie etwa am 15. August am Gaisberg, wo er total „verwaxelte“: Erzrivale Willy Daetwyler siegte mit Streckenrekord im Werks-Maserati 200 SI, Monteverdi landete an ernüchternder 13. Stelle. Den übermotorisierten Monza bezeichnete der junge Mann, der im Kindesalter ernsthaft überlegte, eine Karriere als Raubtierdompteur einzuschlagen, als unberechenbare gefährliche Bestie. Während der Testarossa, mit dem er gegen Saisonende 1957 zwei schwere Unfälle erlitt, seiner persönlichen Bezeichnung nach, von „geschmeidiger Anmut“, fast gemütlich wegkam.
Der für ihn enttäuschende zweite Platz in der Schweizer Meisterschaft und eine goldene Anstecknadel des Commendatore für den besten Ferrari-Privatfahrer, stellten sein Saisonergebnis dar. Das erträumte Cockpit in einem Ferrari-Werkswagen für 1958 zu sitzen, blieb ihm versagt. Sein zweiter Traum, Automobile zu bauen, ging jedoch in Erfüllung.
Ferrari-Monteverdi 750 GT 1958
Der Testarossa wurde verkauft. Ein Neubauprojekt der Garage in Binningen verbot unmäßige Ausgaben für eine privat finanzierte Rennsaison mit dem 750 Monza. Da kam ihm ein Angebot von Doktor Alfred Hopf, einem Basler Industriellen, der schon im Dezember 1956 Monteverdis goldfarbenen Ferrari 250 MM Vignale (0334MM) kaufte, gerade recht: die Bestie Monza in ein extrem schnelles straßentaugliches GT-Coupé zu verwandeln. Ohne Kosteneinschränkung, ganz nach Monteverdis Vorstellungen. Dieser nahm die Herausforderung an, entledigte Chassisnummer 0486M 54 seiner von Scaglietti atemberaubend gedengelten Aluminiumhaut und begann noch im Dezember 1957 mit der Neugestaltung des GT am Zeichenbrett.
Die formale Brutalität eines Rennwagens sollte mit Linien stilvoller Eleganz eines Straßen-Grand-Turismo vereint werden. Das Rohrrahmenchassis verblieb unberührt unter dem neuen ein Millimeter dicken Stahlblechkleid, ebenso wie das Fahrwerk und der 260 Pferdestärken leistende Motor. Die mächtige Trommelbremsanlage wurde auf Zweikreis umgerüstet, ein muskelschonendes Servo eingebaut. Die Auspuffanlage trommelfellgerecht mit zwei Schalldämpfern neu konstruiert, das 90 Millimeter-Endrohr geschickt links hinter einer verchromten Karosserieschutzleiste versteckt, die beiderseits unter den Flügeltüren zwischen den Radausschnitten glänzte. Dem einzigen Chromzierat des Edel-GTs, abgesehen von der Frontscheibenumrahmung und den Türgriffen, die vom Mercedes 300 SL stammten. Einen Kofferraumdeckel suchte man vergebens, das Gepäck musste hinter den Sitzen auf dem Reserverad Platz finden, das über einem riesigen 200-Liter-Tank lag. Der Innenraum wurde in weißem Leder ausgekleidet, die Veglia-Uhren stammten vom Ferrari 250 GT. Ein feingliedriger Kettenzug am Instrumentenbrett hinderte die Modeneser Rassepferde am Piz-Buin-Kälteschock: Er diente zum Bedienen einer Kühlerjalousie, um den Motor rasch auf Betriebstemperatur zu bringen. So stand er nun da. Der Ex-Renner, in unschuldig blassem hellblaumetallic lackiert, besonders sorgfältig von der Karosseriefirma Sauter verarbeitet, mit Ferrari-Wappen an der Front. Und einem neuen Namen: Ferrari-Monteverdi 750 GT. Bei der ersten Probefahrt bekamen die Insassen dessen Renn-Gene ohrenbetäubend zu spüren: Nicht der Auspuff, sondern das gerade verzahnte Transaxle-Fünfganggetriebe machte eine gepflegte Unterhaltung im kuscheligen Leder-Ambiente unmöglich.
Als gerade dem räudigen Getriebe die Zähne neu geschliffen wurden, besuchte Ferrari-Kunde und Rennfahrer Doktor Harry Zweifel Monteverdis Werkstatt, um einen Ferrari-Vierzylinder-Motor in ein Cooper-F2-Chassis einbauen zu lassen. Und seinen Cooper-Norton 500 für das Ollon-Villars-Bergrennen an den rennwagenlosen Motorsportsehnsüchtler Monteverdi zu verborgen. Dieser fühlte sich wieder in seiner Welt angekommen.
Das erste Mal einen nur 220 Kilogramm-Monoposto mit freistehenden Rädern lenkend, fragte er gleich nach dem Rennen bei Doktor Hopf an, ob er eventuell den neu erbauten 750 GT beim Mitholz-Kandersteg-Bergrennen einsetzen dürfe. Dieser willigte ein. Mit dem nun stattliche 1.100 Kilo wiegendem Grand-Turismo schaffte er die zweitbeste Zeit hinter Sommerhalders halb so schweren Grand-Prix-Maserati 250F, einem Wagen, der ihn fortan begeistern sollte.
HOBA 1959
Mitten in der Aus- und Neubauplanungsphase seiner Firma konstruierte Monteverdi traumerfüllt Rennwagen-Rahmen und Monoposto-Fahrgestelle am Zeichenbrett. Und konnte auch Doktor Hopf von der Rennwagenidee überzeugen. Die beiden gründeten einen Rennstall, den sie HOBA nannten. „HO“ für Hopf, und „BA“ für Basel. Hopf kaufte als Renngerät den Ex-Charles-Vögele Lotus F2. Peter Monteverdi sollte das Auto lenken und instand setzen. Der erste Renneinsatz fand am 23. August beim Formel 2-Lauf am Flugplatz von Zeltweg statt. Mit neuer Alu-Karosserie, die Monteverdi im Stile eines Maserati 250F über ein Rohrgerüst hämmerte.
Wunderschön und rot lackiert mit weißem, zum Cockpit hin spitz zulaufendem Streifen, erwies sich das Auto leistungsmäßig der Konkurrenz gegenüber viel zu schwach. Der Eineinhalbliter-Coventry-Climax verrauchte nach Kurbelwellenbruch, das ehrgeizige Projekt fand seinen unrühmlichen Platz unter einer Plane.
Versteckt in einer Ecke der Werkstätte in Binningen. Die Formel 2-Autos waren zu teuer, da sie die Entwicklungsbasis für das neue 1500-Kubikzentimeter-Reglement der Formel 1 von 1961 darstellten. So wandte man sich der kostengünstigeren Formel Junior zu. Hopf bestellte für seinen Rennstall je einen Lola und einen Lotus Formel Junior, Peter Monteverdi ging eigene Wege. Er wurde Rennwagenkonstrukteur.
Bamosa
Das Fahrgestell wollte er selbst bauen, den Karosseriebau sollte Kurt Sauter, der auch den 750 GT so hervorragend gebaut hatte, übernehmen und die DKW-Triebwerke für das F-Junior-Projekt vom Zweitakt-Papst Albrecht-Wolf Mantzel bekommen.
Dieser hatte gute Kontakte in die USA und meinte, dass er Formelwagen mit seinen Motoren dorthin verkaufen könne. Diese Aussichten beflügelten den Schweizer Jungkonstrukteur. Als Vorderachse wählte er die bewährte Volkswagen-Kurbellenkerachse, die Lenkung entnahm er dem Renault 4 CV, der Rahmen bestand aus Stahlrohren mit zwei Millimeter Wandstärke. Der Prototyp hörte auf den mehr oder minder exotisch klingenden Namen „Bamosa“. Nicht auf eine Südseeinsel bezugnehmend, sondern stand lapidar für Basel, Monteverdi und Sauter. Das Chassis erwies sich bei Testfahrten mit Mantzel-Freund Hans Herrmann am Steuer als instabil. Peter Monteverdi ließ sich trotzdem nicht entmutigen.
Das Bamosa-Fahrgestell wurde dem F2-Lotus zur Seite gestellt, das Bamosa-Konzept neu überdacht.
MBM – Monteverdi, der Automobilkonstrukteur 1. Akt
MBM Typ A
Er blieb dem Mittelmotor treu, auch der VW-Vorderachse. Die hintere Schwingachse erhielt doppelte Zugstreben, VW steuerte auch die ZF-Lenkung bei. Neu war auch eine Waagbalken-Bremse, um die Bremskraft optimal zu verteilen. Die Aluhaut wurde nun in Binningen, vom neu eingestellten italienischen Karosseriespengler von Hand gehämmert, und sah viel besser aus, als die seines Vorgängers von Sauter. Alle weiteren Exemplare erhielten Kunststoffkarosserien. Auch die Bezeichnung änderte sich auf „MBM“, als Initialen von Monteverdi-Basel-Motors.
„Typ A“ für die erste Baureihe. Motorenlieferant Mantzel machte seine Drohung wahr und verkaufte gleich vier neue Wagen in die USA, die beim Rennen in Sebring starten sollten. Nur zwei kamen in den USA an, keiner ins Ziel. Nach guter Vorstellung fielen beide Wagen mit Motorschäden an den Mantzel-Motoren aus.
Monteverdi wechselte auf 90 PS-starke Mitter-Aggregate, die sich als zuverlässiger und schneller erwiesen. Insgesamt zehn Typ A-Fahrzeuge konnten verkauft werden. Ein Exemplar ging an Curd Lincoln nach Helsinki, dem Vater von Nina Lincoln, später Nina Rindt.
MBM Typ B
Mitte der Saison 1960 überarbeitete der 26-jährige Peter Monteverdi den Typ A zum Typ B. Mit komplett neuer Hinterradaufhängung. Als oberes Führungselement diente eine Querblattfeder, untere Dreieckslenker, sowie einfache Zugstreben zur Längsstabilisierung vervollständigten die Neukonstruktion. Citroen lieferte die Antriebswellen mit doppelten Universalgelenken. Schon beim zweiten Antreten in
Monza konnte Monteverdi einen dritten Platz hinter der stärkeren Viertakt-Konkurrenz feiern, wie auch am Schauinsland und beim Gaisbergrennen.
Nach dem Sieg im September am Mont Verdun, ging er an die Konstruktion eines komplett neuen Wagens, dem Typ C, mit fast revolutionär neuer Auslegung.
MBM Typ C
Der neue Rahmen war steifer und leichter, die Wandstärke der Rohre war nur noch ein Millimeter stark. Doppelte Dreieckslenker und konzentrische Dämpfer-Federeinheiten und ein Stabilisator vorne ersetzten die VW-Achse. Hinten taten ein einfacher oberer Querlenker und unterer Dreieckslenker mit doppelten Zugstreben und Stabilisator ihren Dienst. Die Kronprinz-Leichtmetallräder und Trommelbremsen blieben erhalten, fünf Gänge wurden von nun an in das VW-Getriebegehäuse hineingebastelt. Von den drei gebauten Wagen des Typs C hatten zwei Mitter-getunte DKW-Motoren. Einer zu Testzwecken den immer leistungsfähiger werdenden Ford-Anglia-Motor mit vier Dellorto-Vergasern.
Richard von Frankenberg saß in Innsbruck 1960 im DKW-getriebenen Typ C-Cockpit mit weißem Hemd und Krawatte. Wie auch Peter Monteverdi im Andenken an seinen Vater bei jedem Rennen mit weißem Hemd und schwarzer Krawatte an den Start ging.
MBM Sport
Parallel zum Typ C nahm sich Monteverdi zunehmend des in der Ecke verstaubenden Formel-2-Lotus 12 an, den er zum Rennsport-Zweisitzer umbauen wollte. Den verschmolzenen Climax-Motor ersetzte er durch einen 1100er OSCA-Motor mit zwei obenliegenden Nockenwellen und zwei Weber-Doppelvergasern, der beachtliche 100 PS auf die Straße brachte. Die Lotus-Vorderradaufhängung wurde leicht modifiziert, während er Hinterradaufhängung, Räder und Scheibenbremsen 1:1 vom Lotus übernahm. Neben dem am Motor angeflanschten Vierganggetriebe hatte der MBM Sport das mit dem Differential verblockte Fünfganggetriebe, wodurch ein schneller Wechsel der Hinterachsübersetzung aus dem Cockpit möglich wurde. Die attraktiv geformte Alu-Karosserie fertigte der Basler Karossier Peter Häner nach Vorgaben von Peter Monteverdi, der wohl an eine Serienfertigung des MBM Sport dachte, Verkaufsprospekte druckte und den Wagen im Dezember 1961 auf der Londoner Racing Car Show präsentierte. Der circa 450 Kilogramm leichte Straßenrenner sollte laut Prospekt 29.000 Schweizer Franken kosten. Etwas mehr als der neue Jaguar E. Er blieb ein Einzelstück. Monteverdi bastelte bereits an neuen Formel-Rennern: Dem MBM Typ D und einen ersten Schweizer Formel 1-Monoposto!
MBM Typ D
Der Typ D stellte eine Weiterentwicklung des Typ C mit dem Anglia-Motor dar. Da der 50-Liter-Tank in der Mitte des Wagens als Fahrersitz ausgebildet wurde, verbesserte sich dessen Gewichtsverteilung. Der 9-Liter-Wasserkühler in der Front trug ebenso dazu bei. Die Hinterachskonstruktion wurde nochmals verbessert, bei den Bremsen vertraute man weiterhin den Porsche-Super-90-Trommeln. Die schwer einstellbaren Dellorto-Vergaser wichen zwei Doppel-Webern, womit man wieder bei einer Höchstleistung von 90 DIN-PS bei 1.097 Kubikzentimeter Hubraum angelangt war. Die Zahnstangenlenkung kam nun wieder von der Renault Dauphine. Die Automobil-Revue 32/1961 vom 20.7.1961 bemerkte zur Form des neuen Formel Junior: „Wie eine Katze! Der Junior-Rennwagen von Monteverdi ist eine vorbildliche Konstruktion. Seine geringe Höhe und die einwandfreie Linie der Karosserie könnte die Eifersucht der englischen Spitzenkonstruktionen lösen.“ Das Karosseriewerk Heckendorn in Basel-Binnigen fertigte die Junior-Außenhaut nun wieder in Aluminium statt in Kunststoff. Vier MBM Typ D wurden hergestellt, parallel dazu der MBM Formel 1.
MBM Formel 1
Der Formel 1 war nichts anderes, als ein vergrößerter Formel Junior mit verstärkten Radaufhängungsteilen und Rahmenrohren, die zum leichteren Motorwechsel hinten beiderseits demontierbar waren. Als Kraftquelle fungierte ein luftgekühlter Porsche-RSK-Motor mit 1.498 Kubikzentimetern und 155 PS Leistung bei 8.500 Umdrehungen. Durch den Wegfall des Wasserkühlers konnte man einen zusätzlichen Tank mit 40 Liter Fassungsvermögen in der Wagenfront platzieren. Die Premiere des Wagens fand im Juli 1961 auf der Solitude bei einem nicht zur Weltmeisterschaft zählenden Formel 1-Lauf statt. Als Ferry Porsche den Schweizer Wagen das erste Mal sah, war er davon so sehr beeindruckt, dass er sich sofort bereit erklärte, den RSK-Motor im Werk auf Höchstleistung zu bringen. Monteverdi fiel im Rennen mit Kupplungsschaden aus, die Porsches von Bonnier und Gurney landeten auf den zweiten bzw. dritten Platz hinter dem Sieger Innes Ireland auf Lotus. Mit dem in Stuttgart-Zuffenhausen auf Trab gebrachten RSK-Triebwerk erzielte Monteverdi beim Schauinsland-Bergrennen des ACS im August locker Tagesbestzeit. Am 1. August 1961 kam es am Hockenheimring zur Katastrophe: Bei der Anfahrt zur Waldkurve geriet Monteverdis Wagen durch einen technischen Defekt außer Kontrolle, durchschlug Absperrungen, stieg zehn Meter hoch in Richtung Tannenwald, ehe er von brechenden Ästen gebremst mit den Rädern nach oben zu Boden fiel. Mit unzähligen Knochenbrüchen wurde er mit Brechstangen aus dem Wrack geborgen. Seinem Schwur, im Falle eines ernsthaften Unfalls den Helm an den Nagel zu hängen, blieb er treu. Die Überbleibsel seines Unfallwagens wurden unter der neuen Betriebseinfahrt in Binningen einzementiert.
Er trennte sich von der „Ecurie HOBA“ und stellte den Rennwagenbau ein. Als er den MBM Sport im Dezember 1961 in London ausstellte, kam er jedoch auf die Idee, einen kleinen, leistbaren GT für die Straße zu bauen, den MBM Tourismo.
MBM Tourismo
Monteverdi fertigte für das Auto einen nur 22 Kilogramm leichten Rohrrahmen. Als Vorderachse verwendete er die des Formel-Junior-Wagens, hinten die Starrachse des Ford Consul, jedoch mit Schraubenfedern, oberen Zugstreben und einem zentral angelenkten unteren Dreieckslenker. Consul-Scheiben vorne und Anglia-Trommeln hinten bildeten die Bremsanlage, vom Junior stammte die Dauphine-Lenkung. Der Ford Kent-Motor und das Getriebe wurden dem Ford Anglia entlehnt. Die Karosserieform wies eine frappante Ähnlichkeit mit George Bishops Heron Europa auf, der, wie auch der MBM Sport, 1961 auf der Londoner Racing Car Show erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Im Gegensatz zum Heron Europa gab es beim MBM keine hinteren Seitenfenster. Der Innenraum des kleinen Coupés war vollständig mit Leder ausgeschlagen und mit Schaumgummi schallisoliert. Im März 1962 stand der Tourismo weiß lackiert am Genfer Salon. Der Kaufpreis wurde je nach Frisierstufe zwischen 12.450,– und 14.950,– Schweizer Franken veranschlagt. Auch dieses Auto blieb ein Einzelstück und sollte für einige Jahre die letzte Monteverdi-Konstruktion bleiben. Er war jedenfalls der Letztgebaute, von insgesamt 21 MBMs von Ende 1959 bis Anfang 1962.
Ab jetzt unter eigenem Namen – Monteverdi, der Automobilkonstrukteur 2. Akt
Im Herbst traf bei allen Schweizer Ferrari „Concessionaires“ ein Brief ein, der den Schweizer Firmen eine dramatische Schlechterstellung ankündigte – ein Schritt, den Peter Monteverdi mit einer Kündigung des Vertrages beantwortete.
Der jetzt Nur-mehr-Garagist verschwand ein wenig von der Bildfläche und konzentrierte sich auf seine Pläne für einen luxuriösen Grand Tourismo, der in der Garage in Binningen allmählich Gestalt annahm. Als er seine Idee der „Schweizer Automobil Revue“ präsentierte, war diese ein wenig skeptisch, aber Chefredakteur Robert Braunschweig gab ihm einen vielleicht entscheidenden Hinweis: MBM wäre ein bisserl ein fader Name für einen Sportwagen, wohingegen der Erbauer einen sehr klingenden Namen hätte. Wie wäre es, den Wagen gang einfach „Monteverdi“ zu nennen?
Gesagt, getan! Die bereits gedruckten Prospekte wurden wieder eingestampft und im Herbst 1967 begann die Produktion des Monteverdi High Speed 375.
Monteverdi High Speed 375
Konzeptuell folgte der High Speed dem bewährten Rezept einer eleganten, italienischen Karosserie mit einem bärenstarken und zuverlässigen amerikanischen Motor.
In diesem Falle kam die Karosserie von Pietro Frua und der Motor von Chrysler. Der Rahmen war eine solide Konstruktion aus Vierkantrohren, die Peter Monteverdi selbst entworfen hatte und bei der „Stahlbau AG“ in Muttenz, keine 10 km von Binningen entfernt, anfertigen ließ. Der Motor war ein 7,2 Liter V8 von Chrysler, dessen Leistung von 375 PS auch für die Namensgebung des 2-sitzigen Coupés verantwortlich war. Der Käufer hatte die Wahl zwischen einem 4-Gang-Schaltgetriebe oder einer 3-Gang-Automatik.
Die Karosserie entstand bei „Studio Technico Pietro Frua“ in Turin. Endmontiert wurde der Wagen dann in Binningen. Seine offizielle Präsentation hatte der High Speed 375 S auf der IAA im September 1967. Preislich lag der High Speed 375 S bei 58.000 Franken. Zum Vergleich: Ein Aston Martin DB 6 kostete 55.000 Franken, einen Ferrari gab’s schon um 54.000 und einen Maserati unter 50.000 Franken.
Parallel zum 375 S entstand bei Frua ein 375 L, ein 2+2-sitziges Coupé mit deutlich veränderter Dachlinie, dessen Prototyp 1968 präsentiert wurde. Der 375 L ging vorerst nicht in Serienproduktion. Die bei Frua verbliebenen Rohkarosserien wurden schließlich als AC 429 fertiggestellt.
Der gleichzeitig mit dem High Speed 375 L angekündigte High Speed 400 mit 400 PS Leistung blieb ein Projekt.
In den Jahren 1967 und 1968 entstanden eine handvoll Fahrzeuge bei Frua in Turin, dessen kleine Firma allerdings nicht in der Lage war, die von Peter Monteverdi angepeilte Stückzahl von bis zu 100 Fahrzeugen im Jahr, zu bauen. Monteverdi und Frua trennten sich im Streit und Monteverdi fand in der „Carrozzeria Fissore“ in der Nähe von Mailand einen neuen Lieferanten.
Monteverdi ließ bei Fissore vorerst ganz einfach die Karosserien nach dem Entwurf von Frua fertigen, wofür dieser Lizenzgebühren verlangte, deren Zahlungen Monteverdi verweigerte. Der Streit endete vor Gericht und Monteverdi musste ab 1969 eine neu entworfene Karosserie bauen lassen.
Der Entwurf der neuen Karosserie wurde gleich zur Überarbeitung der Baureihe verwendet: Der 375 L, das 2+2-Coupé war jetzt mit rund 100 Exemplaren das „Volumsmodell“ und vom (neuen) 375 S wurden wahrscheinlich nur sechs Stück* gebaut.
Erfolgreich war da der High Speed 375/4, der eigentlich kein Coupé mehr war, sondern eine viertürige Luxuslimousine mit einem um rund 60 cm (auf 315 cm) vergrößerten Radstand.
Leder, Klimaanlage, elektrische Fensterheber, Fernseher, … – der High Speed 375/4 bot alles, was das (damalige) Herz begehren konnte. Der Schweizer Regierung den High Speed 375/4 als Staatslimousine schmackhaft zu machen, gelang zwar nicht, aber der Wagen fand trotzdem etliche Käufer. Mit rund 35 Stück war der High Speed 375/4 das zweiterfolgreichste Modell der Baureihe.
In der Ausgabe 12/1972 testete „Auto Motor Sport“ einen 375 L und kam auf durchaus respektable Fahrleistungen – Spitze 229 km/h und 0–100 km/h in 8,2 Sekunden, die allerdings doch unter den Werksangaben lagen.
Noch rarer blieb der in nur sechs Exemplaren gebaute High Speed 375 C, eine offene Version des 375 S.
Der 375 S wurde 1971/72 zum „Monteverdi Berlinetta“ weiter entwickelt, der auch nur in drei Exemplaren gebaut wurde.
Als letzte Evolution des Themas wurde 1975 in Genf der Monteverdi Palm Beach präsentiert, der ein modifizierter 375 C war und von dem nur dieses eine Exemplar entstanden ist. Der High Speed wurde – in all seinen Varianten – bis 1976 in schätzungsweise 170 Exemplaren – Peter Monteverdi hat, wie erwähnt, nie Stückzahlen bekanntgegeben – gebaut.
Leider nein: Der Volks-Monti
1968 stellte Monteverdi einen „kleinen Bruder“ des High Speed vor – ein bildschönes, kleines FließheckCoupé, das weit entfernt von amerikanischer V8-Power von einem 2-Liter-Motor aus München, woher auch die Bodengruppe und andere Komponenten kamen, angetrieben wurde. Peter Monteverdi plante eine Fertigung von 250 Stück des Monteverdi 2000 GTI pro Jahr und der angepeilte Preis sollte mit 25.000 bis 30.000 Franken genau bei der Hälfte des High Speed liegen.
Das Projekt scheiterte allerdings am Teilelieferant BMW, die gar nicht begeistert waren, in Binningen eine ernsthafte Konkurrenz zu den eigenen Modellen heranzuzüchten. Es blieb bei einem einzigen Exemplar …
Monteverdi Hai 450
Ein nochmals anderes Kaliber war der Monteverdi Hai 450 SS, der 1970 präsentiert wurde. Von einem Mittelmotor – Chrysler 426 Street Hemi mit 450 SAE-PS – angetrieben, sollte das kompakte, zweisitzige Coupé – Design: Peter Monteverdi und Trevor Fiore – laut den Messungen des Herstellers am Flughafen Basel unglaubliche Fahrleistungen bieten – 280 km/h Spitze und 0–100 km/h in 4,9 Sekunden. Alles Werte, die von den wenigen zeitgenössischen Tests fast erreicht wurden. So kam die „Automobil Revue“ im Herbst 1970 auf eine Spitze von 270 km/h und brauchte für die Beschleunigung auf 100 km/h eine ganze Zehntelsekunde länger.
Drei Jahre später wurde der Hai 450 GTS mit um 5 cm vergrößertem Radstand und gesteigerter Motorleistung präsentiert. Stolz waren nicht nur die angegebenen Fahrleistungen, sondern auch der Preis: Mit 142.000 Franken kostete der Hai 450 GTS um die Hälfte mehr, als ein Lamborghini Countach.
Um die Stückzahlen des Hai ranken sich zahlreiche Legenden. Peter Monteverdi sprach mehrmals von einer kleinen Serie und tatsächlich wurden auf den verschiedenen Ausstellungen ein roter, ein violetter und ein silberner Hai präsentiert, die sich auch in Details wie Türgriffen und Blinker unterschieden – was Monteverdis Behauptung zu untermauern schien.
Laut heutigen Erkenntnissen gab es genau einen Hai SS mit der Chassisnummer TNT 101 und einen Hai GTS mit der Chassisnummer TNT 102, ehe die Benzinkrise den Markt für derartige Fahrzeuge verschwinden ließ. Um 1990 wurden zwei weitere Hai – TNT 103 ein Neubau des GTS und TNT 100 ein Neubau des SS – gebaut. Geld dürfte die Firma mit den beiden (den vier) Hai-Modellen nie verdient haben, aber die Publicity war enorm.
Ab ins Gelände
Mit der Ölkrise des Jahres 1973 brach der Markt für starke, durstige Sportwagen ein, und die Firma Monteverdi schlitterte in finanzielle Schwierigkeiten. Dass sich Monteverdi wieder – im Gegensatz zu einigen Mitbewerbern – erfangen konnte, war indirekt dem Range Rover zu verdanken, der mit seiner Präsentation im Jahre 1970 das Segment der Luxus-Geländewagen begründete.
Bereits 1974 hatte Monteverdi für Martin Böhler, den österreichischen Importeur von International, einen Scout veredelt, und im Sommer 1976 sprang auch Monteverdi auf diesen Zug auf und präsentierte den Monteverdi Safari. Unter tatkräftiger Mithilfe von Carrozzeria Fissore wurde ein International Harvester Scout neu eingekleidet und bot seinen Käufern italienischen Schick mit amerikanischer Technik. Mechanisch wurde alles vom Scout übernommen – nicht zuletzt, um den Preis günstig zu halten.
Der mit V8-Benzinmotoren von Chrysler angebotene Wagen hatte etwas, was der Range Rover zu dieser Zeit noch nicht hatte: Ein Automatikgetriebe. Und auch einen um die Hälfte höheren Preis …
Auch über die Stückzahlen des Safari gibt es Diskussionen. Die offiziellen Zahlen wurden mit 2.799 Stück - für Sahara und Safari zusammen - angegeben, während andere Quellen von „einigen hundert Stück“ sprechen. Ein einzelnes Exemplar wurde mit verlängertem Radstand als Viertürer gebaut. Auch ein Safari mit Nissan-Dieselmotor dürfte ein Einzelstück geblieben sein. Aber wie auch immer, der Safari war mit Abstand der erfolgreichste Monteverdi.
Zwei Jahre nach der Präsentation des Safari versuchte Monteverdi, die Modellpalette nach unten zu erweitern. Der Sahara genannte Wagen war ebenfalls ein International Harvester Scout, der eine neue Frontpartie mit Doppelscheinwerfern und neuen Blinkern bekommen hatte. Im Inneren luxuriös ausgestattet, war das für die potentiellen Kunden wohl zu wenig, denn „der Rest“ war unverkennbar IHC Scout. Ab 1976 wurde der Safari mit 7,2 Liter Chrysler V8 angeboten, was den Safari zum schnellsten Geländewagen der Welt machte.
Mehr als 30 Stück in Summe dürften es wohl nicht geworden sein.
Da der Range Rover bis 1982 nur als Zweitürer angeboten wurde, nahm sich Monteverdi im Auftrag von British Leyland Switzerland des Vorbilds an und entwickelte eine viertürige Version, die sich - von British Leyland Switzerland vertrieben - in einige hundert Stück verkaufte. Die meisten fanden Kunden in der Schweiz, aber zwei gingen sogar ans Britische Königshaus. Als ab 1982 Rover selbst Viertürer im Programm hatte, war die Marktnische verschwunden, aber zumindest leistete Rover noch einige Jahre Lizenzzahlungen an Monteverdi.
Animiert durch den Erfolg des Safari wollte Peter Monteverdi auch mit der Schweizer Armee ins Geschäft kommen. Bei militärischen Geländewagen ist der Land Rover ein guter Maßstab, und so entstand mit dem Vierzylinder-Motor von IHC ein rustikaler Geländewagen mit der Bezeichnung Military 230 M, der am Genfer Salon 1979 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Einer Zivilversion mit dem Namen Military 250 Z folgte der Frontlenker Military 260 F. Das Interesse der Armee dürfte enden wollend gewesen sein, es blieb bei den drei Prototypen und die Serienfertigung bei Saurer sollte nie stattfinden.
Boutique-Auto aus Binningen
Mit zunehmenden Sicherheitsvorschriften und den gewaltig gestiegenen Entwicklungskosten für eigenständige Autos, spezialisierte sich Monteverdi auf die umfassende Veredelung von Serienfahrzeugen. Was mit dem Safari gut funktioniert hatte, sollte vielleicht auch mit einem PKW gelingen.
Peter Monteverdi wählte – wohl aufgrund der langjährigen Geschäftsbeziehungen – die sogenannte F-Plattform von Chrysler, die in Amerika als Dodge Aspen und Plymouth Volare am Markt waren und wandelte diese unter Beibehaltung von Karosseriestruktur und Mechanik in den Monteverdi Sierra um.
Der Sierra wurde vom serienmäßigen V8 von – je nach Version – 5,2- oder 5,9-Liter-Hubraum angetrieben und als Limousine, Cabrio und Kombi angeboten. Mit einer Länge von 468 bis 488 cm war der Sierra ein respektables Auto in der Größe eines Mercedes Strich 8.
Das Standardmodell war die viertürige Limousine die – mit dem kleinen Motor mit 160 PS – bereits stolze 69.000 Franken kostete. Die laut Verkaufsprospekt „heiße Version“ mit 180 PS war um 5.000 Franken teurer.
Am Genfer Automobilsalon stand 1978 die Cabriolet-Version der Sierra, deren Verbreitung sich bei einem Preis von 89.000 Franken auf fünf Stück beschränkte.
Noch rarer, nämlich ein Einzelstück, blieb der Sierra Station Wagon, ein Luxuskombi in der Kategorie des T-Modells des Mercedes W123. Die Produktionszahlen sind natürlich auch hier Geheimsache, aber die Vermutungen liegen bei 35 Exemplaren der Limousine.
Ein gutes Geschäft machte Peter Monteverdi auf jeden Fall mit Ford. Der Weltkonzern hatte offenbar den Monteverdi Sierra „übersehen“ und den Ford Sierra auf den Markt gebracht. Angeblich soll Monteverdi für jeden produzierten Ford Sierra eine Lizenzgebühr von 5 Franken bekommen haben …
Apropos Ford: Am Genfer Salon 1980 präsentierte Monteverdi den „Monteverdi 2.8 turbo“. 2.8 turbo? Klingelt’s? Das erinnert natürlich an die V6-motorisierten Ford dieser Zeit, und tatsächlich war der Monteverdi 2.8 turbo ein Coupé auf Basis des aktuellen Ford Granada. Oder genauer gesagt: Es war ein allerdings täuschend echt aussehendes Holzmodell und kein auch nur entfernt fahrbereites Auto. Peter Monteverdi wollte den Wagen auch nicht bauen, sondern die Rechte an Ford verkaufen. Und was man nicht selber macht, das bleibt oft ungetan …
Eine Krone für den Papst
Nachdem Chrysler seine großen Limousinen eingestellt hatte, musste sich Monteverdi auf die Suche machen und wurde in Stuttgart fündig. Die 1979 präsentierte S-Klasse der Baureihe W126 schien da geeignet.
Die Langversion der S-Klasse wahlweise mit kleinem (3,8 Liter und 204 PS) oder großem (5,0 Liter und 231 PS) V8-Motor mit neuer Front- und Heckpartie versehen. Das Interieur war bis auf das Lenkrad auch pur Mercedes. Die zeitgenössischen Pressestimmen schwankten zwischen Begeisterung für die elegante Front oder schrieben von der Entstellung eines Mercedes.
Wie auch immer! Der „Superlative Monteverdi“ wurde in aller Bescheidenheit nach der Papstkrone Tiara getauft und am Genfer Automobilsalon des Jahres 1982 zum stolzen Preis von 172.000 Franken angeboten. Damit war der Tiara dreimal so teuer wie der Sierra und, was wohl noch schlimmer war, doppelt so teuer wie der zugrunde liegende Mercedes. Drei Stück der Tiara sind entstanden.
Der Tiara war das letzte serienmäßige Straßenfahrzeug aus dem Hause Monteverdi.
Monteverdi in der Formel 1
1990 erwarb Peter Monteverdi gemeinsam mit dem Rennfahrer und Ferrari-Importeur Karl Foitek das Onyx Grand Prix Formel 1-Team, das – jetzt auf Onyx-Monteverdi umbenannt – sich für die ersten beiden Rennen des Jahres nicht qualifizieren konnte. Bei den folgenden Rennen erging es den Fahrern – JJ Lehto und Gregor Foitek, der Sohn eines der beiden Teameigentümer – etwas besser. Sie konnten sich immer qualifizieren und kamen sogar dreimal – San Marino, Mexico und Monaco, wo mit dem 7. Platz durch Gregor Foitek die beste Platzierung gelang – ins Ziel.
Nach dem zehnten Rennen der Saison wurde der Rennstall geschlossen, allerdings der „Hardware“, allen voran der Ford Cosworth V8 mit 650 PS bei 11.000 U/min, war ein zweites Leben vergönnt. Der Antriebsstrang – Cosworth V8, 6-Gang-Schaltgetriebe, Mittelmotor, Heckantrieb – fand seinen Weg in Peter Monteverdis jüngstes Projekt. Der Monteverdi Hai 650 F1 war mit 650 PS, einer Spitze von 335 km/h und einer Beschleunigung von 0–200 km in 8 Sekunden eine würdige Transformation des Hai 450 SS in die 1990er-Jahre. Anscheinend wurden vom Hai 650 F1 in den Jahren 1992–1994 zwei Exemplare verkauft, die allerdings zumindest in Europa keine Straßenzulassung hatten.
In den letzten Jahren seines Lebens konzentrierten sich Peter Monteverdi und sein Compagnon Paul Berger auf das Monteverdi-Museum in Binningen und es gelang ihnen, praktisch alle Typen aus der Geschichte von Monteverdi für das Museum aufzutreiben.
Peter Monteverdi erlag am 4. Juli 1998 seinem Krebsleiden, und das Museum in Binningen besteht zwar, aber ist seit 2016 nicht mehr öffentlich zugänglich.
Aber das Andenken an einen großen Rennfahrer und dem letzten Automobilproduzenten der Schweiz lebt im Verkehrshaus in Luzern weiter, wo 22 Fahrzeuge als Leihgaben der Stifung „Automobilbau Peter Monteverdi“ der Öffentlichkeit zugänglich sind.
Danksagung
Unser Dank gilt vor allem Paul Berger, der das Andenken an seinen Freund und Geschäftspartner bewahrt, und uns seine Zeit geschenkt und uns einen großartigen Besuch und Phototermin in Binningen ermöglicht hat.
Dank auch an die beiden Autoren Roger Gloor und Carl L. Wagner, welche die Geschichte – viel umfangreicher als wir es hier können – in einem gut 200 Seiten starken Buch zusammengestellt haben.
Dank gebührt auch dem Technischen Museum Wien, in dessen Bildarchiv wir Bilder von Peter Monteverdi beim Einsatz auf österreichischen Rennstrecken gefunden haben.
* Die Stückzahlen der Monteverdi-Modelle sind eine komplizierte und umstrittene Angelegenheit. Peter Monteverdi hat nie Stückzahlen bekanntgegeben und die verschiedenen Quellen liegen oft um Größenordnungen auseinander. Hier haben wir uns an die im Anhang des Buches von Gloor und Wagner angegebenen Stückzahlen orientiert.